Die Schweiz und ihre Biodiversität Empfehlung

Auch die biologische Vielfalt in alpinen Lebensräumen nimmt ab Auch die biologische Vielfalt in alpinen Lebensräumen nimmt ab

Die Biodiversität ist ein kostbares Gut, das es zu schützen gilt. Bis anhin hat die Schweiz im Vergleich mit Resteuropa eine wenig vorbildliche Rolle gespielt: Nur gerade knapp 11 Prozent der einheimischen Landfläche ist Teil eines Schutzgebietes. Nun gibt es einen Vorstoss aus der Politik.

Mit der Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens gemeint. Die Vielfalt der Lebensräume, der Arten, der Gene sowie ihrer Wechselwirkungen. Eine reiche biologische Vielfalt ist nicht nur schön anzusehen, sondern bildet mit ihren Ressourcen und ökologischen Leistungen auch die Grundlage für eine solide Klimaregulierung, fruchtbare Böden, die Reinigung von Luft und Wasser und ganz allgemein unserer Ernährung.

Globaler Rückgang der Biodiversität

Die Eingriffe des Menschen in die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse sind weitreichend. Praktisch alle Ökosysteme werden umgestaltet, Gewässer werden umgeleitet, Berge abgetragen. Mittlerweile übersteigt das Gewicht der vom Menschen produzierten Objekte wie Strassen, Gebäude und Plastik das der globalen Biomasse. 96 Prozent der gesamten Säugetierbiomasse besteht ausserdem aus Nutztieren. In den letzten 50 Jahren haben die Populationen von Fischen, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Säugetieren um durchschnittlich 60 Prozent abgenommen. Das World Economic Forum stuft auch die auf der Landdegradierung basierenden Risiken für die globale Wirtschaft als sehr hoch ein.  

Der Rückgang der Biodiversität und der Klimawandel sind eng miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig: Werden die Ressourcen nicht nachhaltig genutzt, wirkt sich dies nachteilig auf den Klimawandel aus; gleichzeitig verursacht der Klimawandel derart rasche Temperaturverschiebungen, dass sich viele Arten nicht rechtzeitig anzupassen vermögen und im schlimmsten Fall aussterben.

Der Zustand der Lebensräume und Arten

Alpine Lebensräume sind vor allem von Störungen wie dem Ausbau der Wasserkraft, Nährstoffeinträgen aus der Luft und touristischen Aktivitäten betroffen, während Moore ebenfalls Nährstoffeinträgen ausgesetzt sind und Entwässerungsanlagen vielerorts noch immer den Wasserhaushalt beeinträchtigen. Insbesondere die Schweizer Gewässer sind stark betroffen. Das Wasser wird intensiv genutzt, verbaut und enthält zum Teil hohe Nährstoffkonzentrationen, die aus der Landwirtschaft abfliessen. Zudem wird die Gewässerqualität ob der niedrigen Artenvielfalt in einem von drei Fällen als mangelhaft beurteilt. Am Besten geht es wohl noch dem einheimischen Wald, der über einen Grossteil seiner Fläche ein relativ naturnahes Ökosystem konservieren konnte.

Insgesamt ist der Zustand der Lebensraumtypen der Schweiz prekär. Von den 167 untersuchten Lebensräumen gelten über die Hälfte als gefährdet oder potenziell gefährdet. Es erstaunt deshalb nicht, dass die vielen Arten, die auf ökologisch wertvolle Lebensräume angewiesen sind, ebenfalls Mühe bekunden. Die Roten Listen der gefährdeten Arten zeigen, dass von den 10'844 untersuchten Spezies 35 Prozent bereits ausgestorben sind oder als gefährdet gelten, während weitere 12 Prozent potenziell gefährdet sind. Dies bedeutet nichts anderes, als dass fast die Hälfte aller einheimischen, bewerteten Arten zumindest bedroht ist. Die Roten Listen der Schweiz gehören damit zu den längsten aller Industrienationen. Insgesamt ist die Biodiversität in der Schweiz also in einem schlechten Zustand und die fundamentalen Ökosystemleistungen können kaum noch geleistet werden. Dies hat vor allem mit der Übernutzung und der daraus folgenden Abnahme der Fläche, Qualität und Vernetzung ökologisch wertvoller Lebensräume zu tun. Dabei wäre gerade die Vernetzung wertvoller Lebensräume ein ungemein wichtiger Faktor, den es zu fördern gilt, will man die Biodiversität stabilisieren oder erhöhen.

Zu wenige und zu wenig schnelle Verbesserungen

In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde in der Schweiz bereits mit vielen Massnahmen in den Lebensraumschutz, die Artenförderung und die nachhaltige Landnutzung investiert. So konnten sich etwa die Bestände von Kiebitz, Flussseeschwalbe und Steinkauz erholen und die Gefährdung von Libellen und Amphibien sich leicht abschwächen. Zusätzlich wurden dank dem im Jahre 2011 revidierten Gewässerschutzgesetz zwischen 2011 und 2019 über 156 Kilometer Fliessgewässer renaturiert. Im letzten Jahr hat der Bundesrat ein Massnahmenpaket für eine nachhaltigere Landwirtschaft geschnürt und will ausserdem die Förderung der Natur in den Siedlungen anpeilen. Besonders im Siedlungsraum gibt es nämlich grosse Verbesserungsmöglichkeiten. Böden werden versiegelt, Pflanzenschutzmittel gespritzt und die oft monotone Gestaltung von Gärten und Parks verhindert die Ausbreitung und die Entfaltung der Natur.

All diese Beschlüsse und Massnahmen haben zweifellos dazu beigetragen, dass der Zustand der Biodiversität in unserem Land nicht noch prekärer ist. Wissenschaftliche Analysen deuten darauf hin, dass Biodiversitätsverluste dadurch tatsächlich begrenzt werden konnten.

Allen Bemühungen zum Trotz gelang es allerdings nicht, den von der Biodiversitätskonvention CBD vorgegebenen Zielwert von 17 Prozent geschützter Biodiversitätsflächen bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Experten geben an, dass zusätzlich rund ein Drittel der Schweizer Gesamtfläche prioritär für die Biodiversität eingesetzt werden müsste, um die Stabilität der Ökosysteme und auch unserer Wirtschaft aufrecht erhalten zu können. Die ausgewählten Flächen könnten mithilfe innovativer Lösungen auch multifunktional genutzt werden; sie müssten also beispielsweise nicht vollständig aus dem landwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess entfallen.

Die Schweiz hinkt im europäischen Vergleich hinterher

Vor 31 Jahren beschloss die EU die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, mit der ein Netzwerk von Naturschutzgebieten mit der Bezeichnung «Natura 2000» aufgebaut werden sollte. Während die EU-Länder im Durchschnitt 26.4 Prozent ihrer Landesfläche für die Sicherung der Biodiversität investieren, sind es in der Schweiz nur gerade 10.8 Prozent. Das internationale Ziel von 30 Prozent Naturschutzgebieten und anderen Flächen mit wirksamen Massnahmen zur Erhaltung der Biodiversität bis 2030 könnten die EU-Länder also erreichen, die Schweiz allerdings ist noch sehr weit von diesem Ziel entfernt. Verglichen mit Resteuropa liegt sie gar auf dem letzten Platz.

Politische Entwicklungen in Sicht

Nun soll politisch etwas Schwung in Sache kommen: Der Bundesrat hat dem Parlament einen Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative vorgelegt, welcher durch Nationalrat, Kantone, Städte und Gemeinden unterstützt wird. Die zuständige Kommission empfiehlt dem Ständerat allerdings, nicht auf den Gegenvorschlag einzugehen. Grosse und kleine Naturschutzorganisationen, darunter BirdLife, Pro Natura und WWF, haben sich daraufhin für einen Appell zusammengetan, um den Ständerat dazu zu bringen, auf den Gegenvorschlag einzugehen. Kann das Parlament keinen Kompromiss schliessen, wird es 2024 zu einer eidgenössischen Volksabstimmung kommen.

Generell wird es nötig sein, einen umfassenden Ansatz zum Schutz der Biodiversität zu wählen, der alle Bereiche der Gesellschaft mit einbezieht, unter anderem betreffend der nachhaltigen Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Die Förderung der biologischen Vielfalt trägt massgeblich zum Klimaschutz bei und bildet ausserdem die Basis für die Lebensmittelproduktion, den Gewässer- und Katastrophenschutz und unsere Gesundheit.

Quellen und weitere Informationen:
BAFU: Biodiversität in der Schweiz 

 

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