Berglandwirtschaft — Ein fragiles Gleichgewicht

Selbst in den steinigen Höhen des Himalaya werden Nutzpflanzen angebaut Selbst in den steinigen Höhen des Himalaya werden Nutzpflanzen angebaut

Es gibt kaum eine andere Form der Landwirtschaft, die anspruchsvoller und arbeitsaufwändiger ist als die Berglandwirtschaft. Dennoch ist sie entscheidend für die lokale Wirtschaft.

Die Berglandwirtschaft ist die Haupteinkommensquelle vieler Familien in ländlichen Gebieten. Sie produziert Nahrungsmittel und hält die örtliche Wirtschaft in Gang — ein entscheidender Gewinn nicht nur für die Bergbauern selbst, sondern auch für die Stadtbewohner, die die Berge zu Erholungszwecken nutzen. Gleichzeitig belastet die intensive landwirtschaftliche Nutzung die Natur in den Gebirgen.
In diesem Beitrag der Artikelserie Berge werfen wir einen Blick auf die landwirtschaftliche Nutzung von Gebirgen in verschiedenen Regionen der Welt.


Himalaya

Das sogenannte „Dach der Welt“ besteht neben hohen Gipfeln auch aus fruchtbaren Hochplateaus. Mehr als 50 Millionen Menschen leben hier — viele von der Landwirtschaft, aber auch der Tourismus ist zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden. Der Schwerpunkt der Landwirtschaft in der Himalaya-Region verlagerte sich in den letzten Jahrzehnten langsam vom traditionellen Getreideanbau hin zum Anbau hochwertiger Kulturpflanzen wie Obst und Gemüse, denn die sind nicht nur lukrativer, sondern liefern der lokalen Bevölkerung auch wertvolle Nährstoffe. Als grosser Nachteil stellt sich jedoch heraus, dass sie anfälliger für Krankheiten, Schädlinge und extreme Wetterbedingungen sind. Letztere treten aufgrund des Klimawandels immer häufiger ein. Dies hat zur Folge, dass zur Ertragssicherung mehr Pestizide eingesetzt werden müssen. Um diese negativen Umweltauswirkungen zu minimieren und sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen, setzen viele Bauern wieder auf traditionelle, resistentere Nutzpflanzen wie Hirse und Senf.

 

Bergbäuerinnen auf einem Feld auf dem Annapurna, Nepal geniessen die Sonne und die fantastische Sicht. Giacomo Berardi, Unsplash

 

Anden

Die Bergbauern in den südamerikanischen Anden machen noch heute Gebrauch von traditionellen Inka-Praktiken und kombinieren diese mit modernen Techniken, um mit dem einzigartigen Terrain und den klimatischen Bedingungen der Region klarzukommen. 
Millionen von Bauern in wirtschaftlich verarmten Gemeinden verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Olluco und Mashua für den Eigenbedarf sowie für den Verkauf auf lokalen und städtischen Märkten. Die Andenregion ist besonders bekannt für ihre grosse Vielfalt an Kartoffelsorten, von denen es schätzungsweise über 5000 gibt.
Mit der Grünen Revolution — der Verbreitung moderner Landwirtschaftsmethoden und -technologien — in den 1960er-Jahren wurden unter anderem Dünger, Pestizide und neue Kulturpflanzen eingeführt. Diese Veränderungen in der Landwirtschaft in der Andenregion hatten auch indirekte Auswirkungen auf die flussabwärts gelegenen Ökosysteme. Speziell in Kolumbien wurden durch die Entwaldung und die Ausdehnung der Weideflächen für Nutztiere — charakteristisch für dieses Gebiet sind Llamas, Alpakas und Ochsen — über 63% der Landfläche für zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Dies erhöhte die Stickstoff-Konzentration im Wasser sowie in den Böden mit all den bekannten, negativen Auswirkungen einer Überdüngung. Der Anstieg des Stickstoffs wird auf den Abfluss von Düngemitteln und tierischen Abfällen zurückgeführt.

Ein Llama führt uns durch die traditionellen Terrassenfelder in Machu Picchu, Peru. StockSnap, pixabay

 

Schweizer Alpen

Die Schweiz gilt als Inbegriff der Berge. Gerne wird deshalb die Schweizer Landwirtschaft den Konsumenten als Berglandwirtschaft verkauft: Urchige Bauern in Trachten verkaufen Emmentaler Käse, Kühe laben sich an saftigen Alpkräutern. Tatsächlich sind 27% — also fast ein Drittel — aller Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz in den Bergregionen tätig.
Da sich die mehrheitlich steinigen Böden der Berggebiete nicht für den Ackerbau oder Spezialkulturen eignen, haben die meisten Bergbetriebe ihren Produktionsschwerpunkt in der Nutztierhaltung. Vereinzelt werden Getreide, Weinreben und wenige Gemüse- und Früchtesorten angebaut.
Bergbauern haben mit erschwerten natürlichen Voraussetzungen zu kämpfen. Lange Winterfütterungszeiten, Hang- und Steillagen, schwierige, z.T. fehlende Erschliessung durch Infrastruktur sowie kleinräumige Strukturen machen die Produktion im Berggebiet arbeitsaufwändig und teurer als im Tal. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Bergbetriebe zurückgeht. So schloss in den letzten zwanzig Jahren jeder fünfte Betrieb in den höchsten Bergregionen seine Stalltüren für immer.

Eine grasende Kuh hoch oben am Seealpsee in den Appenzeller Alpen. Daniel Sessler, Unsplash


Umweltauswirkungen

Aufgrund der geringeren Produktivität der Böden sind die landwirtschaftlichen Güter aus den Bergregionen hinsichtlich der Ökobilanz weniger effizient als jene aus Landwirtschaftsbetrieben im Flachland. Pro Produkteinheit verursachen Lebensmittel, die in den Bergen produziert werden, in der Regel höhere negative Umweltauswirkungen. Ganze 40% geringer ist der landwirtschaftliche Ertrag in Berggebieten im Vergleich zur Bewirtschaftung in den Tälern.

Vermehrt werden die abgelegenen Landwirtschaftszonen verlassen, während die landwirtschaftliche Nutzung in ertragreichen, gut zu bewirtschaftenden Standorten intensiviert wird. Die Übernutzung des Bodens und der Einsatz von Dünger, Herbi- und Pestiziden in der intensiven Landwirtschaft wirkt sich negativ auf die Bergökosysteme aus. Unter anderem muss so die lokale Flora den Monokulturen weichen — die Biodiversität nimmt massiv ab. Die Vegetation kann sich in Nutzungspausen nicht ausreichend erholen. Es besteht eine grössere Gefahr von Erosion, zum einen durch die Tiere selbst, zum anderen durch fehlendes Wurzelwerk der angegriffenen Vegetation. Zudem hat die intensivere Nutzung eines Gebietes auch eine Zunahme des Verkehrs zur Folge. Gebaute Wege zerschneiden die Landschaft und können zusätzlich die Erosion verstärken, weil das Wasser auf ihnen zu Tal rauscht anstatt im Boden zurückgehalten zu werden.

 

Nebst der landwirtschaftliche Übernutzung übt die immer weiter voranschreitende Erderwärmung zunehmend Druck auf die Bergökosysteme aus. Um die Lebensgrundlage der Bergbevölkerung und die Natur der Berge zu erhalten, sind deshalb nachhaltige Formen der Landwirtschaft gefragt. Die bringen zwar ebenfalls geringere Erträge als im Tal, doch auf die Ökosysteme und die Biodiversität der Gebirgsregionen können sie positive Auswirkungen haben. Kleinteilige, extensive Alpsbewirtschaftung können vor Vergandung schützen und ökologische Nischen öffnen. Wie überall aber ganz spezifisch in den Bergen kommt es auf das richtige Mass an.


Quellen und weitere Informationen: 
Schweizer Bauernverband: Berglandwirtschaft
Britannica: Andes Mountains
FAO: Cash crop farming in the Himalayas
IIED: As climate changes, Himalayan farmers return to traditional crops

  
  
  

   
 
 
 

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