Hauskatzen - die schnurrende Gefahr?

18 Aug 2014

Unsere Stubentiger. Beliebteste Haustiere, Weltstars auf YouTube, eigensinnige Kratzkuschler, Seelsorger für Singles und andere Einsame… und bei all dem doch immer noch Raubtiere, die verschiedentlich im Verdacht stehen, einen gefährdenden Einfluss auf unsere Ökosysteme und die Biodiversität auszuüben. Versuchen wir mal, uns einen Überblick zu verschaffen…

Gross ist jeweils der Aufschrei, wenn es irgendeiner Zeitung in den Sinn kommt, die Abschusszahlen von verwilderten Hauskatzen durch Jäger zu veröffentlichen. Von Tierquälerei ist dann schnell mal die Rede, die People for the ethical treatment of animals (PETA) und der zuständige Katzenliebhaberverein schalten sich ein, und vergessen ist die Tierquälerei an jenem Vögelchen, das vorgestern piepsend und zuckend zwischen den Pfoten von Schnurrli verendete. Denn das eine, so wird bei Durchsicht diesbezüglicher Kommentare schnell einsichtig, tun ja wir – bzw. ein moralisch ohnehin verdächtiger Jäger -, das andere ‚die Natur‘; jene Natur notabene, die eine Katzenpopulation von 50 – 60 Tieren per Schweizer Quadratkilometer ohne menschliche Zuführung von Nahrung kaum tragen würde. Gleichwohl haben die Katzenschützer diesbezüglich auch belastbarere Argumente. Doch dazu später. Erst mal die Fakten.

50 – 60 Hauskatzen kommen also auf jeden durchschnittlichen Quadratkilometer, in Städten konzentrierter: Die Stadt Zürich hat ihre ‚Katzenbelastung‘ auf 430 Büsis per Quadratkilometer hochgerechnet. Insgesamt zwischen 1,2 und 1,4 Millionen häusliche Beutegreifer in der Schweiz, die durch eine zuverlässige Fütterung durch Frauchen und/oder Herrchen leider nicht ihres Jagdtriebs ledig gehen. Dazu eine schwer fassbare Anzahl von Kolonien verwilderter Katzen und solitärer Kater, die alle Jahre wieder von Tierschutzverbänden zwangssterilisiert werden – etwa 10‘000 geraten diesen in mühseliger Arbeit jeweils unters Messer. Jene Katzen, die sie nicht zu fassen kriegen, können bis zu dreimal jährlich zwischen 4 – 7 Junge werfen – was sie dann natürlich nicht in diesem Umfang tun, aber immerhin anschaulich macht, welcher Sisyphusarbeit sich die gesamtökologisch denkenden Tierschützer hier regelmässig stellen. Gleichwohl haben konzertierte Sterilisationsaktionen beispielsweise in Belgien geholfen, den Bestand an verwilderten Katzen in den Griff zu bekommen. Die Mehrheit der Felis silvestris catus in der Schweiz leben derweil mit gutem Zugriff auf Polstergruppen, Katzenkistchen und menschliche Waden. Diese – wenn sie sich nicht sehr von den britischen Katzen unterscheiden, die uns diese Zahlen liefern – bringen jährlich durchschnittlich 13 – 14 getötete Beutetiere nach Hause, die Dunkelziffer von unentdeckten Tötungen dürfte ein ganzes Stück darüber liegen. Das wären dann ungefähr 16 Millionen Katzenopfer. Auch wenn die wahre Zahl wohl höher liegt: Reicht das aus, um Katzen als Umweltsünder an unserer Biodiversität zu brandmarken?

Ja und nein. Erst einmal jagen Katzen Mäuse, und jene sind bislang auch durch ihren Spitzenplatz auf der kätzischen Abschussliste nicht in die Verlegenheit gekommen, sich ein Schild mit der Aufschrift „gefährdet“ umhängen zu müssen. Sollte dabei im Eifer des Gefechts auch einmal eine gefährdete Haselmaus oder ein Siebenschläfer zwischen die Fänge geraten, sind diese dennoch weit stärker durch die fortschreitende Einengung ihrer Lebensräume bedroht. Ähnlich verhält es sich mit den Singvögeln. Die Vogelwarte Sempach gibt hier grundsätzliche Entwarnung. Katzen scheuen einen hohen Jagdaufwand und erwischen dadurch meist häufige Arten wie Amseln oder Meisen. Dennoch empfiehlt die Vogelwarte, in jenen Zeiten, da die Jungvögel flügge werden – namentlich von Mai bis Juli –, die Katzen morgens nicht aus dem Haus zu lassen – und natürlich eventuelle Nisthilfen katzensicher aufzuhängen. Doch leider sind die Miezekätzchen damit noch nicht aus der Gerichtssitzung entlassen. Prekärer ist ihre Gefährdung der grossflächig geschützten europäischen Reptilien: Eidechsen, Schlangen oder Blindschleichen. Diese leiden sehr stark unter der Hauskatze, die Schweizer Reptilien- und Amphibienschutz-Koordinationsstelle (karch) schätzt die diesbezüglichen, schmerzhaften Verluste auf eine halbe Million jährlich. Hier ist hauptsächlich die Bereitstellung von Flucht- und Versteckmöglichkeiten gefordert, die auch im eigenen Garten angegangen werden kann.

„Wer viel mit der Katze spielt, reduziert auch deren Jagdambitionen.“
Lars Lachmann, NABU-Vogelexperte

Insgesamt lässt sich also nicht von der Hand weisen, dass unsere miauenden Lieblinge zwar vielleicht nicht den, aber immerhin einen erheblichen Feinddruck auf die Biodiversität ausüben. Was ist zu tun? Verwilderte Katzen abschiessen? Auch wenn Jäger gerne vermelden, sie könnten eine wildlebende von einer lediglich herumstreunenden Katze unterscheiden, mögen diesbezüglich gewisse Zweifel gestattet sein. Erschwert wird diese Unterscheidung zunehmend dadurch, dass Katzen gechipt sind und deshalb kein Halsband mehr tragen. Angesichts des Leidens, das ein Fehlschuss bei allen Beteiligten auslöst – und auch Jäger sind nicht gesamthaft der menschlichen emotionalen Bindung an die Katze verlustig gegangen – und der Unerheblichkeit der Abschusszahlen auf den Bestand verwilderter Katzen ist diese Verfahrensweise schon kritisch zu beäugen. Erfolgversprechender ist diesbezüglich die bereits angesprochene Sterilisation, die sich jedoch sehr aufwändig gestaltet. Gleichwohl sind die verwilderten Katzen nur ein Teil des Problems: Das andere sind Schnurrli, Söckli und Garfield.

Angesichts der Reaktionen auf die mehrfach versuchten Vorstösse von Umweltverbänden, der Katzenexplosion Herr zu werden, lässt sich prophezeien, dass die Politik sich diesbezüglich in näherer Zukunft nicht in die gemachten Nesseln setzen mag. Da nun alle paar Jahre wieder mal eine Studie daherkommt, die Katzenhaltern eine höhere Intelligenz als Hundehaltern bescheinigt (wahrscheinlich erarbeitet von Katzenhaltern, was aber natürlich noch nicht gegen das Ergebnis spricht), wollen wir mal an diese Intelligenz appellieren. Denn der Möglichkeiten, auch als individueller Katzenliebhaber die Gefährdung der heimischen Biodiversität durch den eigenen Vierbeiner zumindest zu lindern, ohne darüber gleich ihre vielgeliebte Selbstständigkeit und ihr natürliches Verhalten über Gebühr zu beschneiden, sind einige.

Erst einmal sollte die Anschaffung einer Katze gut überlegt sein und nicht als blosses Prestigeverhalten oder zur Kinderberuhigung dienen. Ihr Platzbedarf ist dabei nur das eine, schwerer wiegt die Bereitschaft, sich dann auch mit ihr zu beschäftigen. Denn dadurch, dass wir mit unserer Katze spielen, nehmen wir ihrem Jagdtrieb schon die erste Spitze. Zusätzlich, das dürfte klar sein, ist die persönliche bevölkerungsregulierende Massnahme in Form einer Kastration bzw. Sterilisation des Kater oder der Kätzin dringend anzuraten. Wobei wir Tierschützer und auch die meisten Veterinäre vordringlich die Sterilisation empfehlen, da diese nicht in den Hormonhaushalt des Tieres eingreift und damit ihr angeborenes Geschlechtsverhalten nicht beeinträchtigt – auch wenn dieses mal etwas geruchs- oder geräuschintensiver ausfallen kann. Für den Schutz bedrohter Tierarten sollten wir, als Gartenbesitzer, eine naturnahe Gartengestaltung anstreben. Diese bietet ihnen nicht nur Lebensräume, sondern auch eine faire Chance, dem Zugriff unserer Katze zu entkommen. Ebenfalls wäre gut zu wissen, ob sich in der Nähe des eigenen Wohnorts Refugien geschützter Kleintierarten befinden, und dann vielleicht von der Anschaffung einer Katze abzusehen. Der örtliche Tierschutzverein hält diese Informationen üblicherweise bereit. Verzichten kann man, zumindest aus biodiversitätsschützerischen Gründen, auf das Anbringen eines Glöckchens am Halsband. Obwohl sich die meisten Katzen an das Geklingel gewöhnen, mindert es weder Jagdverhalten noch Jagderfolg massgeblich. Erfolgversprechender dürfte es sein, die eigene Katze hauptsächlich nachmittags aus dem Haus zu lassen. Morgens sind die meisten Reptilien träge, die Jungvögel vielfach ungeschützt und besonders aktiv, und nachts vergrössern Katzen den Radius ihrer Streifzüge gleich um das Doppelte.

Bildergalerie

  • Click to enlarge image Katzen_DSC03263.JPG Eine Siamkatze in Santa Susanna (Spanien) (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image Katzen_DSC04706.JPG Die Schweizer Fauna ist sich an schnelle Jäger gewöhnt. Australische und Neuseeländische Beuteltiere sind einfachere Beute für die Europäische Hauskatze. (Foto: Yolanda Stocker)

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