Der Fribourger Thierry Aebischer ist einer der vier Gründer des Chinko Project in der Zentralafrikanischen Republik. Er schreibt zurzeit eine Doktorarbeit in Biologie (PHD) an der Universität Fribourg. Er erklärt uns, wieso er manchmal zwischen seinem Projekt und seiner Uni hin- und hergerissen ist und dass er ohne die vielen wichtigen Heinzelmännchen und –weibchen hinter den Kulissen nicht durch sein Nature Reserve streifen könnte.
Wie hat alles begonnen?
Ich wollte schon als kleiner Junge unbedingt in den Regenwald. Eine Forschungsstation in Costa Rica war da als Minderjähriger ein guter Einstieg für mich. Dort lernte ich auch den österreichischen Informatiker Raffel Hickisch kennen. Wir beide haben uns darüber gewundert, wie es um die Flora und Fauna der Zentralafrikanischen Republik stand.
Ohne dass wir wirklich daran glaubten, versprachen wir uns gegenseitig, irgendwann gemeinsam den unerforschten Osten der Zentralafrikanischen Republik zu erkunden. Nach Jahren der Recherche und des Emailkontakts war es 2012 dann so weit.
Wie war der erste Besuch?
Um in das krisengebeutelte Land reisen zu können, wendeten wir uns an den schwedischen Grosswildjäger Erik Mararv. Er hatte im Osten der Zentralafrikanischen Republik mehrere offizielle Jagd-Parzellen für seine Firma CAWA(Central African Wildlife Adventures) von der Regierung gepachtet. Die Firma bietet Grosswildjagd an und organisiert Aufenthalte für Touristen. Erik Mararv war von Anfang an klar, dass nur die nachhaltige Jagd ihm ein langfristiges Einkommen bescheren würde. Er selber wurde vor Ort von David Simpson, der nun Park Manager ist, vertreten.
Über die genauen Zahlen und überhaupt die vorhandenen Tierarten gab es nur die Beobachtungen und Erzählungen von Erik und seinem Jägerteam. Weil auch Erik gespannt war auf die tatsächlichen Werte, liess er uns sein Gebiet durchkämmen. Monatelang kämpften wir uns – bei manchmal 40° C – zu Fuss durch meterhohes Gras und wiesen eine ungeheure Vielfalt von grossen Wirbeltieren mit Hilfe von Fotofallen nach. Und das obwohl wir nur einen Bruchteil des Gebiets schafften.
Da wir vier uns einig waren, dass man die Region unbedingt längerfristig und nachhaltig schützen musste, gründeten wir die NGO Chinko Project. Im Osten der Zentralafrikanischen Republik, im Einzugsgebiet der Flüsse Chinko und Mbari sind nun 17'600 km2 Mosaik aus Savanne und Regenwald als eine Art Naturschutzgebiet unter der Verwaltung des Chinko Projects für die nächsten 50 Jahre ausgewiesen. Es handelt sich dabei um Primäre Lebensräume; also solche die noch nicht nachhaltig durch den Menschen verändert worden sind. Diese sind heutzutage enorm selten und so gesehen unglaublich wertvoll.
Wie weit seid ihr mit eurem Projekt?
Wir sind seit kurzem Teil von African Parks. Es wird je länger je offizieller. Das bedeutet es gibt mehr Geld und mehr Menschen, die sich dafür interessieren. Eben haben wir die ersten lokalen Ranger ausgebildet, die in Zukunft das Land und seine tierischen Bewohner vor Wilderern schützen sollen. Die Jagd wird jedoch weiter möglich sein. Wenn man nämlich ein Gebiet in Zentralafrika als absolutes Schutzgebiet klassifiziert, dann wird dies auf der Landkarte so eingezeichnet, aber vor Ort passiert dann oft gar nichts. Unser Ziel ist es, grosse Populationen zu erhalten, so dass weder der Verlust einzelner Tiere durch die Grosswildjagd, noch der Klimawandel negative Auswirkungen haben können. Zudem ist die Grosswildjagd momentan fast der einzige Tourismus im Gebiet, der Geld einzubringen vermag. Momentan scheint die sauber gehandhabte Jagd die einzige Möglichkeit zu sein, das Gebiet langfristig in seiner Einzigartigkeit zu erhalten.
Wann warst du das letzte Mal vor Ort?
Ende Mai bin ich zurückzukommen. Für zwei Wochen haben uns GEO-Reporter begleitet – in der aktuellen Ausgabe des Magazins steht der Bericht dazu.
Gibt's was Neues?
Schimpansen! Es gab lange Gerüchte. Offiziell ist das ganze Gebiet als Schimpansengebiet klassifiziert, im Westen des Chinko haben wir aber in den letzten drei Jahren keinen einzigen gefunden. Wir haben schon beinahe nicht mehr daran geglaubt. Ich musste meine Begleiter immer wieder von neuem davon überzeugen, dass es eben nicht wissenschaftlich ist, nicht mehr danach zu suchen, nur weil man sie bis anhin nie gefunden hat. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal östlich des Chinko Flusses gesucht. Wir haben eine gesunde Schimpansenpopulationen gefunden. Auf 1900 km2 gibt es mindestens 200 Tiere. Es ist die 11. Primatenart im Gebiet.
Hilft euch das jetzt beim Promoten eures Projekts?
Ich mache mir daraus nur wenig Hoffnung. Im Süden Kameruns konnte ich vor Jahren die Rekordzahlen von 18 verschiedenen Primatenarten – inklusive Schimpanse und Gorilla – nachweisen. Das hat dem Naturschutz vor Ort aber nichts genützt. Mangels Interesse der Weltöffentlichkeit wird der Wald dort jetzt gerodet, Ölpalmen angepflanzt und eine Eisenbahn gebaut. Solange man keine Auffangstation einrichtet, in der man herzige Affenwaisen herumtragen kann, ist es schwer, mit Schimpansen Geld für den Naturschutz einzutreiben. Es ist bedauerlicherweise so, dass sich Einzelschicksale viel besser vermarkten lassen als gesunde Populationen, welche langfristig lebensfähig wären. Riesige, zusammenhängende Gebiete mit grossen Tierpopulationen sind für die Allgemeinheit einfach 'zu wenig sexy'. Dabei wäre der Schutz solcher Gebiete ungemein wichtig. Erst ab einer gewissen Grösse hat ein Naturschutzgebiet eine genügend grosse Anzahl von Individuen und ausreichend Pufferzonen gegen stärker vom Menschen beeinflusste Regionen, um langfristig selbsterhaltend zu sein.
Was macht gerade euer Gebiet so wichtig?
Wie schon gesagt, handelt es sich um einen primären Lebensraum aus Baumsavanne und Regenwald. Es gibt also eine grosse Artenvielfalt, die noch nicht vom Menschen im grossen Stil verändert wurde. Zudem gibt es viele ehemals in West- und Zentralafrika weit verbreitete Tierarten nur noch im Chinko Gebiet. Unsere Afrikanischen Wildhunde, Riesenelenantilopen, Löwen und Waldelefanten sind beispielsweise die letzten ihrer Art im westlichen Zentralafrika. Leider sind es zur Zeit nur noch einige hundert Exemplare, aber da diese eine ganz eigene Geschichte haben und im vielgestaltigen Mosaik aus Savanne und Regenwald des Chinko eine grosse Variabilität an äusseren und genetischen Merkmalen erhalten konnten, sind sie durch keine anderen auf der Welt ersetzbar. Auch nicht durch die noch zahlreicher vertretenen Botswana-Elefanten oder Serengeti-Löwen. Der Eindruck, es gäbe in gewissen anderen Gebieten zu viele Elefanten, wird übrigens vor allem dadurch erweckt, dass die Gebiete, in denen sie sich aufhalten können, immer kleiner werden. Grosse Tiere wie Elefanten haben in einem zu kleinen Gebiet dann schnell mal einen destruktiven Effekt. Für das Chinko Ökosystem sind sie aber von unschätzbarem Wert. So verhindern Elefanten etwa die komplette Verwaldung, halten also Teile der Landschaft offen und helfen so mit, eine grosse Vielfalt an Lebensräumen und damit an verschiedenen Organismen zu erhalten.
Gerade für die wanderfreudige Megafauna wie Löwe, Wildhund, Elefant und Nilpferd ist das Chinko Project Gebiet eine wichtige Brücke zwischen dem weitgehend leer gewilderten Westafrika und den momentan noch etwas besser geschützten wildreichen Schutzgebieten in Ostafrika.
Wie schaffst du den Spagat zwischen NGO und PHD?
Ich schreibe meine Doktorarbeit über einen Teil der Daten, die wir im Projekt erhoben haben. Aber es ist natürlich immer schwierig, die Zeit 'gerecht' aufzuteilen. In einem solchen Projekt gibt es unglaublich viel zu organisieren. Wenn etwas nicht funktioniert, zieht das einen ganzen Rattenschwanz nach sich. Wie bei jedem Verein oder jeder Institution, vom lokalen Fussballclub zu den Vereinten Nationen (UNO) braucht es jeden Einzelnen, der mithilft. Die Ranger, den Manager, aber auch die, die man gerne vergisst. Charlotte Mararv, die Schwester von Erik beispielsweise, erledigt den Papierkram für uns. Wenn sie nicht stundenlang telefonieren und organisieren würde, könnte ich nicht im Wald herumkriechen und entdecken. Der Glamourfaktor ist bei Reportagen über das Projekt für Journalisten natürlich wichtig. Deshalb werden Huldigungen von Mitarbeitern, die hinter den Kulissen tätig sind, meist leichtfertig abgetan. Dies verzerrt das Bild.
An dieser Stelle also ein riesiges Dankeschön an alle Beteiligten die es oft nicht in die Zeilen oder auf offizielle Fotos schaffen. Auf der Website www.chinkoproject.com werden übrigens die meisten kurz präsentiert.
Wie werdet ihr finanziert?
Es gibt zurzeit zwei grundsätzlich verschiedene, leider völlig getrennte Bereiche: Einmal das Naturschutzprojekt und dann die Forschung. Wir konnten zum Glück African Parks für unser Chinko Project gewinnen. Die sind für alle Finanzen im Zusammenhang mit dem Naturschutzprojekt zuständig. Dank diesem grossen Partner unterstützt uns nun auch die EU, die ihre Gelder nicht direkt an uns sprechen darf. Weiter gibt es auch noch viele einzelne oder wiederholte finanzielle Unterstützungen von privaten Gönnern oder Organisationen, wie dem WWF oder das Wildlife Department der USA, welche bei African Parks mit dem Vermerk einzahlen.
Die Forschung ist, wie gesagt, leider zurzeit noch nicht gekoppelt mit dem Naturschutz. Im traditionellen Naturschutz ist es betrüblicherweise nach wie vor verpönt, zu forschen – obwohl doch der Schutz dadurch enorm profitieren und an Gewicht gewinnen könnte. So müssen wir die Finanzierung für die Forschung also mühsam selbstständig zusammentragen. Leider standen und stehen uns da auch offizielle Statements wie etwa das der Deza im Weg; nämlich, dass es keinen Grund gäbe in der Zentralafrikanischen Republik zu forschen. So möchte fast niemand in unsere Forschung investieren, weil sie keine potentielle Schuld übernehmen möchten, falls einem Forscher etwas passierte.
Zum Glück konnten wir, dank Daniel Wegmann, die UNI Fribourg von der Wichtigkeit der Forschung in Zentralafrika überzeugen. Als Doktorand bekomme ich meinen Lohn von ihr. Reich wird man dabei natürlich nicht. Raffi und ich investieren nach wie vor grosse Teile unserer Löhne für die Reisen und kleine Posten – wie etwa ein neues Zelt oder Technische Geräte –, da Geldgeber solche Budgetposten häufig streichen, mit der Begründung, sie seien nicht bereit einen Drittel des Forschungsgeldes in Erdöl zu investieren. Der Transport ist aber nun halt mal ein grosser Anteil am Budget, und anders ist Forschung dort unmöglich.
Wenn wir dieses grossartige Gebiet nicht weiter beforschen könnten, würden viele offene Fragen ungeklärt bleiben. Die Allgemeinheit und sogar die wissenschaftliche Gemeinschaft hätte ohne unsere Forschung wohl nie von den letzten grossen überlebensfähigen Populationen von Riesenelenantilopen, Afrikanischen Wildhunden und Östlichen Schimpansen erfahren, oder davon, welch grossartiges genetisches Reservoir für die Artenvielfalt das Chinko Mosaik bietet.
Damit wir die Forschung überhaupt weiter betreiben können, machen wir Werbung, wo wir können. Wir machen Foto-Vorträge in Schulen, an Vereins-GVs, in Zoos, Museen und bei Privaten. Dabei geht es uns allerdings nicht nur ums finanzielle. Wir möchten Zentralafrika unbedingt bekannter machen und ein Bedürfnis nach Wissen stillen.
Nutzen schon andere Wissenschaftler die Chance, in eurem Gebiet zu forschen?
Leider sind die Risiken für viele noch zu hoch. Bei den meisten scheitert es am finanziellen, weil sie nicht rechtzeitig alles Geld zusammenbringen und nicht wie wir bereit sind, das finanzielle Risiko selber zu tragen. Es ist noch immer ein Krisengebiet, deshalb sind Forschungsgelder rar. Da die Infrastrukturen noch minimal sind, ist es auch viel teurer in unserem Gebiet zu forschen, als es das beispielsweise in Kamerun wäre. Unsere Organisation und African Parks würden externe Wissenschaftler vor Ort jedoch unterstützen, wo wir nur könnten.
Neben den finanziellen und logistischen Hürden gibt es auch noch die persönlichen. Selbstverständlich ist der Komfort der Forscher durch den Infrastrukturmangel eingeschränkt. Wer die Strapazen auf sich nimmt, muss also eine logistische Meisterleistung vollbringen, sehr viel Eigenverantwortung tragen. Ein Restrisiko an seriösen Krankheitsfällen, Unfällen oder sogar unliebsamen Zusammentreffen mit Rebellen und Wilderer bleibt erhalten.
Es gäbe viele weitere Ideen für Projekte, die schlicht und einfach unseren Rahmen sprengen. Wir haben zum Beispiel die Savannenmanguste wiederentdeckt, von der es nur 31 Museumsexemplare gibt – keine Informationen zu Futter, Sozialstruktur oder überhaupt irgendwas. Die zu erforschen wäre ein eigenes Projekt wert. Wir sammeln zum Teil daher für unabhängige Projekte Daten und stellen sie anderen Universitäten zur Verfügung. Am Naturhistorischen Museum Bern werden zum Beispiel Gewebeproben analysiert, die wir dem gejagten Grosswild entnehmen.
Wie funktioniert das eigentlich mit der 'nachhaltigen Jagd'?
Unser Ziel ist es prinzipiell, möglichst das natürliche Gefüge zu schützen und möglichst wenige Einzeltiere dafür zu opfern. Die Grosswildjäger zahlen für ihren Aufenthalt und jeden einzelnen Abschuss viel Geld. Die meisten von ihnen sind reiche, ältere Amerikaner. Oft arbeiten die Jäger eine Liste ab, auf der zum Schluss noch die drei oder vier am schwierigsten zugänglichen Arten stehen - nämlich die bei uns. Manchmal hat das schon fast Altersheimcharakter, da die meisten bis dahin so um die 80 Jahre alt sind.
Sie werden von vielen Personen begleitet, die dadurch alle eine Arbeit haben. Zum einen ist immer ein professioneller Jäger dabei. Dieser ist insgesamt in 1-4 auf ganz Afrika verteilten Jagdgebieten unterwegs, immer dort, wo gerade saisonbedingt Trockenzeit ist. Dann ist auch immer ein Hauptguide dabei, der den Ort gut kennt. Die Spurenleser, Chauffeure, Wasser- und Trophäenträger und die, die die Tiere ausnehmen, sind immer Lokale. Wenn die Angestellten zuverlässig sind, kann man folglich sehr gut sicherstellen, dass – zumindest von unseren Besuchern – nur die ausgehandelten Tiere abgeschossen werden.
Es gibt gesetzlich vorgeschriebene maximale Abschuss-Quoten pro Jagdparzelle. Diese orientieren sich an den roten Listen der IUCN (International Union für Conservation of Nature), die geographisch sehr ungenau sind. Die Quoten erscheinen deshalb meist sehr willkürlich gesetzt.
Um diesen Zustand zu verbessern, hat Erik - schon vor dem ersten Besuch von Raffi und mir – mit seinen Angestellten Listen geführt. Mithilfe der Zahlen der Tiere, denen sie begegnet sind, hat er dann selber eine Abschuss-Quote gesetzt.
Ich überprüfe nun seine Quoten, indem ich unsere Fotofallenbilder analysiere. Meine Berechnungsmodelle basieren auf wissenschaftlichen Quoten zur nachhaltigen Jagd in Ost und Südafrika. Deshalb habe ich sie adaptiert an unsere regionalen Voraussetzungen. Andere Parameter, wie die Fehlschussquote von 10 %, habe ich unverändert beibehalten. In diesen Modellen wird unter anderem berücksichtigt, dass der Abschuss eines Löwenmännchens den Verlust der aktuellen Jungtiere zur Folge haben kann, da das neue Männchen in der Regel nur eigene Junge im Rudel duldet.
Stimmen die Quoten?
In einem Spitzenjahr wurden maximal 30 Elenantilopen-Bullen geschossen. Wenn man bedenkt, dass in der Schweiz tausende Rehe und Hirsche 'nachhaltig gejagt' werden, ist das nur eine verschwindend kleine Zahl. Da die Antilopen gefährdete Tiere sind, kann man die Situation natürlich nicht 1:1 vergleichen. Soeben habe ich allerdings die Elenantilopen-Daten unserer Kamerafallen ausgewertet und ich kann nun wissenschaftlich bestätigen, dass Eriks Werte in der verträglichen Bandbreite drin sind.
Wie gut waren denn die Jäger im Auflisten der anderen Arten?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Jäger häufig eine bessere Artenkenntnis haben als Naturtouristen. Zumindest bewerten sie die Vielfalt zwischen verschiedenen Populationen höher. Für einen Jäger ist es beispielsweise wichtig, welche Art von Rotducker er schiesst. Viele heimliche oder in sehr abgelegenen Gebieten lebende Säugetierarten wurden von Grosswildjägern seit Jahrzehnten unterschieden, die von der Wissenschaft erst seit kurzer Zeit als eigenständige Arten anerkannt oder heiss diskutiert werden. So kann die Wissenschaft also zum Teil auch vom Wissen der Jäger profitieren. Manchmal ist es allerdings auch einfach eine auffällige Fellfärbung, die dazu führt, dass der Jäger sie als andere Tierart anschaut. Unter Umständen ist er sogar bereit, das Zehnfache zu zahlen, obwohl es wissenschaftlich gesehen dieselbe Art ist.
Du hast in einem Interview mal gesagt, dass es kaum zu brenzligen Begegnungen kommt, wenn man weiss, wie man sich verhalten soll. Gibt es trotzdem die eine oder andere Anekdote?
Da gibt es tatsächlich ein paar. Wobei ich erneut betonen möchte, dass die Begegnungen mit Tieren normalerweise besser einschätzbar sind, als diejenigen mit Menschen. Ausser man hat nicht alle Informationen. So hat mich einmal ein Büffel zum Schein angegriffen. Eigentlich wollte ich ihn einfach vorbeiziehen lassen. Erst nach einiger Zeit merkte ich, dass ich in der Nähe eines Jungtieres stand, dass in einem halbgetrockneten Wasserloch eingesunken war und sich ohne die Hilfe der Mutter nicht befreien konnte.
Ein andermal wollte ich in einer Tierhöhle nach einer Boa sehen und raus kam eine Schwarze Mamba. Diese Schlange ist eine der gefährlichsten der Welt, da sie bei Gefahr nicht die Flucht ergreift. Mit denen ist nicht zu spassen.
Um Leoparden wiederzuerkennen, braucht man ihre Fellzeichnung. Ich wollte also einmal die andere Flanke auch noch fotografieren und versuchte, um ihn herumzugehen. Unverhofft stand er dann näher als gewünscht. Da wurde mir schon ein wenig mulmig. Es ist ja doch eben ein wildes Tier.
Und wie sieht's mit den Menschen aus?
In diesem Gebiet gibt es ausser uns auch noch weisse Amerikaner, die mit Hightech ausgerüstet sind. Solange man also von Wilderern als Ami angeschaut wird, lassen sie einen in Ruhe.
Es gibt mindestens vier verschiedene bewaffnete Gruppierungen im Chinko Gebiet. Hirten, die mit den Wertanlagen ihrer Generäle – Kuhherden von bis zu tausend Tieren - unterwegs sind, lassen einen generell in Ruhe, wenn man ihre Kühe in Ruhe lässt. Sie sind aber auch neugierig.
Elefantenjäger machen gezielt Jagd auf Elefanten. Auch hier wird man ignoriert, solange man sie ignoriert. Aber wehe, man will die Elefanten schützen!
Die LRA (Lord's Resistance Army) ist wohl eine der krassesten Armeen, die es überhaupt gibt. Sie nutzen den Chinko als Versteck vor der Ugandischen Armee. Im Kongo wüten sie viel schlimmer.
Die Ugandische Armee jagt die LRA. Auch hier ist es also ein Vorteil, weiss zu sein, um nicht verwechselt zu werden.
Was wünschst du dir für dein Projekt?
Das viele Leute den Wert grosser, zusammenhängender Schutzgebiete anerkennen und dementsprechend dafür einstehen, also in sie investieren. Natürliche Ökosysteme sind sehr wertvoll und müssen unbedingt bewahrt werden. Selbstverständlich wünsche ich mir auch, dass es weiterläuft; am besten noch eine Zeit lang mit mir, aber später dann auch ohne mich.
Herzlichen Dank für das umfangreiche und überaus spannende Interview. Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg beim Erhalt des Chinko Gebietes und beim (Wieder)Entdecken weiterer spektakulärer Tierarten.
Weitere Informationen:
Chinko Project Website
Chinko Project Twitter
Thierry Aebischer bei Aeschbacher
Thierry Aebischer wird von SRF besucht
Geo Nr. 09 / 2015: Reportage über das Chinko Project
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