Syntropie – Landwirtschaft mit Zukunft

Symbolbild: Waldgarten im Fokus Symbolbild: Waldgarten im Fokus

Vielfalt statt Monokultur und nachhaltig fruchtbarere Böden statt kurzfristiger Ausbeutung: Ernst Götsch propagiert eine unkonventionelle Art der Landwirtschaft mit naturnahem Vorbild.

Von der brasilianischen Zeitschrift «Trip» wird der Thurgauer Ernst Götsch als Wegbereiter einer neuen Landwirtschaft gefeiert. Es ist die Geschichte eines Schweizers, der mit seiner Familie ein abgewirtschaftetes, durch Abholzung ruiniertes und ausgelaugtes Stück Land kauft und dieses zu einer der produktivsten und hochwertigsten Kakaoplantagen Brasiliens macht.

Pionier mit Anlauf

Ernst Götsch, geboren im Jahr 1948, absolvierte in der Schweiz eine Ausbildung zum Agrartechniker und begleitete diverse Projekte zur Bodenverbesserung in der Nordschweiz und im süddeutschen Raum. Zwischen 1978 und 1982 arbeite Götsch als Agrartechniker in Costa Rica, bis es ihn nach Brasilien zog. Dort arbeitete er bei Bodenverbesserungsprojekten auf Landwirtschaftsbetrieben mit. 1997 übernahm Götsch mit seiner Familie eine abgewirtschaftete Farm im südlichen Bahia in Piraí do Norte in Brasilien mit 480 Hektaren Land. Frühere Landwirtschaftende scheiterten auf dem nach seinem trockenen Boden benannten Landgut, da der Boden durch menschliche Tätigkeit ausgelaugt wurde. Dies mündete in der Kakao-Krise, bei der eine Pilzerkrankung die Früchte der Kakaobäume befiel und ganze Ernten zerstörte.

Götsch’s Waldgarten-Philosophie

Eine Landwirtschaft mit Berücksichtigung eines natürlichen Klimas und ohne Kunstdünger: Dieses Vorhaben packte Götsch auf seiner Fazenda an. In seiner Nachkriegsjugend erlebte Götsch, wie die Bauern produzierten. „Es gab viele Hecken zwischen den Äckern. Obstplantagen waren normalerweise am Waldrand“. Diese heutzutage in Vergessenheit geratene Strategie der Pflanzenassoziationen testete Götsch mit diversen Hilfsmitteln damals noch in der Schweiz und kam zu folgendem Ergebnis:

„In Gemeinschaft wuchsen beide Pflanzungen um 30 Prozent besser als einzeln.“

In Brasilien ernährten sich die Leute vor der Invasion der europäischen Kolonialmächte von Früchten und Pflanzen aus dem Küstenregenwald Mata Atlantica. Nach dem Prinzip «Zurück zu den Wurzeln» setzt Götsch auf die Natürlichkeit und sieht in der Waldrodung und Auslaugung des Bodens eine Sackgasse, die einen in den Ruin treibt. Zu seinen Prinzipien gehört, Partner statt Ausbeuter der Erde zu sein. Dazu setzt er auf Vielfalt statt Monokultur und daraus resultieren nachhaltig fruchtbarere anstatt durch mechanisierte Chemie-Landwirtschaft ausgetrocknete Böden. Durch den natürlichen Kreislauf von Keimen, Reifen, Absterben und Vermodern entsteht ein nachhaltiger Prozess. Aus organischem Material lässt Götsch natürlichen Dünger entstehen. Diese Fermentation ist ein mikrobiologischer Ablauf, welcher bei gegebenen Umständen und ohne menschliches Zutun überall auf dem Planeten Erde vonstatten geht. Abfallstoffe werden aufgeschlossen und zu meist nützlichen Stoffen ab- und umgebaut. So pflanzte Ernst Götsch Bäume auf dem verbuschten Land und folgte beim Aufbau der Plantagen diesen Prinzipien bis hin zur Entstehung eines Waldgartens.

Von den ursprünglich 480 Hektaren Land sind 410 aufgeforstet und 60 Hektaren davon werden für die Lebensmittelproduktion verwendet. Geerntet werden in den Tunnelbeeten zwischen den Bäumen Kakao, Bananen, Maniok, Bohnen, Tomaten, Salate, Ananas, Papayas und Maracujas (Passionsfrucht).

Kakaobohnen

Die Regen-Oase

Vom «Irren Gringo» zum «Papst des Agroforst»: Die Resultate sind eindrücklich. Innert ungefähr zwanzig Jahren ist eine Kakaoplantage inmitten eines menschengemachten Dschungels entstanden. Die Pflanzen wuchsen so gut, dass ihnen auch grassierende Pilzerkrankungen nichts anhaben konnten. Eine Vielzahl an versiegten Quellen fliesst wieder, die Pflanzung hat meist ein bis zu 5 Grad kühleres Mikroklima als das Umland und die Nachbarn haben das Gefühl, auf dem Götsch-Grundstück regne es mehr als sonst im Gebiet. Tatsächlich regnete es bei einer grossen Dürre nur bei Götsch, weil die dichte Vegetation für eine hohe Verdunstung sorgte. Die Gründe für die Erfolge liegen für ihn nahe:

«Monokulturen entziehen dem Ökosystem Energie, verarmen die Böden, verschmutzen die Umwelt und schaffen letztlich Wüsten. Meine Art der Landwirtschaft hingegen führt dem System Energie zu und bereichert die Böden.»

«Agropionier» Ernst Götsch gibt inzwischen das Wissen zur Syntropie und der damit verbundenen Bodenrückgewinnung Seminare und Kurse mit praktischen Demonstrationen. Auf seiner Webseite «Agenda Götsch» findet man ausserdem Film-Dokumente zu dieser wunderbaren Entwicklung von Dürre zum gediehenen Waldgarten-Paradies.

Fruchten lassen

Mit seiner Art der Landwirtschaft setzt Götsch ein klares Zeichen gegen die Monokultur, die beispielsweise in der Sojaproduktion immense Ausmasse angenommen hat. Zwar brachte die Grüne Revolution der 60er Jahre dank den riesigen Monokulturen hohe Erträge durch Hochleistungssorten und ersetzte Menschen durch Maschinen, gleichzeitig trieb sie die Landwirtschaftenden jedoch in die Abhängigkeit westlicher Technologie und Krediten und trägt die Verantwortung für grossflächige Rodungen und die Ausbeutung der Böden. Für den Zeitraum zwischen 2015 und 2020 errechneten Experten, dass ein Fünffaches der Schweizer Landesfläche an Tropenwald und Savanne der Schaffung von Sojafeldern zum Opfer fällt. Der frühere amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt warnte unter dem Eindruck des sogenannten «Dust-Bowl»-Vorfalls schon 1937:

«Eine Nation, die ihre Böden zerstört, zerstört sich selber.»

Brandrodung, maschinelle Planierung und Einsatz chemischer Mittel münden in Erosionen und beeinträchtigen Feuchtgebiete. Als Nebeneffekt von Kunstdünger und Pestiziden sind Amazonas, São Francisco und Rio Paraná, die drei Flusssysteme Brasiliens, nach und nach von Giften geflutet. Götsch meint zusammenfassend:

«Wir denken wir seien intelligent; aber wir sind wohl die einzige Spezies, die daran ist, sich das eigene Grab zu schaufeln.» 

Götsch’s Pionierarbeit ist wichtig, aber deren Langzeiterfolg ist noch nicht abzuschätzen. Knackpunkt ist momentan noch die Bearbeitung grösserer Flächen. Bei Sao Paolo experimentiert inzwischen ein Unternehmer auf 2300 Hektar mit Zitrusplantagen nach Götschs System. Gleichzeitig unterstützt Götsch einen Großbauernverband bei der Umstellung der Produktion. Damit zeigt Ernst Götsch einen Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft auf, welcher mit der entsprechenden Weiterentwicklung durchaus grosses Potenzial hat.

 

Quellen und weiterführende Informationen:
Website «Agenda Götsch»
Reportage «Der Tagesspiegel»
Verband Thurgauer Landwirtschaft

 

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