Unsere Vögel haben es schwer
Jedes Jahr stellt der Winter die heimische Natur auf eine harte Probe, die Kälte verlangt auch Vögeln enorm viel ab: Sie müssen grosse Energiemengen aufwenden, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu halten, vor allem während der Nacht. Aus diesem Grund sind Kleinvögel wie die Blaumeisen im Winter bis zu 85 Prozent des Tages damit beschäftigt, Nahrung zu suchen und ihre Fettreserven täglich neu aufzufüllen. Es überlebt die kalte Jahreszeit und die Nahrungsknappheit nur, wer fit ist. Die Nahrungsengpässe haben in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen, weil wir Menschen immer mehr Flächen versiegeln, Gebüsche roden und "aufgeräumte" Gärten anlegen, in denen keine Wildpflanzen zwischen den Zierblumen und im Rasen wuchern dürfen. Auch die intensiv betriebene Landwirtschaft, die zwischen den kultivierten Pflanzen kaum mehr Platz für Wildkräuter lässt, trägt ihren Teil zum Schwund natürlicher Nahrungsquellen bei. Müssen Vögel auf der Futtersuche zudem weite Strecken zurücklegen, kostet sie dies viel Energie. Das ist besonders prekär, wenn Futter Mangelware ist. Um die Vögel im winterlichen Überlebenskampf zu unterstützen, kann man sie im Winter füttern. „Vogelfütterung ist im Winterhalbjahr bei tiefen Temperaturen vertretbar“, empfiehlt die Ornithologin Susanna Komenda. In dieser Jahreszeit finden einheimische Vögel selber wenig Nahrung und besuchen daher gerne von Menschen eingerichtete Futterplätze. „Viele Vogelarten streifen umher und finden relativ schnell attraktive Fütterungsplätze“, erklärt sie gegenüber umweltnetz-schweiz.
Für jede Vogelgruppe eine andere Nahrung
Ob ein Futterplatz attraktiv ist, hängt vom angebotenen Futter und der Vogelart ab. Jede Vogelgruppe bevorzugt eine andere Nahrung – das sieht man dem Vogelschnabel an. Für die Körnerfresser wie Meisen und Finken empfiehlt die Ornithologin eine Sonnenblumen-Hanfsamen-Mischung, andere Getreidekörner hingegen würden sie oft verschmähen. Amseln und Rotkehlchen mit ihren relativ feinen Schnäbeln stelle man am besten weichere Futtersorten zur Verfügung, beispielsweise Äpfel. Zusätzlich empfiehlt wildvogelhilfe.de bei geschlossener Schneedecke unter Gebüschen und Bäumen vorsichtig mit einem Besen den Schnee zu entfernen und die Laubschicht freizulegen. Vögel wie Amseln haben dadurch die Möglichkeit, unter dem Laub und im Boden selbst nach natürlicher Nahrung zu suchen.
Von grosser Bedeutung bei der Vogelfütterung ist die Hygiene am Futterplatz und in dessen unmittelbarer Umgebung. Als gewissenhafter Naturfreund muss man die meisten Futterhäuschen aufgrund ihrer Konstruktionsweise regelmässig reinigen, um der Ausbreitung von Krankheitserregern wie Salmonellen entgegenzuwirken. Sehr geeignet seien Futtersilos, bei denen die Körner direkt vom Vogel entnommen werden können und sie diese nicht beschmutzten, präzisiert Susanna Komenda.
„Es entsteht ein sehr positiver Bezug zur Natur und damit die Motivation, sich für den Naturschutz zu engagieren.“
Susanna Komenda, Ornithologin
Auch der Rest muss stimmen
Die Vogelfütterung genüge nicht, um Vogelbestände nachhaltig zu fördern und Arten zu retten, erklärt Susanna Komenda. „Dafür sind natürliche Lebensräume unentbehrlich.“ An den meisten Futterstellen tauchen meist nur relativ häufige Vogelarten wie Amseln, Finken und Meisen auf; obwohl auch ihre Bestände schrumpfen. Das Zusatzangebot an Nahrung könnte ihre Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen, vermutet sie. Kollisionen mit Glasscheiben und auf Vögel lauernde Katzen an Futterstationen würden jedoch den Erfolg der Winterfütterung schmälern, erklärt Susanna Komenda.
Obwohl man keine Arten retten kann, hat die Vogelfütterung noch eine andere wichtige Funktion – nämlich eine naturpädagogische, wie Susanna Komenda weiss: „Am Futterhaus lassen sich Vögel wunderbar beobachten. Grünfink, Buchfink und Bergfink sowie Kohlmeise, Blaumeise und Sumpfmeise, Kleiber und auch Buntspecht sind faszinierend, wenn wir sie so nah erleben können. Dadurch entsteht ein sehr positiver Bezug zur Natur und damit die Motivation, sich für den Naturschutz zu engagieren.“
Vogelfütterung das ganze Jahr?
Peter Berthold, ein bekannter Vogelkundler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie, plädiert in einem Interview mit der WAZ Der Westen hingegen für eine durchgängige Fütterung während des ganzen Jahres. Im Winter habe ein Vogel nach einer eiskalten Nacht nur drei bis vier Stunden Zeit, Futter zu finden. Im Sommer fänden die Vögel wegen der ausgeräumten Landschaft nicht mehr genügend Insekten und Samen, um ihre Jungen zu füttern und ihren eigenen Bedarf zu decken. Anfangs Herbst bereiten sich Zugvögel zudem auf ihre kräftezehrenden Flüge in die Winterquartiere vor. Können sie sich vor der Abreise Fettreserven anlegen, erhöhen diese ihre Überlebenschancen. Diejenigen Vögel, die im Winter bei uns bleiben, können sich eine kleine Reserve für frühe Wintereinbrüche anlegen und fallen nicht gleich der ersten Frostperiode zum Opfer.
Laut Gegnern der Ganzjahresfütterung würden Vögel so verlernen, sich auf natürlichem Wege zu ernähren. Peter Berthold weist darauf hin, dass die Tiere das vom Menschen gereichte Futter zwar annähmen, wenn Nahrungsmangel bestehe, es aber lediglich als Zusatzfutter verwerten würden. Solange sie dazu in der Lage seien, in der Natur ihre arttypische Nahrung zu finden, würden sie diese bevorzugen, entgegnet er.
Susanna Komenda empfiehlt die Ganzjahresfütterung hingegen nicht. Den Vögeln setzt zwar nicht nur der Winter zu, sondern auch das sehr energieaufwändige Brutgeschäft in Frühling und Sommer. Trotzdem mache die Fütterung während dieser Zeit wenig Sinn: „Während der Brutzeit suchen die meisten Vogelarten tierisches Futter für die Jungen, welches wir nicht an unseren Futterstationen anbieten können. Zudem verteidigen viele Vogelarten dann ein Revier, in dem sie keine Eindringlinge dulden. So könnte ein Fütterungsplatz nur von wenigen Vögeln genutzt werden“, erläutert sie.
Weitere Informationen:
Wer frisst was? (Wildvogelhilfe)
Vogelfutter selbst gemacht (Beobachter Natur)
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