Tausende Forellen im Blausee starben in den letzten zwei Jahren aus mysteriösen Gründen. Seither herrschte grosse Verunsicherung in Kandergrund (BE), ob nicht auch das Grund- und Trinkwasser verseucht sein könnten. Jüngste Recherchen der SRF-Sendung "Rundschau" und der Tamedia-Zeitungen deckten nun auf, dass im Steinbruch Mitholz — vom Baukonzern Vigier AG betrieben — oberhalb des Blausees hunderte Tonnen giftiges Material illegal entsorgt wurden.
Giftiges Material illegal deponiert
Die Spur führt zu einem Berner Transportunternehmer. Letzte Woche kam ans Licht, dass die Berner Transportfirma TGC von zwei Zürcher Baustoff-Unternehmen — Kibag in Regensdorf und Agir in Dietikon — Inertstoffe und Filterschlämme zur Entsorgung übernommen hatte. Angeblich hat der Berner Transporteur dem Baustoff-Unternehmen die Kosten für eine korrekte und legale Entsorgung dieser teilweise belasteten Stoffe verrechnet. Doch anstatt diese wie vereinbart in gesicherte Deponien zu bringen, habe die TGC mehrere hundert Tonnen giftige Substanzen illegal im rund einen Kilometer vom Blausee entfernten Steinbruch Mitholz entsorgt. Das, obwohl im Steinbruch nur sauberes und unbelastetes Material deponiert werden darf.
Welche Giftstoffe wurden im Blausee nachgewiesen?
Bei den nachgewiesenen Schadstoffen im Blausee handelt es sich nebst Schwermetallen u.a. um polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Diese entstehen bei der Verbrennung organischer Materialien, u.a. Kohle, Holz, Heizöl, Treibstoffen sowie Tabak. An Russpartikel gebunden gelangen sie in die Umgebungsluft. Auch Nahrungsmittel können in Folge bestimmter Verarbeitungsmethoden PAK enthalten, bspw. nach dem Grillieren oder Räuchern. Einige PAK sind krebserregend. Messungen im Kieswerk beim Blausee hätten gemäss Stefan Linder von der Blausee AG eine 424'000-fache Überschreitung des Grenzwerts der PAK festgestellt.
Papiere gefälscht
Interviews der SRF mit ehemaligen Chauffeuren der TGC brachten einen schockierenden Betrug an den Tag: Die Chauffeure mussten ihre Ladung als „sauber“ umdeklarieren, bevor sie sie in den Steinbruch Mitholz verbrachten. So konnten die giftigen Substanzen im Berner Oberland abgeladen werden, ohne dass es jemand merkte.
Die Deponierung sauberer Materialien ist deutlich billiger als jene von belasteten Stoffen. Den Gewinn hat das Transportunternehmen so einsacken können.
Inzwischen hat die Justiz eingegriffen. Die Berner Staatsanwaltschaft hat eine Strafuntersuchung gegen die Verantwortlichen der Transportfirma TGC eröffnet.
Grundwasser in Gefahr
Marcos Buser, Geologe und Entsorgungsexperte, äussert sich gegenüber dem SRF besorgt. Er befürchtet, dass die Schadstoffe durch starken Regen in den Blausee gespült werden. Auch SVP-Grossrat Ernst Wandfluh drängt zu schnellem Handeln. Da sich der Steinbruch Mitholz in der Nähe einer Grundwasserzone befinde, seien die Schadstoffe möglicherweise bereits im Grundwasser. Besonders nach starkem Regen müsse das Berner Amt für Wasser und Abfall (AWA) während mehrerer Tage Grundwasser-Proben nehmen. Zudem stehe ausser Frage, dass die belasteten Materialien schnellstmöglich aus dem Steinbruch entfernt und fachgerecht entsorgt werden müssen.
Mehrere Verdächtige
Bereits im Sommer 2020 reichten die Besitzer der Forellenzucht am Blausee eine Strafanzeige ein. Sie äusserten den Verdacht, dass giftige Deponiemassen im Steinbruch Mitholz für das wiederholte Fischsterben verantwortlich seien. Ursprünglich lag dieser Verdacht alleinig auf dem Bahnunternehmen BLS, das laut Angaben der Vigier AG seit 2012 rund 16’000 Tonnen teilweise stark verschmutzten Altschotters nach Mitholz lieferte. Auch hier handelt es sich um illegale Vorgänge, die weiter untersucht werden.
Quellen und weitere Informationen:
BAG: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
SRF (20.01.2021): Hunderte Tonnen verschmutzten Schlamms illegal entsorgt
SRF (16.09.2020): Fischsterben im Blausee
Jungfrau Zeitung (24.01.2021): Interview mit SVP-Grossrat Ernst Wandfluh
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