Tierversuche in der EU verboten?

12 Mär 2013

Per 11. März 2013 tritt in der Europäischen Union (EU) ein Verbot von Tierversuchen für Kosmetika in Kraft. Doch was heisst das für Drittstaaten und weshalb gelten für medizinische Produkte und chemische Rohstoffe nicht die gleichen Regeln?

In einem letzten Schritt sind nun, nach einem zwanzigjährigen Verfahren, in der EU Kosmetika verboten, deren Wirkungen an Tieren getestet wurde (Vgl. Video und Pressemitteilung der Europäischen Kommission). Zwar waren bisher ab 2004 Tierversuche für Kosmetika innerhalb der EU und seit 2009 für Bestandteile von kosmetischen Produkten verboten. Ebenfalls im März 2009 wurde ein Vermarktungsverbot erlassen. Doch bis jetzt galten noch zahlreiche Ausnahmeregelungen.
 
Für Drittstaaten gilt das Verbot ebenfalls; das bedeutet etwa für die Schweizer Industrie, dass sie künftig keine kosmetischen Produkte, die an Tieren getestet wurden, in die Nachbarländer exportieren kann (Vgl. zur Schweiz: Beitrag SRF). Doch falls ein Unternehmen, nach dem Einsatz von Tierversuchen, ein Produkt zusätzlich noch mit alternativen Tests untersuchen lässt, darf dieses ausgeführt werden. In den letzten Jahren (2007-2011) investierte die EU bereits ca. 240 Millionen Euro, um die angesprochenen, alternativen Verfahren und Testmöglichkeiten zu entwickeln und zu fördern. Gemäss Recherchen der NZZ (12.03.2013) floss der grösste Teil der Gelder in den Aufbau eines speziellen Labors: dort werden Alternativen wie Tests mit Zellkulturen, künstlicher Haut oder Computersimulationen durchgeführt. Laut der Europäischen Kommission seien solche Verfahren noch nicht für alle kosmetischen Produkte möglich. Im Bereich von Kosmetika nimmt es die EU in Kauf, dass künftig nicht mehr alle Produkte zugelassen werden, aber für Medikamente gilt dies leider nicht. Ein Sprecher der Kommission meinte, dass in der EU für medizinische Zwecke „Tierversuche in Ermangelung alternativer Methoden zur Gewährleistung des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt noch benötigt werden“ (Vgl. NZZ 12.03.2013). Allein in der EU setzt die Pharmaindustrie ca. 10 Millionen Versuchstiere pro Jahr ein!

Ebenso können die bisherigen Erkenntnisse und somit Produkte, die aus Tierversuchen gewonnen wurden, weiter verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit allfälligen Missbrauchs bietet eine Klausel, die Tierversuche im Nachhinein genehmigt, wenn aus der Medikamentenforschung ein kosmetisches Nebenprodukt hervorgeht. Damit sind Tierversuche durch die Hintertür eigentlich wieder legal.

9/10 aller Rohstoffe werden durch das neue Tierversuchsverbot überhaupt nicht tangiert.

Die Schweizer Organisation „Aktionsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner“ bezeichnet den Entschluss zwar „als Meilenstein im Kampf gegen die Tierversuche“ und „ein wichtiges Zeichen für die Zukunft“ aber mahnt, genauer hinzusehen. Nebst den oben aufgezählten Schlupflöchern muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Richtlinie nur etwa den Umgang mit Rohstoffen, die ausschliesslich für kosmetische Produkte eingesetzt werden, regelt. Diese machen nur ca. 10 % aller chemischen Rohstoffe aus. Die restlichen 90 % der für Kosmetika verwendeten Stoffe, finden auch in anderen Bereichen etwa der Medizin, der Industrie usw. Anwendung und fallen unter die EU-Chemikalienverordnung (REACH). Mit dieser werden in grossem Ausmasse Tierversuche durchgeführt, um die Verträglichkeit der Stoffe zu testen. Jene 9/10 aller Rohstoffe werden durch das neue Tierversuchsverbot überhaupt nicht tangiert.

Der Beschluss der EU ist zu begrüssen, und es wäre wünschenswert, wenn die Schweiz nachziehen würde. Leider bietet die Gesetzgebung aber zu viele Grauzonen und betrifft nur Tierversuche für Kosmetika. Für das Testen von chemischen Rohstoffen sowie medizinischer Produkte können weiterhin Tierversuche durchgeführt werden.

Weitere Informationen:
Europäische Union: Pressemitteilung "Vollständiges EU-Verbot von Tierversuchen für Kosmetika tritt in Kraft", 11.03.2013.
Europäische Union: Chemikalien-Verordnung REACH.
Webseite ECEAE (The European Coalition to End Animal Experiments).
Webseite Deutscher Tierschutzbund E.V. Kampagne "No Cruel Cosmetics."
Website „Aktionsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner“ - Kosmetik ohne Tierversuche.
SRF.ch: "EU verbietet Tierversuche im Namen der Schönheit", 11.03.2013.
Zeit Online. Marlies Uken: "Tierversuchsfreie Kosmetik ist nur der erste Schritt", 11.03.2013.

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