Knapp über ein Jahr ist seit dem Amtsantritt des rechtspopulistischen Jair Bolsonaro in Brasilien vergangen. Diese Wahl hat den Umweltschutz massiv geschwächt. Schon während des Wahlkampfes kündigte er an, staatliche Behörden zum Schutz des Regenwaldes schliessen zu wollen: Die Territorien der indigenen Bevölkerung sollen für Agrar- und Bergbauunternehmer zugänglich gemacht und somit die Abholzung der Regenwälder noch einfacher gemacht werden.
Das Amazonasgebiet
In Brasilien leben zirka 900.000 Menschen, die indigenen Volksgruppen angehören. Die meisten von ihnen leben im Bundesstaat Amazonas, welcher grösstenteils aus tropischem Regenwald besteht. Die Amazonaswälder spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung des globalen Klimas. Das Amazonas-Gebiet ist der grösste und wichtigste Co2- Speicher der Erde. 5% der weltweiten CO2- Emissionen werden von den Pflanzen absorbiert.
Experten von Human Right Watch sehen die Stärkung der Rechte der indigenen Völker als effektivste Methode, um die Abholzung der Wälder zu minimieren und somit die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen. Auch ist der Regenwald Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Dort sind 10% der Artenvielfalt der Erde beheimatet.
Konsequenzen für den Amazonas Regenwald und dessen Ureinwohner
Während Bolsonaros einjähriger Amtszeit hat er das Budget für den Klimaschutz gekürzt und den Schutz von Waldgebieten als Lebensraum indigener Völker infrage gestellt. Er schaffte Umweltauflagen ab und kündigte an, 300.000 von der Agrar- und Bergbauindustrie illegal besetzte Gebiete zu legalisieren. 87% dieser Gebiete liegen im Amazonasgebiet. Auch das Budget und die Kompetenzen des Umweltministerium und der staatlichen Behörde für die Angelegenheiten der indigenen Bevölkerung Brasiliens wurden stark gekürzt. Es gab zahlreiche Entlassungen von Umweltexperten und Forschern. Angestellten der Schutzbehörde wurde verboten, mit der Presse zu reden.
Viele internationale Organisationen darunter - Amnesty International und Human Rights Watch sowie brasilianische Gruppierungen, Sprecher indigener Völker und Verbände der Kleinbauern - berichten von zunehmenden Vereinnahmungen bislang geschützter Gebiete durch gewaltbereite Grossgrundbesitzer, Holzfäller und Goldgräber.
In keinem anderen Land ist es so gefährlich, Umweltaktivist zu sein, wie in Brasilien. 2017 wurden 57 Umweltschützer getötet. Diese Zahl dürfte noch steigen: Ein liberales Waffengesetz erlaubt nun das Tragen von Schusswaffen.
Waldrodung und Waldbrände
Das international anerkannte brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) dokumentiert die Entwaldung des Amazonasgebietes in Echtzeit. Die Zahlen zeigen einen dramatischen Raubbau:
Gerodete Flächen 2018: 4946 km2
Gerodete Flächen 2019: 9166 km2
90.000 Waldbrände 2019 (30% höherer Verlust als 2018)
Neben der massiven Rodung ist auch die Zahl der Waldbrände um fast ein Drittel im Vergleich zu 2018 gestiegen. Vor allem die Anzahl der von Landwirten vorsätzlich gelegten Brände hat zugenommen. Die gerodeten Flächen werden hauptsächlich für den Anbau von Soja sowie die Rinderzucht genutzt.
Forscher und Umweltaktivisten machen den Präsidenten für diese Zahlen verantwortlich. Die Wirtschaftsinteressen werden über den Naturschutz gestellt. Im Regenwald sieht Bolsonaro hauptsächlich das finanzielle Potenzial: Es sollen mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung genutzt werden. Er ist eng mit der Agrarlobby verbündet. Ausserdem zweifelt er am menschengemachten Klimawandel.
Ein Mann der Kaxinawa, einer indigenen Volksgruppe in Brasilien (Rodrigo Farhat, Pixabay)
Widerstand der indigenen Völker
Die indigenen Volksgruppen gelten als verantwortungsvolle Hüter des Waldes. Studien belegen eine grössere Artenvielfalt in von indigenen verwalteten Territorien. Doch diese stehen nun unter Druck. Holzfäller und Bergleute dringen in ihre Gebiete ein. Sieben Anführer von indigenen Volksgruppen kamen bei Landstreitigkeiten schon ums Leben. Zahlreiche Aktivisten wurden getötet, viele weitere erhalten Morddrohungen.
Im November 2019 haben sich brasilianische Anwälte und Menschenrechtsorganisationen zusammengeschlossen und forderten den Internationalen Strafgerichtshof auf, Bolsonaro wegen Anstiftung zum Völkermord an der indigenen Bevölkerung Brasiliens anzuklagen: Die indigene Gemeinschaft sei einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt. Die Rodung des Waldes bringe sie in Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werden. Die Anklage wird derzeit noch in den Haag überprüft. Ob es tatsächlich zu einer Anklage kommt, bleibt abzuwarten.
Viele indigene Volksgruppen bilden derweil Kooperationen, treiben die Aufforstung voran und gehen auf die Strasse, um für ihre Landrechte und gegen die schlechte Behandlung der Regierung zu demonstrieren. Indigene Aktivisten mahnen die Verletzung ihrer Rechte vor internationalen Gremien an. Sie verteidigen ihr Land und vertreiben die Holzfäller trotz der Androhung von Gewalt.
Ohne internationale Hilfe und Druck auf die Regierung Bolsonaros sieht es schlecht aus für den Regenwald und seine indigene Bevölkerung. Profit und Agrarinteressen stehen derzeit über dem Schutz der Natur und der Menschen.
Quellen und weitere Informationen:
Anklage Internationaler Strafgerichtshof:
Studie: Grössere Artenvielfalt bei den indigenen Volkern
Die Zeit: Zerstörte Regenwaldfläche
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