Ratgeber: Mehr Raum der Artenvielfalt

Honigbienen sind tolle Tierchen. Doch sie sind nur eine von unzähligen schützenswerten Spezies Honigbienen sind tolle Tierchen. Doch sie sind nur eine von unzähligen schützenswerten Spezies

Heute, 3. März, ist UN World Wildlife Day; der internationale Tag der Artenvielfalt. Und da es um die auch in der Schweiz nicht zum Besten bestellt ist, tragen wir mal zusammen, was wir denn persönlich für sie tun können.

Letzte Woche wurde die aktualisierte Rote Liste der Schweiz veröffentlicht, und das Fazit daraus lässt sich rasch zusammenfassen: Es steht auch weiterhin nicht gut um die Artenvielfalt hierzulande. Dies zu ändern, wären speziell die Agrar- und Forstwirtschaft und die öffentliche Hand gefordert. Doch auch mittels persönlichem Engagement lässt sich da einiges bewirken. Das ist offensichtlich vielen ein Anliegen: So konnte beispielsweise die Aktion Mission B seit ihrem Start 2019 über 2 Millionen Quadratmeter Schweizer Fläche der Förderung der Biodiversität gutschreiben. Daneben feiern Insekten- und Bienenhotels weiterhin Konjunktur, und verschiedentlich werden die Gartenflächen naturnaher, die Balkone in den Städten bunter und belebter. Das ist super! Auch wenn da gerade etwas Wermut hineintropfte…

Diversifizierung des Biodiversitätsschutzes

Etwa gleichzeitig mit der Publikation der neuen Roten Listen veröffentlichte die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL eine Studie, die den Nachweis erbringt, dass es der Mühe auch zu viel sein kann: Zumal, wenn alle das Gleiche tun. Die Studie bringt zur Kenntnis, dass sich die Zahl der Bienenstöcke in den Schweizer Städten zwischen 2012 und 2018 nahezu verdreifacht hat. Zurückzuführen ist das auf den Trend zur Hobby-Imkerei, und es hat zur Folge, dass die verfügbaren Grünflächen mit der bestehenden Dichte an Honigbienen-Völkern nicht mithalten können. Oder anders ausgedrückt: Die Honigbiene konkurrenziert und verdrängt die diversen anderen Bestäuber, die auf dieselben Nahrungsquellen angewiesen sind. Während viele Hobby-Imkerinnen im ausdrücklichen Willen handeln, der natürlichen Biodiversität etwas Gutes zu tun, kehrt sich das jetzt potentiell ins Gegenteil. Das soll uns nun aber kein Anlass zu Zetermordio und/oder Entmutigung sein, sondern schlicht eine nützliche Lektion: Auch die Förderung der Biodiversität bedarf der Diversität.

Tatsächlich bieten sich ja mannigfache Möglichkeiten, im eigenen Alltag dem Erhalt und der Förderung der Artenvielfalt zuzuarbeiten. Privilegiert sind da all jene unter uns, die über einen eigenen Garten, Schrebergarten oder einen sonnigen Balkon verfügen. Sie sind indessen längst nicht die Einzigen, die sich darum verdient machen können.

Im Garten und auf dem Balkon

Vieles, was den eigenen Garten für die Vielfalt an Pflanzen, Insekten, Reptilien, Vögel, die Kleinsäuger und Fledermäuse attraktiv macht, dürfte der aufgeschlossenen Gärtnerin ja bereits bestens bekannt sein. „Naturnah“ heisst das Zauberwort. Es bedeutet, die verfügbare Fläche mit den interessierten Wildtieren und Pflanzen zu teilen. Das ist schon mittels einiger einfacher Mittel und Gestaltungselemente zu erreichen:

Vielseitige Bepflanzung. Ein simpler erster Schritt kann es hier sein, einfach mal eine Ecke des Gartens sich selbst zu überlassen und zu sehen, was passiert. Wer nicht möchte, dass da plötzlich eine Buche wurzelt, kann sie ja wieder entfernen. Wer noch etwas ausgeprägter mitgestalten möchte, besorgt sich Samenmischungen von Wildblumen, -gräsern und –kräutern, angepasst an den Standort.

Steinhaufen, Totholz und Trockenmauern bieten allerlei Kleintieren schützende Behausung; insbesondere auch den besonders gefährdeten Reptilien.

Dass Igel sich gern in Laubhaufen heimisch machen, ist ja breiter bekannt. Sie sind derweil nicht die einzigen. Auch andere Kleinsäuger und viele Insekten bewerben sich prompt um den Wohnraum. Herbstlaub kann andererseits auch gern einfach liegengelassen werden. Im Frühling ist es von selbst wieder weg: Es befruchtet jetzt als Humus die Biodiversität des Bodens.

Wertvolle Hecken anzulegen ist etwas aufwändiger. Auch sie können indessen einfach als Strauchgruppen und einheimische Wildstauden ihren Anfang nehmen. Diese bieten vielen Tieren Unterschlupf und Lebensraum.

Auch im Gemüsebeet und am Obstbaum müssen nicht zwingend dieselben Sorten gezogen werden, die schon im Supermarkt erhältlich sind. Es finden sich mannigfaltige alte Gemüse- und Obstsorten, die auch hier die Biodiversität fördern. Gründüngung und Mulch helfen ihr noch zusätzlich – und vom Kompost sind ja ebenfalls bereits allerlei Loblieder gesungen.

Katzensichere Vogelhäuschen und Fledermauskästen verlagern den Biodiversitätsschutz dann noch zusätzlich in den Luftraum. Soll das gelingen, lohnt es sich, im Netz nach genauen Bauanleitungen zu fahnden: Die Ansprüche der verschiedenen Vögel und Fledertiere unterscheiden sich teils beträchtlich. Betreffs der Fledermäuse empfiehlt es sich ausserdem, ihre Beutetiere gleich in die Nachbarschaft zu locken; beispielsweise über die Aussaat von nachtblühenden Pflanzen.

Ein Gartenteich lockt gleichfalls Insekten an, die Vögeln und Fledermäusen schmecken. Überhaupt gefällt er so allerlei Kreaturen, die Geschmack an Wasser finden – ob als Durstlöscher oder Lebensraum. Das Anlegen eines ökologisch wertvollen Gartenteichs kann dann aber wohl bereits nicht mehr zu den besonders einfachen Massnahmen gezählt werden.

Ebenfalls nicht in diese Kategorie möchten wir die Erstellung eines Wildbienen- oder Insektenhotels einreihen – wenn es denn sachgerecht gefertigt sein soll. Wer es einfach kaufen möchte, sollte sich bei der Wahl nicht vom Internet-Grossverteiler beraten lassen, sondern beispielsweise von Naturschutzorganisationen oder Entomologischen Gesellschaften. Und wer eines selbst anfertigen will, tut gut daran, sich in die Bedürfnisse und Nistgewohnheiten der angezielten Tierchen gründlich einzulesen. Dass dann zu Gunsten der Insekten, ihrer Prädatoren und Nahrungsquellen auf Pestizide verzichtet wird, dürfte sich von selbst verstehen.

Viele dieser Massnahmen lassen sich in kleinerem Umfang auch auf dem Balkon, verschiedentlich sogar auf der Fensterbank verwirklichen. Genau wie im Naturgarten bereichert auch dort das Prinzip des Zulassens das Naturerlebnis: Wächst im Topf plötzlich ein Pflänzchen, das man dort nicht gepflanzt hat, muss das nicht sofort weg. Die Chancen stehen gut, dass irgendein Geschöpf seine helle Freude daran hat. Vielleicht sogar man selbst.

In Küche und Stube

Wer mit dem ganzen Erde-, Samen- und Kompost-Zeug so gar nichts am Hut hat, kann sich dennoch für die Biodiversität stark machen. Unsere täglichen Gewohnheiten üben mehr oder weniger Druck auf die Biodiversität aus, je nachdem, wie wir ihnen nachgehen – und an so vielen Stellen, dass wir ihnen hier unmöglich allen den gebührenden Nachdruck verschaffen können. Doch ein paar Grundsätze und das ein oder andere Detail seien angemerkt. Wer dem dann noch etwas besonders wichtiges anzufügen findet, schreibt das doch gern einfach unten in die Kommentare!

Weniger Konsum ist ganz grundsätzlich eine gute Idee. Man muss sich da nicht gleich in seinen Hobbies und bereichernden Interessen schmerzhaft beschneiden: Es wimmelt in unseren Wohnräumen (und Kleiderschränken) von Kinkerlitzchen, die einmal für zwei Sekunden attraktiv erschienen. Da hilft es, sich schon beim Kauf zu fragen, wofür man das Produkt denn wirklich benötigen werde – und die zwei Sekunden einfach mal verstreichen zu lassen. Auch müssen nicht von allen Büro- oder Haushaltsprodukten Zehnjahres-Vorräte angelegt werden... Die begrenzten Ressourcen unseres Planeten sollen nicht nur uns, sondern auch allen anderen Lebewesen zu Gute kommen.

Bezüglich der Ernährung lohnt es sich besonders, sich ein oder zwei Gedanken mehr zu machen. Bio, regional und saisonal sind da die Grundsätze, denen wir alle schon mehrfach begegnet sind. Jetzt gilt es nur noch, sie umzusetzen. Und ja, auch weniger Fleisch und Tierprodukte zu verzehren hilft ungemein. Unsere Nutztiere und der Mensch selbst stellen zusammen 96% der irdischen Säugetiere. Wie viel Raum da noch für all die vielen anderen Spezies von Wildtieren bleibt, ist schnell ausgerechnet.

Verschwendung vermeiden. Das ist gewiss unter dem Stichwort des Food Waste den meisten absolut klar, doch das ist nicht der einzige Zusammenhang, in dem es sich umsetzen lässt. Kleider können geflickt und Haushaltsgeräte repariert werden. Reinigungsmittel, Shampoos oder Kosmetika nützen nicht mehr, je mehr man davon verwendet. Und Wasser und Energie sind wertvoll; egal, wie wenig sie kosten. Da mag nicht in jedem Fall der Bezug zur Biodiversität unmittelbar einleuchten, doch in jedem Fall gilt: Auf je grösserem Fuss wir leben, desto weniger Raum bleibt all den anderen Füssen.

Wer es indessen etwas greifbarer mag: Die Katze darf nachmittags raus. Am Morgen fallen ihr besonders viele ungeschützte Vögel und Reptilien zum Opfer, und nachts streift sie gleich doppelt so weit. Regelmässig mit ihr zu spielen hilft, ihren Jagdtrieb zu mindern.
Es ist immer eine gute Idee, Hunde im Wald unter Aufsicht und gegebenenfalls an der Leine zu halten – ganz bestimmt aber im Frühjahr und frühen Sommer, zur sogenannten Brut- und Setzzeit, in der die nächste Generation unserer verwundbaren Wildtiere heranwächst.
Auch wir selbst sollten auf Spaziergängen Rücksicht nehmen und uns nicht wie die Axt im Wald verhalten – im buchstäblichen wie im metaphorischen Sinn. Auf den Wegen zu bleiben und die Stille zu geniessen schützt nicht nur die Pflanzen, sondern ebenso die Wildtiere. Energie ist die ultimative Währung in der wilden Natur. Wer sie auf beständiger Flucht vor den Menschen verbraucht, hat schlechtere Überlebenschancen.

 

Quellen und weitere Informationen:
World Wildlife Day
bafu: Rote Listen. Barometer der Artenvielfalt
WSL: Zu viel Imkerei in Schweizer Städten
Mission B

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