Die Kulturgeschichte der Strasse ist kein grosses und geschlossenes Kapitel der Geschichtswissenschaft, aber es liegt auf der Hand, dass Feldwege und Strassen zu den einflussreichsten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit gehören. Vor ihrer Errichtung und Nutzung haben vor allem Seewege und Flüsse den Schiffen und Booten als Transportflächen gedient. Für die alten Ägypter war der Nil die wichtigste Lebensader; ähnlich hat auch das Mittelmeer als natürlicher Träger des Schiffsverkehrs früher Hochkulturen gedient. Mit der Erfindung und Verbreitung des Rads und darauf aufbauender Transportgeräte sind sodann Strassen und Wege entstanden, die die menschliche Mobilität nochmals drastisch erhöht und neue Handels- und Reisedestinationen fernab von Gewässern erschlossen haben.
Der Blick zurück zeigt, was auch die Erfahrung in der Gegenwart vor Augen führt: Wir leben in einer vernetzten und interdependenten Welt, in der Strassen- und Schienenverbindungen kaum mehr wegzudenken sind. Dennoch ist das Tempo der Verkehrsentwicklung historisch beispiellos und deshalb auch akut beunruhigend. Verkehrswege wurden und werden kontinuierlich ausgebaut, und trotzdem stehen täglich Millionen von Menschen im Stau. Je mehr Verkehrswege entstehen, desto grösser wird das Verkehrsvolumen. Das Resultat ist eine Lärm- und Luftschadstoffproblematik sowie eine Umweltbelastung, die zwar wohl bekannt ist, jedoch nicht zur Entschärfung der Situation geführt hat.
Ein anderer, oft weniger beachteter Negativeffekt der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur ist die Zertrennung von Lebensräumen. Rund 71‘000 km Strassen führen durch die Schweiz und reihen unsere Ökosysteme in zahlreiche Teile auf. Insbesondere die grösseren Verkehrsachsen bilden für zahlreiche Wild- und Weichtiere ebenso wie für Amphibien und andere Arten teilweise kaum zu überwindende Hürden oder werden zur tödlichen Falle. Dies ist nicht nur für die betreffenden Tiere folgenschwer, sondern auch für die Verkehrsteilnehmer kostspielig und zuweilen gefährlich, wie insbesondere Unfälle mit Wildtieren immer wieder zeigen. Die Fragmentierung der Lebensräume ist ein nicht zu unterschätzendes Umweltproblem, das es durch entsprechende Massnahmen zu entschärfen gilt.
Die baulichen Lösungen zur Wiedervernetzung der durch Verkehrslinien zertrennten Lebensräume heissen Wildtierpassagen, Querungshilfen oder Grün- bzw. Ökobrücken. In der Schweiz gibt es 38 bestehende wildtierspezifische Bauwerke für grössere Wildsäuger. Sieben weitere sind geplant oder bereits im Bau. Dazu kommt eine unbestimmte Anzahl kleinerer Lösungen. Das Bewusstsein, dass Tiere ebenso wie wir Menschen ihre Verkehrswege benötigen und sich diese oft mit den unseren kreuzen, ist also grundsätzlich vorhanden. In Zukunft gilt es im Gesamtprogramm einer an Nachhaltigkeit orientierten Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, nicht zuletzt auch den Wildtierpassagen und Querungshilfen für Kleintiere verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken.
(Foto: David Robinson)
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