Ein harziger Beginn
Die ersten Bestrebungen für die Wiederansiedlung dieses imposanten Vogels in der Schweiz gehen auf das Jahr 1922 zurück. Der Natur- und Umweltschützer Carl Stemmler-Vetter stellte bei der Eidgenössischen Nationalparkkommission ein Gesuch, den Bartgeier im Gebiet des Schweizerischen Nationalparks wieder auszuwildern. Doch die Kommission unterstützte diese Idee nicht. 1955 startete Stemmler einen weiteren Versuch, der genauso erfolglos blieb.
Erst im November 1978 wurde in Morges von 35 Fachleuten aus Naturschutzkreisen, Zoos, Behörden und Universitäten ein breit abgestütztes Projekt zur Wiederansiedlung im Alpenraum lanciert. Langsam schien die Zeit reif, und der Rückkehr des Bartgeiers stand bald nichts mehr im Weg. Mögliche Ansiedlungsgebiete wurden schon damals umfassend auf ihre Tauglichkeit untersucht. Die Ansprüche für diesen Lebensraum umfassen verschiedene Kriterien wie Nahrungsangebot, Wasserzugang, eine Auswahl an geeigneten Brutplätzen und den Grad der Verkabelung der Landschaft. Weiter wurde versucht abzuschätzen, wie die regionale Bevölkerung einem Wiederansiedlungsprojekt gegenüber steht. War ein passender Raum gefunden, wurde die Werbetrommel gerührt und Aufklärungsarbeit geleistet.
Der mächtige Greifvogel, mit einer Spannweite von fast 3 Metern und leuchtend roten Augen, wurde verfolgt, bis er vor rund 100 Jahren ganz aus unserer Berglandschaft verschwunden war. Pro Bartgeier
Erfolge, die sich sehen lassen können
Dank dieses Projektes konnten unter anderem in Österreich (Hohe Tauern), im Schweizerischen Nationalpark und im französischen Hochsavoyen wieder feste Populationen etabliert werden. Neu dazu gekommen sind unlängst drei Bartgeier in der Zentralschweiz. Es wurden verschiedene mögliche Standorte in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Bartgeier, den zuständigen kantonalen Behörden und den Wildhütern geprüft. Als Siegerin ging die Melchsee-Frutt im Kanton Obwalden hervor. Sie erwies sich als idealste Umgebung für die jungen Bartgeierdamen aus Österreich, Spanien und der Schweiz.
Die aktuell positive Entwicklung im Wiederansiedlungsprojekt darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bartgeier mit seiner sehr langsamen Fortpflanzung sehr empfindlich auf Verluste reagiert.
WWF Schweiz
Auf die Frage, ob sich Widerstand gegen die Aussetzung des grössten Greifvogels Europas regte, antwortet der Bartgeierexperte Dr. Daniel Hegglin, dass es immer Leute gäbe, die grundsätzlich Mühe hätten mit der Aussetzung von Wildtieren. „Aber die überwiegende Mehrheit ist positiv dazu eingestellt, nur vereinzelt gab es negative Reaktionen". Für die Wildhüter des Jagdbanngebietes Huetstock ist es jedenfalls eine erfreuliche Sache. Begeisterung ist zu spüren, wenn Hans Spichtig erzählt, dass er einer dieser Bartgeier sein möchte, wenn er die Wahl hätte, ein Tier zu sein. „Hier gibt es alles, was es braucht: Wasser, Nahrung und einen guten Überblick."
Aufwändige Betreuung
Seit dem 31. Mai bewohnen nun die noch flugunfähigen Bartgeierkinder aus Zuchten eine rund zwanzig Meter breite Nische unter einem Felsvorsprung. Zwei Betreuerinnen der Stiftung Pro Bartgeier umsorgen und beobachten die drei Jungvögel rund um die Uhr. Die Wildhüter der Region sind unter anderem zuständig für die Lieferung des Futters. Da die Nahrung aus Aas und Knochen besteht, kann Fallwild verfüttert werden. Die Jungen üben schon fleissig das Fliegen. Bald werden sie erste Ausflüge unternehmen. Ein grosser Moment für alle Beteiligten.
Weitere Informationen:
Auswilderung 2015: Bilderblog (Wildtier Schweiz, Zürich)
Kommentare (0) anzeigenausblenden