Am Sonntag, dem 8.August 2020, fand der Internationale Tag der Indigenen Bevölkerung der Welt statt. Nicht nur, dass diese Völker einen unglaublichen Reichtum an Kulturen aufweisen, sie leisten auch einen unschätzbaren Beitrag zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt und im Kampf gegen den Klimawandel. Indigene verwalten 35% der Flächen, die weltweit unter Naturschutz stehen. Oftmals herrscht dort eine hohe Artenvielfalt, und die Gebiete sind wichtige CO2-Speicher. Ihr traditionelles Wissen über Heilpflanzen, Nahrungsquellen oder Trinkwasservorkommen halfen ihnen seit Jahrtausenden zu überleben – in Rücksichtnahme auf die sie umgebende Natur. Der Rest der globalen Gesellschaft ist jedoch erst vor kurzem in diese vielfältigen Lebensräume vorgedrungen: Meistens auf der Suche nach natürlichen Ressourcen wie Gold und Kohle oder nach Flächen für die intensive Landwirtschaft.
Kulturelle Vielfalt schützt biologische Vielfalt
Indigene Völker sind über den ganzen Globus verteilt, besiedeln die unterschiedlichsten Lebensräume und schützen dabei die Ökosysteme. Ob im Norden bei den Yup’ik und Chu’pik in Alaska und den Ewenk in Sibirien, bei den Dayak-Völkern auf Borneo und den Sibuyan Mangyan Tababukid auf den Philippinen, im Regenwald des Amazonas und in der Andenregion bei den Candoshi und Achuar in Peru, den Mapuche in Chile oder den Awa und Embera in Kolumbien - überall lebten diese Menschen in diesen verschiedenen Regionen im nachhaltigen Umgang mit der Natur. Denn nur wer mit den vorhandenen, oft kargen Ressourcen sorgsam umgeht, schafft es, Jahrtausende zu überleben.
Sie sprechen über 3000 verschiedene Sprachen und haben eine Vielzahl kultureller Unterschiede, dennoch einen sie die gleichen Probleme. Sie gehören meist zu den Bevölkerungsgruppen, die nur wenig an den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entscheidungen der Staaten, in deren ihre Gebiete liegen, teilnehmen dürfen. So leben die Indigenen meist unter Bedingungen extremer Armut und sind ausserdem mit am häufigsten von Menschenrechtsverletzungen betroffen.
Ihre enge Verbundenheit mit der Natur macht sie gleichermassen verletzlich. Der Verlust der Biodiversität, der Klimawandel und die Umweltzerstörung bedrohen ihre Existenz ganz unmittelbar. Auch sind sie besonders verwundbar durch neu auftretende Viren und dementsprechend stark von der aktuellen Pandemie betroffen. Gleichzeitig könnten sie eine der wichtigsten Rollen bei der Vermeidung zukünftiger Zoonosen, beim Rückgang des Artensterbens und dem Kampf gegen die Erderwärmung spielen.
Ölförderung und Waldrodung trotz Klimakrise im Amazonasgebiet
Die Kichwa leben in Sarayaku, Ecuador. In ihrer Heimat gehen die Ausweitungen der Ölbohrungen und Bergbauaktivitäten weiter - im heiligen Quellgebiet des Amazonas. Das Gebiet erstreckt sich über 30 Millionen Hektar und liegt in Peru und Ecuador. Unter dieser Fläche von der Grösse Italiens sollen 5 Milliarden Barrel Öl im Boden liegen. Das entspräche einer Emission von 2 Milliarden Tonnen CO2. Der zusätzliche Ausstoss an CO2, der aufgrund der Entwaldung entstehen würde, betrüge nach Angaben der NGO Amazon Watch noch einmal zusätzliche 4 Milliarden Tonnen CO2. Die geplante Extraktion dieses Erdöls ist absolut nicht vereinbar mit den Rechten der Indigen und den Zielen des Pariser Klimakommens.
„Es ist absurd, dass die hochindustrialisierten Länder [beim Weltklimagipfels COP25] zusammenkommen, um über den Stopp des Klimawandels zu sprechen, jedoch gleichzeitig neue Ölbohrungen in unseren Gebieten, im Herzen des Amazonas-Regenwaldes, zu erzwingen"
Wrays Perez (Präsident der Wampis-Nation, Peru)
Nicht nur die Ölförderung, auch der Raubbau an anderen natürlichen Ressourcen und die extensive Landwirtschaft für Soja-Anbau und Rinderzucht bedrohen die indigenen Völker Südamerikas.
Aborigines gegen die Ausbeutung des Galilee-Beckens in Australien
Im australischen Queensland soll eine Kohlegrube angelegt werden – von einer Grösse von über 450 Quadratkilometern. Die Mine wird Milliarden Liter Grundwasser verbrauchen und verschmutzen. Sie wird wichtige Quellensysteme zerstören und ein Loch von monumentalen Ausmaßen hinterlassen. Im Falle der Wangan and Jagalingou betrifft dies ihre Heimat, in der sie bereits seit über 60.000 Jahren leben. Queensland würde seine Kohle-Exporte verdoppeln, was bedeutet: Millionen Tonnen an CO2 zusätzlich in der Erdatmosphäre. Das indische Kohleunternehmen und die australische Regierung versprechen Milliardeneinnahmen, von denen auch die Aborigines profitieren sollen. Doch bisher hat der jahrzehntelange Bergbau rund um Townsville wenig Besserung für Wangan and Jagalingou gebracht. Die Armut in den Gemeinden ist gross, die Selbstmordrate eine der höchsten weltweit, die durchschnittliche Lebenserwartung gering. So leben viele Aborigines zwischen den vielen riesigen Tagebauen in der Region und sind Zeugen einer gewaltsamen Ausbeutung der Natur, wie sie anderen Menschen kaum je sichtbar wird.
"Sie werden unser Land verschwinden lassen. Wenn wir diese Bindung an das Land verlieren, wird nichts mehr übrig sein. Wir werden ausgelöscht sein. Wir existieren als Volk durch unser angestammtes Land. Das ist alles, was wir sind.”
Adrian Burragubba (W&J-Stammesältester, Australien)
Weiterführung des Kolonialismus - Tigerschutzgebiet in Indien
Eine finstere Rolle spielt auch immer wieder der Naturschutz. In seiner kolonialen Variante ist er oftmals nichts anderes als Landraub im Namen des Naturerhalts. Das gestohlene Land wird zum Schutzgebiet oder Nationalpark. Viele Schutzgebiete laden zum Massentourismus ein oder ermöglichen Trophäenjagd, Abholzung und Bergbau.
Kolonialer Naturschutz hat “Tradition“: Schon 1880 bei der Gründung des weltweit ersten Nationalparks wurden die Lakota und Shoshone von der US-Army aus dem Gebiet des heutigen Yellowstone-Nationalparks vertrieben. Doch es gibt ihn auch heute noch. Die Chenchi in Indien geben den kolonialen Naturschutz als grösste Existenzbedrohung an. Die ursprünglichen Bewohner werden unter Androhung und Anwendung von Gewalt von ihrer Heimat – einem heutigen Tigerschutzgebiet – ferngehalten, während beispielsweise Touristen gern gesehene, da zahlende Gäste sind.
„Die BesucherInnen-Zahlen sind sehr hoch, das beunruhigt uns sehr. Der Plastikmüll, den die TouristInnen mitbringen – die Tiere sterben deswegen.“ Husain Swamy (Chenchu, Indien)
Neues Management für den Naturschutz
80 % der biologischen Vielfalt unserer Erde befindet sich in den Gebieten der Indigenen Völkern. Wenn ihre Landrechte sichergestellt sind, erzielen sie mindestens gleiche oder aber bessere Ergebnisse wie der konventionelle Naturschutz. In ihren angestammten Gebieten sind sie die wahren ExpertInnen, wo es um Artenschutz und nachhaltige Lebensweise geht. Die Kosten betragen dabei nur ein Bruchteil dessen, was der Schutz eines gefährdeten Ökosystems sonst kostet.
„Indigene Völker haben die Wälder der Welt lange Zeit verwaltet und geschützt. Sie erzielen mit einem Bruchteil des Budgets von Schutzgebieten mindestens gleichwertige Schutzergebnisse und machen Investitionen in die indigenen Völker selbst zum effizientesten Mittel zum Schutz der Wälder.“ Victoria Tauli-Corpuz (UN-Sonderberichterstatterin)
Beim Management und dem Schutz der biologischen Vielfalt sowie bei Klimaschutzmaßnahmen muss künftig der Schutz der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen zu unseren obersten Prioritäten zählen.
Quellen und weitere Informationen:
EU Rat: Internationaler Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt
Survival: Globale Bewegung für die Rechte Indigener Völker
Uni Wien: Indigene Völker-Hüter der Artenvielfalt
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