Unser Leben ist auf Sand gebaut - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die heutige gebaute Umwelt würde ohne Sand in dieser Form nicht existieren. Aus dem Gemisch aus Zement und Sand wird Beton hergestellt. Dabei wird für ein mittelgrosses Haus 200 Tonnen Sand verarbeitet (Glasfenster nicht eingerechnet). Pro Kilometer Autobahn sind es sogar 30’000 Tonnen Sand. Auch in unscheinbaren Alltagsgegenständen wie Zahnpasta und Arzneimittel ist Quarzsand enthalten.
Doch die offenliegenden und einfach zugänglichen Vorkommen dieses siliziumreichen Quarzsands sind schon lange erschöpft. Bauunternehmen weichen auf den Sandabbau in Flussbetten, Kiesgruben und immer mehr auf den Abbau am Meeresboden aus. Genau das ist aber das Problem. Laut dem britischen Geologen und Sand-Experten Michael Welland hat sich ein regelrechter Krieg um Sand entwickelt. Denn was für Touristen als unerschöpflich erscheint, ist in Tat und Wahrheit ein knappes Gut geworden. Laut Wellands Schätzungen werden derzeit zwei Tonnen Beton pro Erdbewohner und Jahr produziert. Das entspreche 10 bis 15 Milliarden Tonnen Sand, die pro Jahr aus der Natur entnommen werden.
Sandabbau - ein Problem?
Ganz grundsätzlich ist Sand erodiertes Gestein. Der meiste Sand stammt aus den Alpenregionen. Grosse Steine brechen durch Verwitterung von den Felsen ab, werden in Bächen und Flüssen verkleinert und schliesslich als Sand ins Meer gespült. Um auf diese Weise ein einzelnes Sandkorn entstehen zu lassen, werden 1000 Jahre benötigt. In den Industrieländern erreicht viel Sand das Meer jedoch gar nicht: Durch den stetig wachsenden Energieverbrauch werden vermehrt Staudämme gebaut, welche die Reise des Sandes hemmen. Unter den Staudämmen wird fleissig der übrige Sand abgebaut. Dabei werden Ökosysteme geschädigt, die auch mit einer intensiven Aufforstung nicht regenerieren können.
Der Abbau von Sand in Flussbetten wird auch in der Schweiz betrieben. 90 Prozent unseres Sandbedarfs können wir mit eigenen Reserven decken. Glücklicherweise setzen Behörden, Umweltverbände und Bevölkerung dem Sandabbau in der Schweiz klare Grenzen.
Nicht so in anderen Ländern: In Marokko beispielsweise baut die Mafia illegal 45 Prozent der Sandstrände ab. Paradoxerweise werden vielerorts Betonbauten wie Hotels für Touristen gebaut. Diese wollen aber in ihren Ferien den weiten unberührten Sandstrand geniessen. In Indonesien wird Sand vom Meeresboden abgepumpt. Was als gute Alternative betrachtet wird, birgt jedoch viele Probleme: Korallenriffe werden zerstört, Sandige Verstecke vernichtet und die im Sand lebenden Organismen durch das Ansaugen des Sands getötet. Grössere Fische finden dadurch keine Nahrung und verschwinden aus den betroffenen Gebieten. Im Fall Indonesien lebt 92 Prozent der Bevölkerung vom Fischfang. Doch damit nicht genug: Am Meeresboden entstehen durch den Abbau riesige Löcher, die vom Küstensand nachgefüllt werden. Das Land versinkt langsam im Meer, was zu kleiner werdenden Strände, ausbleibenden Touristen und Massenevakuierungen führt. Wissenschaftler vermuten, dass der Meeresspiegel deswegen in den nächsten Jahren um bis zu 1,5 Meter steigt. Eine Million Menschen leben heute aber unter der Ein-Meter-Marke. 25 indonesische Inseln sind schon ganz im Meer verschwunden.
Traurige Ironie
In Singapur und Dubai herrschte vor der Weltwirtschaftskrise eine regelrechte Bauwut. Riesige Projekte wie „The World“ oder „The Palm“ in Dubai kosteten Unmengen an Sand - alles Importgut. Doch weshalb nehmen die Wüstenstaaten nicht den naheliegenden Wüstensand? Der Sand der Vereinigten Emirate und auch der Sand der Sahara sind zu feinkörnig. Wind wirbelt ihn konstant auf, wodurch dieser zu klein und rund wird. Der Sand greift nicht ineinander und wird dadurch unbrauchbar in Verbindung mit Zement. Dubai musste für seine Jahrhundertprojekte daher Sand aus Australien importieren.
Die heutigen Strände, wie sie in Indonesien oder Florida vorkommen, werden bis 2100 verschwunden sein, wenn der Abbau von Sand nicht geregelt wird.
Bild links: Flugsand, Quelle: Sand-abc
Bild rechts: Quarzsand, Quelle: Wikipedia
Weitere Informationen:
«Sie haben den Strand einfach aufgeladen und mitgenommen» (SRF)
Knapp, knapper – Sand (Tages Anzeiger)
Der Kampf um den Sand (ardmediathek.de)
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