Das Recht auf Reparatur Empfehlung

Die schönsten Werkzeuge nützen nichts, wenn das beschädigte Gerät nicht reparierbar ist Die schönsten Werkzeuge nützen nichts, wenn das beschädigte Gerät nicht reparierbar ist

In Zeiten des hohen Konsums wird nicht nur viel eingekauft, sondern auch viel weggeworfen. Elektroschrott ist ein riesiges Problem. Es werden daher weltweit Stimmen laut, die das „Recht auf Reparatur“ einfordern.

Laut dem Global E-waste Monitor 2020 der Vereinten Nationen wurde 2019 weltweit eine Rekordmenge von 53.6 Millionen Tonnen (oder umgerechnet 7.3kg pro Kopf) Elektroschrott erzeugt. Angetrieben wird diese Entwicklung durch den immer höher werdenden Verbrauch elektrischer und elektronischer Geräte und deren kurzen Lebenszyklus.

Reparaturen sind zu teuer

Besonders elektronische Produkte tragen einen prall gefüllten ökologischen Rucksack mit sich. Für ihre Herstellung müssen grosse Energiemengen aufgewendet werden; ausserdem bestehen sie aus wertvollen Rohstoffen. Beim Recycling kann oft nur ein kleiner Teil der Materialien zurückgewonnen werden. Damit die Lebensdauer solcher Geräte bedeutend verlängert werden kann, sollten sie nach Möglichkeit also repariert werden.
Doch viele Geräte lassen sich nicht oder nur mit sehr viel Aufwand reparieren. Bringt man sein beschädigtes Gerät für eine Reparatur in den Ursprungsladen zurück, bekommt man oft zu hören, dass sich eine Reparatur schlichtweg nicht lohnt. Und ehe man sich’s versieht, hat man ein nigelnagelneues Gerät im Schrank.
Die meisten der elektrischen und elektronischen Produkte werden in Massenproduktion in Niedriglohnländern hergestellt. Drucker sind ein Paradebeispiel dafür: Sie werden bewusst billig verkauft; den eigentlichen Gewinn machen die Hersteller mit den Tinten- oder Tonerkartuschen. Sie zu reparieren erfordert viel Zeit und Sachwissen für die Problemdiagnose und anschliessend das Know-how qualifizierter Fachleute. Bei zudem tiefen Verkaufspreisen wie bei Druckern lohnt sich eine Reparatur deshalb kaum jemals.

Profit hat oberste Priorität

Doch nicht nur der hohe Preis für Reparaturen ist ein Problem. Je moderner die Konstruktion von Geräten, desto schwieriger ist es normalerweise, sie zu reparieren. Dies ist meist gewollt und gehört zum Geschäftsmodell. Bei der Herstellung von Geräten werden so etwa Schrauben verwendet, auf die keine handelsüblichen Schraubenzieher passen. Für die Zerlegung eines iPhone 12 beispielsweise sind vier verschiedene Arten von Schraubenziehern nötig. Obwohl es rechtswidrig ist, Garantien von der Reparaturleistung abhängig zu machen, überkleben Unternehmen zudem strategisch Abdeckungen, die zur Reparatur geöffnet werden müssen, mit der Warnung, dass bei ihrer Entfernung die Garantie entfällt. Mobiltelefone und Computer bestehen heute aus vielen zusammengeklebten Komponenten. Bei einer Funktionsstörung können einzelne Elemente deshalb nur selten separat ausgewechselt werden. Akkus von Mobiltelefonen konnte man vor 10 Jahren noch über eine Klappe auf der Rückseite entfernen und auswechseln. Heute sind sie oft eingeklebt oder nur schwer erreichbar. Die Hersteller wollen keine Reparatur, sondern ein neues Gerät verkaufen.
Manche Hersteller bieten zwar Ersatzteile an, setzen die Preise aber bewusst so hoch an, dass eine Reparatur schlicht nicht wirtschaftlich ist. Zusätzlich stehen offizielle Reparaturanleitungen von Produkten kaum je zur Verfügung, sodass der Gang zum Hersteller oft die einzige Lösung bleibt – und man sich schliesslich meist eben doch für ein neues Produkt entscheidet.

Das Recht zu reparieren

Immer häufiger werden Stimmen laut, die das «Recht auf Reparatur» einfordern. Die Unternehmen sollen gezwungen werden, Geräte reparierbar zu machen. Dass dies durchaus möglich ist, zeigt beispielsweise das Technologieunternehmen Microsoft, das kürzlich seine Surface-Tablets so fabriziert hat, damit sie einfacher zu reparieren sind. Unter anderem soll auch der Zugriff auf Handbücher, Schaltpläne und Softwareentwicklungen ermöglicht werden. Werkzeuge und Teile zur Wartung von Geräten sollen ebenfalls zur Verfügung stehen.

In Frankreich müssen die Hersteller bereits seit einigen Jahren angeben, wie reparierbar ihre Produkte sind, sodass die Konsumenten bereits beim Kauf ihre Entscheidung danach richten können. Die Kriterien der Reparierbarkeit sind beispielsweise, wie einfach ein Produkt auseinandergenommen werden kann, wie einfach die Neumontage ist oder wie gut verfügbar Ersatzteile und technische Dokumentationen sind. Je höher die Zahl auf einer Skala bis 10, desto reparabler das Smartphone, der Fernseher oder die Waschmaschine. Es ist anzunehmen, dass dieser Konkurrenzkampf Unternehmen dazu motivieren wird, nachhaltigere und robustere Produkte zu produzieren. Man hofft hier also auf einen gewissen Schneeballeffekt.

Reparatur ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta zu legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist.

- Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal

Die EU zieht mit

Angesichts eines der Ziele des europäischen Grünen Deals, die Verringerung des Abfallaufkommens anzugehen, hat auch die Europäische Kommission vor kurzem einen Vorschlag zur Reparatur von Waren angenommen. Mit diesem soll es für Verbraucher einfacher und kostengünstiger werden, Konsumgüter zu reparieren. Unternehmen müssten den Verbrauchern das Recht einräumen, Geräte und Maschinen zu reparieren oder reparieren zu lassen – entweder durch den originalen Hersteller oder einen Dritten. Hersteller wären ebenfalls dazu verpflichtet, Reparaturleistungen fünf bis zehn Jahre nach Kaufdatum anzubieten; nach Ablauf der Garantie allerdings auf Kosten der Verbraucher. Mittels einer Matchmaking-Reparaturplattform soll die Kontaktaufnahme zu regionalen Reparaturbetrieben und Verkäufern ermöglicht werden. Ähnlich dem französischen Vorbild soll ausserdem ein europäischer Qualitätsstandard entwickelt werden, der den Konsumenten die Kaufentscheidung anhand der Reparierbarkeit eines Produktes erleichtert. Schliesslich müssten auch Informationen offengelegt werden, wie Produkte fachgerecht zu reparieren sind. Dadurch würde das Monopol von Herstellern als alleinige Reparateure aufgehoben. Dies hätte wiederum den Nebeneffekt, dass kleinere Reparaturfirmen die Preise der Reparaturen deutlich senken könnten.

Der Kommissionsvorschlag muss nun noch vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen werden. In den USA wurden mittlerweile in mehr als 30 Bundesstaaten Gesetzesentwürfe für das sogenannte «Recht auf Reparatur» eingeführt. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Forderungen.
 
Zusammengefasst soll mit dem „Recht auf Reparatur“ also mehr Transparenz erreicht werden. Die unnötigen Hindernisse, die die lebensverlängernden Massnahmen von Produkten verhindern, sollen aus dem Weg geräumt werden. Der rechtliche Rahmen dafür ist noch nicht grossflächig vorhanden, könnte aber bald Tatsache werden. Werden globale Fortschritte in der Reparierbarkeit von Geräten gemacht, kann dies im besten Fall Millionen Tonnen Elektroschrott einsparen.

 

Quellen und weitere Informationen:
Europäische Kommission: Recht auf Reparatur
Why France’s new ‘repairability index’ is a big deal
Recht auf Reparatur Schweiz

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