Knallgeräusche schädigen Meeressäuger
Offshore-Windkraftanlagen müssen gut verankert werden; in der rauen See hätten sie sonst keinen Bestand. Die heutige gängigste Methode ist das Impulsrammen: Dazu wird der zu verankernde Pfahl mit bis zu 25‘000 Hammerschlägen 30 Meter tief in den Meeresgrund getrieben, wie das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN) festhält. Diese Prozedur kann von wenigen Stunden über mehrere Tage dauern.
In der Umgebung solcher Baustellen steigt der Lärm auf über 170 Dezibel (lauter als ein startendes Düsenflugzeug) an und beschädigt das Gehör von Meereslebewesen wie dem Schweinswal, der Kegelrobbe und Fischen im Umkreis von vielen Kilometern. Besonders belastend wirkt der Lärm, weil er impulsartig wie ein Knall auftritt; man spricht dabei von Impulsschall. Die Schallereignisse können dabei einzeln oder in Serie auftreten, wobei jedes Schallereignis sehr kurz ist und einen grossen Anteil an Schwingungen hoher Frequenzen enthält. Um den Schutz der Schweinswale – einer kleinen Walart, die vorwiegend an den Küsten des Nordatlantiks und -pazifiks beheimatet ist – in deutschen Gewässern zu gewährleisten, hat das deutsche Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) den Grenzwert von 160 Dezibel festgelegt. Dieser darf beim Bau von Windparks nicht überschritten werden. Denn die Schallbelastung kann zu temporärer Schwerhörigkeit oder anderen schwerwiegenden Verletzungen führen. Die Tiere zeigen auch Stress- und Verhaltensreaktionen, beispielsweise Flucht in ein anderes Gebiet. Der Unterwasserlärm kann die akustische Kommunikation zwischen den Tieren überlagern und Orientierung, Beutefindung, Räubererkennung, Partnerwahl, das Auffinden von Laich- oder Aufzuchtgebieten verhindern, wie das BfN schreibt.
„Vordringlich gilt es nun, das Einhalten der Lärmgrenzwerte durch Anwendung und Entwicklung effizienter technischer Schallschutzmassnahmen oder alternativer, schallarmer Gründungsvarianten sicher zu stellen.“
Thomas Merck, Dt. Bundesamt für Naturschutz an der Schallschutz-Tagung 2012
Gehörvermögen der Kegelrobbe wie unseres
Wie gut Meeressäuger und andere Meereslebewesen hören und welche Frequenzen sie wahrnehmen, wird zurzeit erforscht: Wissenschaftler des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärtzliche Hochschule Hannover (TiHo) erforschen das Hörvermögen von Kegelrobben (Halichoerus grypus), den grössten freilebenden Raubtieren Deutschlands. An Kegelrobben aus Aufzuchtstationen führten sie Gehörtests durch: Sie spielten ihnen Töne vor und massen Nervenimpluse, die von der Hörschnecke an den Hörnerv weitergeleitet wurden. Sie konnten zeigen, dass Kegelrobben in einem Frequenzbereich zwischen 1000 und 20‘000 Hertz hören (also wie wir Menschen auch). In welchem Bereich sie unter Wasser hören, ist noch unklar: „Unter Wasser werden Schallwellen anders übertragen. Wir vermuten daher, dass Kegelrobben unter Wasser in noch höheren Frequenzen hören“, erklärt Dr. Andreas Ruser, Mitautor der Studie. „Wir hoffen auf belastbare Aussagen, inwieweit Robben durch die zunehmende Lärmbelastung in Nord- und Ostsee betroffen sind“, ergänzt Prof. Dr. Ursula Siebert in der Pressemitteilung der TiHo.
Blasenschleier, Ballone, Kofferdämme – die Technologie ist vorhanden
Eine Schallminderung beim Bau der Offshore-Windparks ist aus naturschützerischer Sicht dringend. Das BfN vergleicht in der Studie ‚Entwicklung schallmindernder Massnahmen beim Bau von Offshore-Windenergieanlagen 2013‘ zahlreiche Methoden und zeigt auf, dass neben Schallminderungs- auch alternative Verankerungstechniken einen Beitrag leisten können.
„Eine Verminderung um 10 Dezibel bedeutet eine Halbierung der Lautstärke.“
Blasenschleier sind die zurzeit am häufigsten eingesetzten Mittel zur Schallminderung. Dazu werden perforierte Röhren kreisförmig um die Rammstelle am Meeresboden ausgelegt. Die dabei austretende Luft bildet einen Vorhang aus aufsteigenden Blasen im Wasser, die den Schall dämpfen und den Lärm, der nach aussen dringt, reduzieren. Die Schallminderung beträgt je nach Anordnung und Grösse zwischen 4 und 17 Dezibel.
Luftgefüllte Ballone oder Schaumstoffelemente (sog. Hydro Sound Damper), die in einem Netz um die Rammstelle herum vom Boden bis zur Wasseroberfläche aufgehängt werden, dämpfen den Schall sehr effektiv. Eine Machbarkeitsstudie zeigte eine Dämpfung von bis zu 18 Dezibel. Geplant ist ihr Einsatz bei, Offshore-Windpark in der Themse-Mündung bei London.
Eine weitere Methode, die bereits im Brückenbau in den USA erprobt wurde, ist der sogenannte Kofferdamm. Es handelt sich hierbei um einen Stahlzylinder, der während der Rammung über den zu verankernden Pfahl gestülpt wird. Die hohe Schalldämpfung wird erreicht, indem der Zwischenraum zwischen dem Pfahl und dem Zylinder leergepumpt wird. Kofferdämme wurden bereits beim Bau der Windkraftanlage in der Bucht von Århus in Dänemark eingesetzt. Dabei wurde eine Schallverminderung von 23 Dezibel gemessen.
Eine Kombination verschiedener Schallschutzkomponenten ist die BEKA-Schale: Zwischen dem Pfahl und der Schale befindet sich eine Wasserschicht mit einem integrierten Blasenschleier. Umgeben ist sie von zwei doppelwandigen Schallschutzwänden aus Metall, die durch eine weitere Wasserschicht mit Blasenschleier getrennt sind. Die Schallschutzwände sind mit einer schallabsorbierenden Substanz gefüllt und erhalten durch Schwingungsdämpfer eine zusätzliche lärmabsorbierende Schicht. Diese Konstruktion bietet ein grosses Potential zur Lärmminderung, ist aber noch auf keiner Baustelle zum Einsatz gekommen.
https://www.umweltnetz-schweiz.ch/themen/tierschutz/1840.html#sigProId9b77fa4753
An der Verankerungstechnik rütteln
Nicht nur im Bereich der Schalldämpfung gibt es neue Entwicklungen, sondern auch in der Verankerungstechnik: So wird nach Alternativen zur Impulsrammung gesucht, die deutlich weniger Unterwasserlärm erzeugen. Dazu zählen gebohrte Fundamente, bei der mit einer Tunnelbohrmaschine ein Loch in den Meeresgrund gefräst wird, in das anschliessend der Pfahl der Windturbine herabgelassen wird. Eine andere Technologie sind sogenannte Bucketfundamente. Dabei wird ein nach unten offener Stahleimer (sog. Caisson) durch Saugpumpen in den Meeresboden hineingesogen. Wird der Stahleimer auf den Boden aufgesetzt, so dringt das Fundament durch sein eigenes Gewicht in den Boden ein. Das sich im Eimer befindliche Wasser wird herausgepumpt und der Eimer endgültig positioniert.
Welche Technologie schlussendlich zum Erreichen und Unterschreiten des Grenzwertes von 160 Dezibel beiträgt, ist weniger wichtig. Wichtig ist, dass eine effiziente Schallminderung umgesetzt wird, um die Meereslebewesen vom Baulärm der Offshore-Windparks zu schützen.
Kommentare (0) anzeigenausblenden