Durch die Industrialisierung vor über 100 Jahren nahm die Verschmutzung der Schweizer Gewässer deutlich zu. Die Siedlungs- und Industrieabwässer der aufblühenden Städte und Dörfer wurden ungereinigt in die Seen geleitet. So auch in den luzernischen Baldeggersee: Während dessen Phosphor-Konzentration vor 1885 noch unterhalb von 30 µg/l lag, stieg sie durch den wirtschaftlichen Aufschwung des naheliegenden Hochdorf deutlich an. Ab 1910, als die Konzentration auf 100 µg/l anstieg, galt der Baldeggersee als ein eutropher See. In den folgenden Jahrzehnten konnte im Tiefenwasser kaum mehr Sauerstoff nachgewiesen werden. Als 1960 die Intensivierung der Landwirtschaft einsetzte und der See zusätzlich mit Düngemitteln und Pestiziden belastet wurde, erreichte er bald schon einen Phosphorgehalt von 520 µg/l. Folge dieses polytrophen Zustands waren hohe Algendichten sowie das Aufkommen toxischer Blaualgen. Fischsterben, Wassertrübung, eine nahezu anaerobe Tiefenwasserzone und die Bildung von Fäulnisprodukten resultierten daraus.
Polytroph und eutroph
Das Trophiesystem ist ein Klassifizierungssystem, welches den Zustand von stehenden Gewässern bezüglich deren Nährstoffgehalt beschreibt. Als eutroph wird ein See bezeichnet, wenn er eine hohe Phosphor-Konzentration aufweist und grosse Mengen an Biomasse produziert. Das Tiefenwasser wird durch die schlechte Durchmischung meist sauerstoffarm, während das Oberflächenwasser durch eine hohe Photosynthese Aktivität mit Sauerstoff übersättigt ist.
Hypertroph oder polytroph nennt man Gewässer, bei denen der Nährstoffgehalt so hoch ist, dass der Sauerstoff in den bodennahen Schichten nahezu aufgebraucht ist. Nur im Oberflächenwasser treten noch tolerierbare Wachstumsbedingungen für wenige spezialisierte Organismen auf. Meist kommt es zu Fischsterben. Umgangssprachlich werden solche Gewässer als „umgekippt“ bezeichnet.
Durch den Ausbau der Abwassersanierung sowie dem Phosphatverbot in Waschmitteln nimmt die Phosphor-Konzentration seit 1974 stetig ab. Seit 1983 wird die natürliche Zirkulation des Baldeggersees ausserdem im Winter mit Druckluft und im Sommer durch feinblasige Sauerstoff-Eintragung unterstützt. Diese künstliche Luftzufuhr von etwa 4.5t/d ermöglicht, dass sich der See vollständig durchmischen kann und erhöht den Phosphor-Austrag aus dem Gewässer.
1990 nahm die Phosphat Konzentration des Baldeggersees auf rund 100 µg/l ab und heute ist der Zielwert von unter 30 µg/l erreicht. Die immer noch intensive Landwirtschaft im Einzugsgebiet des Baldeggersees wirkt der Belüftung jedoch entgegen. Um den Zielwert von 4mg/l Sauerstoff im Tiefenwasser zu erreichen, müsste der Phosphoreintrag aus dem Einzugsgebiet daher nochmals halbiert werden.
Der Baldeggersee ist nicht der einzige See in der Schweiz, der einer künstlichen Belüftung bedarf. Auch bei anderen Seen im dicht besiedelten und bewirtschafteten Mittelland kann nur dank dieser Massnahme einer zunehmenden Verschmutzung vorgebeugt werden. Nebst anhaltender hoher Phosphateinträge nimmt auch die Belastung mit schwer abbaubaren, synthetisch-organischen Spurenstoffen zu. Das hat Folgen nicht nur für das Ökosystem See und dessen Artenvielfalt, sondern auch für unsere Trinkwasserqualität. Rund 20% des Trinkwassers in der Schweiz kommen aus Seewasserwerken, die ihren Rohstoff bereits jetzt mehrstufig aufbereiten müssen.
Quellen und weitere Informationen:
Bafu: Wasserqualität der Seen
Umwelt und Energie Luzern: Baldeggersee
EAWAG: Zehn Jahre Seenbelüftung
Bild: Wikimedia
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