Sihlwald — Naturschutz und Erholung vereint

Naturbelassene Wälder wie der Sihlwald sind in der Schweiz eine Seltenheit Naturbelassene Wälder wie der Sihlwald sind in der Schweiz eine Seltenheit

Heute gilt der Sihlwald als Waldreservatsgebiet von nationaler Bedeutung. In seinem Kerngebiet kann sich die Natur ganz frei entfalten, und der Mensch hält sich raus. Trotzdem darf er daran lebhaften Anteil haben.

Mitten im urbanen Raum zwischen Zürich, Zug und Luzern erstreckt er sich: Der Wildnispark Zürich Sihlwald. Sein Kerngebiet ist der einst intensiv durch die Forstwirtschaft genutzte Sihlwald, der mit seinen 1’100 Hektaren heute eine der grössten naturbelassenen Waldflächen der Schweiz und für Mensch und Natur unersetzlich ist.
In Vorausblick auf den internationalen Tag des Waldes am 21. März, welcher dieses Jahr unter dem Motto „Wiederherstellung von Wäldern: Ein Weg zur Erholung von Natur und Gesellschaft“ die Bedeutung der Renaturierung von Wäldern hervorhebt, werfen wir einen Blick in die Dickichte des Sihlwaldes und seinen langen Weg bis zum national anerkannten Naturerlebnispark.


Vom Nutzwald zum Naturwald

Der Sihlwald hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Bereits im 14. Jahrhundert, nachdem die Habsburger den Besitz des Sihlwaldes an die Stadt Zürich übergaben, wurde der Buchenwald intensiv als Viehweide und für die Gewinnung von Bau-, Gewerbe- und Brennholz genutzt. Über Jahrhunderte war der Sihlwald der wichtigste Holzlieferant für die Stadt Zürich und wurde ungeregelt ausgebeutet, was anstelle des einst üppigen grünen Waldes eine monotone, karge Ebene entstehen liess. Ende des 15. Jahrhunderts wurde deshalb ein erstes Forstgesetz eingeführt, im 17. Jahrhundert schliesslich wurde der gesamte Sihlwald nach geregelten Forsttechniken bewirtschaftet. Ab 1601 wurden illegale Rodungen und Holzverkäufe erstmals mit Bussen geahndet. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann versucht, die Menge der Holzentnahme zu beschränken — dies war der zarte Beginn einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Doch eine vollständig nachhaltige Nutzung wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts erreicht, als etwa ab 1920 Steinkohle als Brennstoff in der Schweiz erschwinglich wurde und das Brennholz an Bedeutung verlor. Mit dem Start des Naturprojekts Sihlwald 1986 wurde schliesslich der Grundstein für die heutige Erholungszone gelegt; ab dem Jahr 2000 wurde die Waldpflege im gesamten Sihlwald-Perimeter eingestellt. Heute bestehen für das Gebiet eine kantonale Schutzverordnung und ein Waldreservatsvertrag. Seit Anfang 2010 trägt der Sihlwald das offizielle Label: „Naturerlebnispark — Park von nationaler Bedeutung“, welches am 1. Januar 2020 vom Bundesamt für Umwelt um weitere 10 Jahre verlängert wurde.


Mensch und Natur,…

Dank der Schutzmassnahmen im letzten Jahrhundert konnte sich das Leben im Sihlwald wieder erholen. Heute ist die Natur sich selbst überlassen. Nun kann hier wieder ein urwaldähnlicher Mischwald gedeihen, wie er einst den Grossteil Europas bedeckte: Mit jahrhundertealten Baumriesen, einem undurchdringlichen Dickicht aus Farnen und Sträuchern und abgestorbenen Hölzern, die unzähligen Kleinstlebewesen als Lebensraum dienen. Dank dem Schutz der natürlichen Prozesse verwildert der Sihlwald zum Naturwald und bietet zahlreichen Pflanzen und Tieren Lebensraum und Nahrung — und den Menschen ein einzigartiges Wildnis-Erlebnis. 72 km Wanderwege, 58 km Radwege und 54 km Reitwege warten darauf, entdeckt zu werden. An offiziellen Feuerstellen darf gegrillt und entlang vorgegebener Wege der Wald als Erlebnis- und Erholungsgebiet nach Herzenslust erkundet werden. Das Zentrum des Sihlwaldes wird jedoch als naturbelassene Zone geschützt: In der rund 4 Quadratmeter grossen Kernzone des Waldes dürfen Besucher die Wege nicht verlassen, kein Feuer machen oder Pflanzen und Pilze pflücken. So kann sich die Natur dort unberührt entfalten.


…ein aufgelöster Gegensatz

Lange Zeit versuchten sich Natur- und Landschaftsschutz vor allem daran, die geschützten Wildnisse vom Einfluss des Menschen abzugrenzen. Der kleine, schilfbestandene Teich im Gemeindewald fand sich von Verbotsschildern umlagert, schützenswerte Pflanzen vor der tastenden Neugier von Kindern und Spaziergängern mit Bann belegt. Das mag im ersten Aufblühen des Naturschutzgedankens durchaus sinnvoll, sogar notwendig gewesen sein, doch es stiess dann vielen engagierten Naturschützern auch zunehmend sauer auf. Nicht nur, dass es die Akzeptanz neuer Naturschutzflächen verringerte, es behinderte zudem das persönliche Erlebnis jener Natur, die dem Menschen wieder wertvoll gemacht werden sollte — ganz entgegen dem grundlegenden Wahlspruch „Man schützt nur, was man kennt“.

Trotzdem schien die Zusammenkunft von Naturschutz und menschlicher Zerstreuung noch lange als die Quadratur des Kreises — gelegentlich bis heute. Dass diese (bei nur geringen Abstrichen der Ansprüche) sehr wohl gelingen kann: Dafür ist der Sihlwald ein attraktives Beispiel. Er wandelte sich im Laufe der Zeit vom einstigen, übernutzten Waldgebiet zurück zu einem gesunden Ökosystem, das für Mensch, Tier und Pflanzen gleichermassen wertvoll ist. Der Naturerlebnispark zeigt nachahmenswert auf, wie durch konstruktive Schutzmassnahmen die Natur zurück zu ihrer ursprünglichen Schönheit finden kann, an der dann auch die Menschen ihre unmittelbare Freude haben dürfen.

 

Quellen und weitere Informationen:
Wildnispark Zürich Sihlwald: Geschichte

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