Bewässern im alten Stil

Die abgebildete Heido-Suone verläuft durch das Nanztal und bewässert u.a. die Heida-Rebberge. Die abgebildete Heido-Suone verläuft durch das Nanztal und bewässert u.a. die Heida-Rebberge.

Suonen sind jahrhundertealte Bewässerungskanäle im Wallis. Vom Hauptgewässer weggeführt, versorgen sie ganze Landstriche mit Wasser und traversieren kilometerweise an den Berghängen. Ein Blick auf ein Relikt einer früheren Zeit und die Frage nach dessen Zeitmässigkeit.

Durch die geografische Lage des Wallis herrscht im inneralpinen Trockental ein besonders niederschlagsarmes Mikroklima vor. Dies führt dazu, dass für die landwirtschaftliche Nutzung zu wenig Wasser zur Verfügung steht. So wurde seit Jahrhunderten künstlich bewässert – und zwar mittels Suonen (frz. bisse).

Funktion und Nutzung

Suonen sind Kanäle, welche vom Hauptfliessgewässer teilweise direkt aus dem Gletschervorfeld abgeleitet werden. Sie werden den Talflanken entlang mit minimalem Gefälle oft über weite Strecken geführt. Damit können die darunterliegenden Felder mit dem nötigen Wasser versorgt werden. Dazu wird der Wasserlauf blockiert und zum Überschwemmen gebracht, oder die Seitenwand der Suone wird gelöst. So können Weideland und Wiesen durch ein fein verzweigtes System von Gräben bewässert werden. Nebst dieser offensichtlichen Funktion erfüllt die Suone aber noch weitere Zwecke: Das Wasser, welches in den Suonen mitgeführt wird, ist ausserdem versetzt mit Mineralstoffen der sogenannten Gletschermilch. Diese Mineralstoffe wirken als natürliches Düngemittel und versorgen die Böden und Pflanzen mit wertvollen Nährstoffen. Durch das entweichende Wasser im Kanal werden die umstehenden Bäume mit Wasser versorgt. Sie bilden ein ausgeprägtes Wurzelwerk, stabilisieren so die steilen Hanglagen und schützen vor Erosion. In diesen passiv bewässerten Gebieten wurde überdies eine verminderte Waldbrandgefahr festgestellt. Tiere profitieren ebenfalls von den Suonen als Wasser- und, durch das angrenzend wachsende Gras und Blumen, als Futterquelle.

Geschichte

Der Ursprung der Suonen ist unklar. Sind sie von den Römern, oder etwa den Sarazenen oder gar von der ursprünglichen Walliser Bevölkerung selbst erfunden worden? Auch genaue Jahreszahlen sind schwer zu nennen. Quellen aus dem 12. Jahrhundert belegen bereits eine deutlich frühere Suonenpraxis. Untersuchungen an Bodenproben, die Wässerwiesenablagerungen (Schluff aus dem transportierten Gletscherwasser) über Holzkohlehorizonten von Brandrodungen zeigen, belegen beispielsweise auf der Simplon-Südseite erste Bewässerungsaktivitäten schon vor über 5000 Jahren.

Bauweise

Grundsätzlich werden die Kanäle mit möglichst geringem Gefälle angelegt, um deren Erosion vorzubeugen. Da Wasser im Kanal durchs Erdreich entrinnen kann, werden die Suonen an gefährdeten Stellen oft mit Holz oder Steinplatten ausgelegt. Nicht selten wurden die Kanäle auch in Stein oder Fels geschlagen, um beispielsweise Wegstücke zu überbrücken, oder die Suonen wurden in aufgehängten Känneln weitergeleitet.

Nach der Schneeschmelze werden die Suonen einmal jährlich gereinigt und das anfallende Material talseitig aufgeschichtet. So entstand mit den Jahren ein natürlicher Wall, der meist als Weg benutzt werden kann. Dieser dient einerseits zur Kontrolle der Suonen und ist vielfach heute auch als reizvoller Wanderweg begehbar. Um die aufwändige Reinigungsarbeit zu minimieren, wurden die Suonen zeitweise in geschlossene Leitungen umgewandelt. Dies führte jedoch dazu, dass die Fauna und Flora entlang der Suonen verkümmerte. Heute tendiert man wieder zur Offenlegung der Wasserkanäle. Für die die Reinigung und Instandhaltung der Suonen sind alle Nutzer mitverantwortlich. Die Reinigung wird gemeinschaftlich organisiert.

Heutige Verbreitung

Suonen sind nicht nur im Wallis bekannt. Nebst einigen weiteren Gegenden in Europa (Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich) finden sich auch ähnliche hangtraversierende Bewässerungskanäle in Nordafrika (Marokko) oder Asien (bspw. Indien, Nepal, Oman).

Im Wallis wird heute die traditionelle Art der Bewässerung teilweise ersetzt durch Beregnungsanlagen. Diese reduzieren den Arbeitsaufwand für die Bewässerung und sind unabhängiger und flexibler nutzbar als das Wasser der Suonen, welche gemeinschaftlich genutzt werden. Sie verteilen das Wasser regelmässiger und homogenisieren somit den Bewuchs. Allerdings ist eine künstliche Düngung nötig, um die Nährstoffe zuzuführen, welche bis anhin in der Gletschermilch vorhanden waren. Beim Einsatz der Beregnungsanlagen wird jedoch das Leitungssystem nicht weiter gepflegt, was negative Auswirkungen auf den Hochwasserschutz hat. So geht ein Teil des kulturellen Erbes einer jahrhundertalten Bewässerungstechnik verloren.

Jedoch gibt es vor allem seitens der Tourismusbranche Bestrebungen, die Suonen zu erhalten. An den Suonen entlang schlängeln sich kilometerlange, wunderbare Wanderwege. Die Wasserkanäle des Wallis gehören bereits zum Patrimonium Alpinum, dem Kultur- und Naturerbe der Alpen, die Aufnahme in das Weltkulturerbe von UNESCO ist in Diskussion.

Die Problematik hierbei ist die Balance zwischen der effektiven Nutzung als Bewässerungssystem und den Interessen der Tourismusbranche. Der Erhalt der Suonen sollte nicht lediglich auf den touristischen Bedürfnissen basieren, sondern auch durch die lokale Landwirtschaft getragen werden, damit die Suonen nicht zu einem “Ausstellungsstück“ degradiert werden. Denn nebst ihrem traditionellen Wert haben sie auch wesentliche ökologische Auswirkungen und sind relevant für den Erhalt der Landschaftsqualität im Wallis.

Weiterführende Informationen/Quellen:
Die Suonen und Bissen des Wallis, inkl. Wandervorschlägen
Le Musée des Bisses

 

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