Im Dunkeln treffe ich sie an, die drei Amphibienfreundinnen. Sie sind gespannt, wie viele Tiere und welche Arten sie heute, einem verregneten März-Abend, antreffen werden. Die drei Frauen, ausgerüstet mit Kesseln und Stirnlampen, suchen den schwarzen Amphibienschutzzaun in der Aargauer Gemeinde Biberstein nach Grasfröschen, Erdkröten, verschiedenen Molchen und Feuersalamandern ab. Ich schnappe mir ebenfalls Kessel und Stirnlampe und packe mit an.
Frösche und Molche auf Schritt und Tritt
Man muss gut aufpassen, wo man hintritt. Manche Tiere schaffen es rätselhafterweise auf die ‚gefährliche‘ Seite des Zaunes. Diese Tiere sammeln wir zuerst ein, denn sie könnten auf die Strasse gelangen und von einem der vielen vorbeifahrenden Autos erfasst werden. Heute ist ‚Froschwetter‘, das heisst wenige Grad über Null und Nässe. Dementsprechend sind viele Amphibien unterwegs. Anfangs Frühling sind Grasfrösche, Erdkröten und Bergmolche unterwegs – man nennt sie auch Frühlaicher. Beinahe nach jedem Schritt taucht ein Grasfrosch im Schein der Stirnlampe auf. Schnell nehme ich ihn in die Hand und lasse ihn in den Kessel schlüpfen.
Amphibien vom Wandern abhalten
Der Amphibienschutzzaun besteht aus schwarzen Platten. Auf der Seite, wo die Amphibien eintreffen, haben sie einen ‚Knick‘. Dieser hindert die Frösche daran über den Zaun zu klettern. Unzählige solche schwarze Platten werden aneinander gereiht und versperren so den Wanderweg der Amphibien von ihren Winterquartieren zu ihren Laichgewässern. An einigen Stellen sind grosse Kübel in den Boden eingegraben, wo die Amphibien beim Entlangwandern hinein fallen. Solche Zäune sind dringend nötig an Stellen, wo die Tiere eine Strasse passieren müssen. Bereits wenig Verkehr reicht aus, um viele Tiere zu töten. Dabei müssen die Tiere nicht zwingend direkt unter die Räder kommen. Ich entdecke auf der Strasse einen unversehrten Grasfrosch. Ich stupse ihn an, aber er reagiert nicht mehr. Fährt ein Auto mit mehr als 30 Stundenkilometern über einen Frosch hinweg ohne ihn zu überrollen, stirbt er dennoch. Der grosse Luftdruckunterschied, der entsteht, wenn das Auto über ihn hinwegbraust, reicht aus, um beim Tier schwere innere Verletzungen hervor zu rufen. So ist bei ‚Froschwetter‘ gemässigte Geschwindigkeit angebracht. Idealerweise suchen Autofahrerinnen und Autofahrer nach einer Alternativroute.
„Vorsichtig und langsam fahren bei Froschwetter oder gar einen Umweg einplanen“
In die Freiheit entlassen
Nachdem wir die ersten akut gefährdeten Tiere eingesammelt haben, suchen wir den rund 100 Meter langen Zaun auf der ‚sicheren‘ Seite ab. Diese Tiere haben keine Chance ohne unser Zutun auf die andere Seite des Zaunes zu gelangen. Wir nehmen die Tiere aus den grossen Kübeln in unsere kleineren Kessel. Wir finden zahlreiche Grasfrösche; jeder von ihnen ist ein bisschen anders gefärbt. Wir staunen über die Farbenvielfalt dieser Amphibien. Jemand entdeckt einen Feuersalamander, jemand anderes entdeckt einen Bergmolch. So geht das während einer Stunde weiter. Die Kessel sind voll und wir machen uns auf den Weg zur Stelle, wo die Tiere jeden Abend an einem sicheren Platz frei gelassen werden. Wir steigen auf der anderen Seite der Strasse in eine Senke hinab und öffnen unsere Kessel in der Nähe eines Baches. Nun werden die Tiere nach Art bestimmt und gezählt. Ich erhalte die Aufgabe, dies zu protokollieren. Zuerst suchen wir die Grasfrösche und entlassen sie in die Freiheit. „Eins, zwei, drei, vier… fünfzehn, sechzehn“, ist die Ausbeute der ersten Fracht. Zielstrebig hüpfen die Grasfrösche in Richtung ihres Laichgewässers. Einige Männchen haben schon eine Partnerin gefunden und springen im Huckepack davon. Wir sind alle erleichtert, dass sie den richtigen Weg einschlagen. Wir zählen eine Erdkröte, vier Bergmolche und einen braunen Molch, den wir nicht mit Sicherheit bestimmen können. Es handelt sich um ein Fadenmolch- oder Teichmolch-Weibchen. Die Weibchen dieser Art sind schwierig auseinander zu halten. Zuletzt lassen wir die zwei Feuersalamander direkt am Bachufer frei. Sie schleichen langsam in den Bach hinein und verharren dort.
Gerettet
Wir begeben uns auf eine zweite, dritte und vierte Runde. Dazu suchen wir wieder den Zaun auf der ‚sicheren‘ und der ‚gefährlichen‘ Seite ab. Aber auch auf und an der Strasse gilt es genau hinzuschauen. Dadurch können wir viele Tiere gerade noch vor den Autos retten. Manchmal sind es Sekunden, die darüber entscheiden, ob ein Tier überlebt oder nicht. So hatten wir einerseits vielen Tieren das Leben gerettet, mussten aber auch 13 tote Tiere beklagen. Insgesamt retteten wir in dieser Nacht 50 Grasfrösche, eine Erdkröte, 14 Molche und 2 Feuersalamander vor dem Strassenverkehr und ermöglichten so einen Beitrag zum Schutz der bedrohten Amphibien in der Schweiz.
Helfende Hände gesucht
Wer selber eine Stelle kennt, wo Amphibien wandern und dabei eine Strasse überqueren müssen, kann sich an diverse Ansprechpartner wenden: örtliche Naturschutzvereine, kantonale Umwelt- oder Naturschutzfachstellen, die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) oder Pro Natura. Wer einen Amphibienzaun entdeckt hat und selber mithelfen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Fragen Sie beim örtlichen Naturschutzverein nach oder konsultieren Sie die Liste von Pro Natura, welche Gemeinden aufführt, die Helferinnen und Helfer suchen.
https://www.umweltnetz-schweiz.ch/themen/tierschutz/1810.html#sigProId53829b930d
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