Zum heutigen «Tag der Naturreservate und Naturparks» richten wir den Blick auf den Zustand von Naturschutzgebieten in der Schweiz. Denn die Naturvielfalt in der Schweiz ist in einer Krise — das ist schon länger bekannt. Wichtige Lebensräume wie Moore, Flussauen, Trockenrasen und wilde Wälder sind heute nur noch ein Schatten dessen, was sie dereinst waren. Damit einhergehend stehen viele Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben, auch die Insektenpopulationen nehmen ab. Um diesem Trend entgegenzuwirken, braucht die Schweiz mehr Gebiete, in denen die Natur Vorrang hat.
Was sind Naturschutzgebiete?
Hierzulande gibt es staatliche, kantonale, kommunale und privat verwaltete Naturschutzgebiete. Unter Schutz gestellt werden Landschaften, die wichtige Lebensräume für Natur und Menschen darstellen und einen Beitrag zur Biodiversität leisten.
Je nach Zweck des Schutzgebietes sehen die Auflagen anders aus: So kann der Fokus auf dem Schutz von natürlichen Ökosystemen, aber auch auf vom Mensch geschaffenen Kulturlandschaften liegen. Während zum Beispiel beim Schweizer Nationalpark gar keine Eingriffe durch den Mensch erlaubt sind, gehört bei Regionalen Naturparks die nachhaltige Nutzung des Ökosystems – zum Beispiel in Form von naturnahem Tourismus – integrativ dazu.
Die wertvollsten Landschaften werden vom Bundesamt für Umwelt in Inventaren aufgeführt. In den Bundesinventaren befinden sich Moore (Hochmoore, Flachmoore), Feuchtgebiete, Gewässer oder Trockenwiesen. Auch ganze Biotope können geschützt werden.
Klein und fragmentiert
In der Schweiz sind die Naturschutzgebiete stark fragmentiert und unterliegen verschiedenen Schutzbestimmungen und Zuständigkeiten, sodass es keine zuverlässige Übersicht über alle Schutzgebiete gibt. Pro Natura schätzt jedoch, dass rund 6,5% der Schweizer Landesfläche unter Naturschutz stehen. Damit hinkt sie ihren Nachbarländern in relativen Massen nicht weit hinterher: Deutschland schützt mit über 2,6 Millionen Hektaren rund 6,3% seiner Landfläche, Italien mit 1,5 Millionen Hektar rund 5% seiner Gesamtfläche. Allein in Österreich stehen 16% unter Naturschutz.
Doch auch das wird dem Naturschutz nicht gerecht. Wissenschaftler weltweit schätzen, dass rund 30% der Erdfläche unter Schutz stehen müssten, um den Rückgang der Artenvielfalt aufzuhalten. Entscheidend ist dabei, das zusammenhängend grosse Flächen unter Naturschutz stehen, damit sich die Natur genügend entfalten kann! Dies ist in der Schweiz nicht der Fall. So bezeichnet Pro Natura die Schweizer Schutzgebiete als „kleinflächige Naturreste[, die] wie Rettungsinseln mitten im Meer einer immer intensiver genutzten und immer stärker überbauten Landschaft [stehen]“. In der jetzigen Form können sie den Rückgang der Artenvielfalt nicht aufhalten.
Schutzgebiete stossen auf Widerstand
Nebst der Fehlentwicklung der Kulturlandschaften setzt auch das Fehlen an Fachkräften und finanziellen Mitteln den Schweizer Naturschutzgebieten zu. Selbst für Biotope von nationaler Bedeutung können keine ausreichenden Mittel für die Betreuung und Weiterentwicklung sichergestellt werden, ganz zu schweigen von kantonalen Schutzgebieten. Es werden auch immer wieder «Ausnahmebestimmungen» zur wirtschaftlichen Nutzung von Naturschutzgebieten erlassen. So werden beispielsweise immer wieder der Bau von Stauseen, Kanalisierungen oder Umfahrungsstrassen durch Schutzgebiete genehmigt. Zudem stossen Pläne zur Aufwertung, Erweiterung oder Neugründung von Naturschutzgebieten fast ausnahmslos auf Widerstand. So hat die Schweiz seit mehr als hundert Jahren keinen zweiten Nationalpark gründen können.
Quellen und weitere Informationen:
Pro Natura: Dringender Nachholbedarf für die Schweiz
Pro Natura: Schutzgebiete in der Schweiz
Bundesamt für Naturschutz: Naturschutzgebiete in Deutschland
Dinerstein, E. et al. (2019): A Global Deal for Nature
Bafu: Karte der wertvollsten Naturschutzgebiete
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