Weiche Wolle, hart produziert

Stricken ist „in“, am besten mit tierfreundlicher Wolle. Stricken ist „in“, am besten mit tierfreundlicher Wolle.

 Wolle ist nicht unbedingt nachhaltig, nur weil sie ein Naturprodukt ist, zeigt ein Blick nach Australien: Dort wird bei Merinoschafen das schmerzhafte Mulesing angewendet, um Madenbefall zu verhindern. Tierfreunde müssen deswegen nicht auf Wolle verzichten, denn es gibt auch Schafe, bei denen dieses Verfahren nicht angewendet wurde. Durch den Kauf von Schweizer Wolle erhält man ein Naturprodukt, das lokal und tierfreundlich produziert wurde und man unterstützt so auch die Schweizer Wollproduktion, die durch die globale Konkurrenz unter Druck steht.

Schweizer Wolle wieder im Aufschwung

Wolle ist „in“. Wolle zum Stricken, aber auch Kleider aus Wolle, vor allem als Sportbekleidung. Nur selten ist jedoch der Rohstoff für die Wollknäuel oder die Kleider aus der Schweiz. Die Schweizer Wolle ist Opfer des globalisierten Marktes geworden. Die Schweizer Wollproduktion wird nicht mehr vom Bund subventioniert; Schafhalter können heute kaum noch die Kosten für das Schären der Schafe und den Transport der Wolle decken und so entsorgen sie die Wolle häufig nach dem Schären. Schafhalter müssen Eigeninitiative und Kreativität an den Tag legen, um ihre Wollprodukte verarbeiten und vermarkten zu können. Unterstützt werden sie vom Verein fiwo mit einem Abholservice für Wolle und schweizweiten Wollsammelstellen. Auch die nawarotec, die ihre Produkte unter dem Label Swisswool vermarktet, sammelt Wolle in der Schweiz. Beide verarbeiten den Rohstoff anschliessend und vertreiben ihn selber. So konnten fiwo und Swisswool 2013 an ihren Sammelstellen zirka 650 Tonnen Schweizer Schafschurwolle einsammeln und verarbeiten. Dies ist ein nachhaltiger Erfolg für die Schafhaltung, die Landschaftspflege und die Umwelt, da es sich um ein regionales Produkt mit kurzen Transportwegen handelt. Dass die Wolle trotzdem grösstenteils importiert wird, hat zwei Gründe. Einerseits ist die Wolle aus dem Ausland billiger, andererseits produzieren die Rassen, die in anderen Weltgegenden gehalten werden, sehr feine Wolle.

In der Schweiz leben rund 435‘000 Schafe, davon ist die Hälfte während der Sommermonate auf der Alp. Die in der Schweiz häufigsten Schafrassen sind das Weisse Alpenschaf, das Braunköpfige Fleischschaf, das Schwarzbraune Bergschaf und das Walliser Schwarznasenschaf. Diese Schafe haben im Gegensatz zu den Merinoschafen mit ihrer feinen Wolle gröbere Wolle, die sich weniger für Kleidung eignet. Der wertvolle Rohstoff findet aber andere Verwendungszwecke, beispielsweise in Form von Decken, Isolationsmaterial, Bettmaterial oder zum Filzen. Dennoch hat in der Schweiz, wo jährlich rund 800 Tonnen produziert werden, die Schafhaltung für Wolle eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung. Wichtiger sind die Schafe und Lämmer als Fleischlieferanten sowie als Landschaftspfleger.

Weltweite Wollproduktion und ihre Auswüchse

Die meiste Wolle stammt nicht aus der Schweiz, wo es nur noch wenige wollverarbeitende Betriebe gibt. Weltweit werden in fast 100 Ländern jährlich rund 2,2 Millionen Tonnen Wolle produziert, das meiste davon in Neuseeland, China und Australien, der klaren Nummer 1. Dort produzieren mehr als 125 Millionen Schafe über 20% des weltweiten Wollaufkommens, wobei 50% zu den Merinoschafen gehören, dem weltweit häufigsten Feinwollschaf. Neben ihrer Produktivität ist die Merinowolle wegen ihrer Eigenschaften sehr beliebt: Sie ist stark gekräuselt, weich, leicht, sehr elastisch und kratzt nicht. Die ertragreichsten Merinoschafe können bis zu zehn Kilogramm Wolle pro Jahr geben. Im Durchschnitt ist das geschorene, noch vollständig zusammenhängende Wollkleid drei bis fünf Kilogramm schwer, wobei die Hälfte des Gewichts Schmutz, Wollfett, Schweiss und Pflanzenreste sind. Merinowolle wird in Oberbekleidung, Sportkleidung, Strickwaren, Strümpfen, Socken und als Handstrickgarn verwendet.

Brechen in den riesigen australischen Schafherden Krankheiten wie die Fliegenmadenkrankheit (Myiasis) aus, ist dies nur mit grossem Aufwand zu kontrollieren und zu behandeln. Bei dieser Krankheit legen Fliegen ihre Eier in die Hautfalten der Merinoschafe ab, insbesondere um den Schwanz herum. Diese Eier entwickeln sich zu Maden, welche sich vom Darminhalt der Schafe ernähren und die Schafe von innen auffressen. Merinoschafe sind besonders anfällig: Ihnen wurden viele Falten angezüchtet, damit sie grosse Wollmengen liefern. Um den Madenbefall zu verhindern, hat John W. H. Mules das Verfahren des „Mulesing“ entwickelt, bei dem die Haut rund um den Schwanz der Schafe ohne Betäubung weggeschnitten wird. Es wird meistens bei Lämmern bis zu einem Alter von einem Jahr durchgeführt. Bei dieser Behandlung entstehen grosse blutige Wunden, die wiederum Maden anziehen, noch bevor die Stellen abgeheilt sind.

Einst brachten europäische Siedler die Merinoschafe von Nordafrika nach Ozeanien, wo sie nicht an das tropische Klima angepasst sind. Interessanterweise wurde auch die für die Fliegenmadenkrankheit verantwortliche Fliege Lucilia cuprina aus Südafrika eingeschleppt.

Nicht nur das schmerzhafte Mulesing sorgt für rote Köpfe bei Tierschützern. Merinoschafe, aber auch viele andere Schafrassen, werden zur Schädlingsbekämpfung mindestens zwei Mal pro Jahr in Lösungen aus Insektiziden und Fungiziden getaucht. Das ist nicht nur für die Schafe eine Qual, sondern stellt einerseits für den Träger des Wollprodukts möglicherweise eine gesundheitliche Gefahr dar, wenn Rückstände dieser Chemikalien in der Wolle vorhanden sind. Andererseits verschmutzen die Chemikalien die Umwelt.

Sind die Merinoschafe nicht mehr genügend produktiv, werden sie an Schlachtereien in aller Welt verkauft, vor allem nach Nordafrika und in den Nahen Osten. Die Schafe werden lebend über riesige Distanzen über Land transportiert, bis sie an den australischen Häfen auf Schiffe verladen und eingepfercht tagelang übers Meer transportiert werden. Viele Schafe sterben auf den Landtransporten, und diejenigen, die den Schiffstransport nicht überleben, werden tot über Bord geworfen. Dies schreibt der Vegetarierbund Deutschland auf seiner Webseite.

Tierfreundliche Wolle gibt es

In Australien setzt sich die PETA (People For The Ethical Treatment of Animals) dafür ein, das Mulesing abzuschaffen, bisher ohne weitreichenden Erfolg. Im Zeitraum vom 1. Juli bis am 31. Oktober 2014 wurde laut AWEX (Australian Wool Exchange) – einer Firma, welche sich um den Vertrieb der australischen Wolle kümmert – 9,5% Wolle produziert, bei denen die Schafe nicht dem Mulesing unterzogen wurden und bei 18% wurden die Schafe dafür betäubt. 20,3% der Wolle stammt von Schafen, bei denen man Mulesing ohne Betäubung durchgeführt hat und bei knapp über der Hälfte ist nicht bekannt, wie und ob die Schafe behandelt wurden.

„Es wäre besser, man züchtet Schafe so, dass sie an die heissen australischen Bedingungen angepasst sind."
Jodie Ruckley, PETA Australien

„Es gibt wesentlich tierfreundlichere Alternativen, um den Befall mit Maden zu verhindern. Die Tiere können mit einem Spray gewaschen werden. Noch besser wäre es, man züchtet Schafe so, dass sie an die heissen australischen Bedingungen angepasst sind, oder die Farmer sollten sich mehr um die Schafe kümmern“, schlägt Jodie Ruckley von PETA Australien gegenüber theage.com vor. Tierschützer verlangen das Züchten von Schafen, welche in den betroffenen Körperregionen weniger Wollwuchs haben. Eine weitere Alternative ist eine biologische Fliegenbekämpfung.

Im Gegensatz zu Australien hat Neuseeland schon 2007 das Mulesing abgeschafft. Die neuseeländische Merino Company hat folglich das Zque Label lanciert, das durch eine unabhängige Kontrolle garantiert, dass unter anderem bei den Schafen kein Mulesing angewendet wurde. Ausserdem bietet das Label eine Rückverfolgbarkeit bis zur Farm. Erhältlich sind Produkte mit Zque Label von renommierten Herstellern von Funktionskleidung: Icebreaker, SmartWool und Ibex. Transa, als grösste Anbieterin von Funktionskleidung in der Schweiz, schreibt in ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2013/2014: „Wir sind bestrebt, Merinowolle aus zertifizierter, tiergerechter und insbesondere Mulesing-freier Produktion anzubieten.“ Eine Anfrage bei Coop, Migros und Manor ergab, dass Strickwolle und fertig verarbeitete Wollprodukte auch bei ihnen nicht von Schafen stammen, die dem Mulesing unterzogen wurden.

Wer ganz sicher sein will, dass die Wolle Mulesing-frei ist, greift auf Schweizer Wolle zurück. Bei Coop, Migros und Manor gibt es keine Schweizer Wollprodukte oder Strickwolle. Wer solche möchte, wird bei kleineren Anbietern fündig, die entweder Schweizer Wolle vertreiben oder biologische Wolle in Fabrikläden und auf Onlineshops verkaufen (siehe Weitere Informationen).

Weitere Informationen:
Mulesing-freie Merinowolle (Blog: Informationen, Links)
Anbieter von Schweizer Wollprodukten:
- H. U. Sturzenegger Schafwollverarbeitung
- Urner Schafwollprodukte (pUri Wullä)
- fiwo (Alles aus Schweizer Schafwolle)
- Wollspinnerei Vetsch

                                

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.