Das Jahr 2013 war ein wichtiges Jahr für den europäischen Tierschutz: Es sind nicht mehr nur Tierversuche in der europäischen Kosmetikindustrie verboten, nun müssen auch internationale Unternehmen, die ihre Produkte in Europa vertreiben möchten, von jeglichen Experimenten mit Tieren absehen. Diese gesetzliche Regelung bezieht sich jedoch ausschliesslich auf die Kosmetikindustrie. Andere Industriezweige sowie medizinische Untersuchungen sind davon nicht betroffen, und dies wird wohl vorerst auch so bleiben.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) veröffentlichte im Januar 2017 eine Grundsatzerklärung dazu, warum Tierversuche durchaus Sinn ergeben. In ihrem Bericht „Tierversuche in der Grundlagenforschung“ betont sie die Unverzichtbarkeit von Tierversuchen und beruft sich dabei auf eine Expertenkommission, die aus renommierten Neurowissenschaftlern, Verhaltensforschern, Ethikern, Kommunikationsexperten und anderen Persönlichkeiten aus der Forschungspolitik besteht. Nichtsdestotrotz unterstreicht die MPG jedoch auch die besondere Verantwortung von Forschern, die diese Versuche durchführen, sowie die ethischen Schwierigkeiten, die mit den Tests am lebenden Organismus einhergehen.
Schaden und Nutzen von Tierversuchen
Die Gegner von Tierversuchen argumentieren, dass die Tests ethisch nicht vertretbar sind, und die Ergebnisse sich nicht unbedingt auf den Menschen übertragen lassen, weil der Unterschied zwischen Mensch und Tier immer noch zu gross sei. Es gäbe gegebenenfalls zuverlässigere und ethisch vertretbarere Methoden für die Untersuchung von Medikamentenwirkungen auf den menschlichen Organismus, wie z. B. Untersuchungen mit menschlichen Zellkulturen.
Die Befürworter hingegen betonen, dass dies nicht ausreiche. „Vernetzte Systeme wie etwa das Immunsystem oder das Gehirn können wir nicht allein durch die Untersuchung ihrer einzelnen Bausteine oder durch vereinfachte Modelle und Computersimulationen verstehen“, erklärt Wolf Singer, Leiter der Expertenkommission. Ausserdem müsse jeder Wissenschaftler eine sogenannte Güterabwägung durchführen, d. h. er müsse belegen, dass der Nutzen des Tests für die Gesellschaft grösser sei als das Leiden der Tiere. Die MPG argumentiert weiter, dass auch das Wissen an sich bereits einen Wert habe, unabhängig davon, ob daran ein konkreter Nutzen gebunden sei: „Erkenntnisgewinn [zieht] auch einen großen Wert daraus, dass er die Voraussetzung für mögliche, allerdings nicht planbare Beiträge zu Problemlösungen ist.“ Die MPG appelliert an die Wissenschaftler, mit der Öffentlichkeit offen über ihre Ziele und Methoden zu diskutieren und damit Vertrauen und Klarheit zu schaffen.
3 x R + Responsibility
Als ersten Schritt fügt die MPG ein viertes ‚R‘ zum 3-R-Modell hinzu, an das sich Wissenschaftler in Europa zu halten haben und das sich nun wie folgt aufbaut: Replacement, Reducement, Refinement, Responsibility (Ersatz von Tierversuchen, Reduktion von Tierversuchen, Verbesserung von Tierversuchen, Verantwortung für Tierversuche).
Stellt sich nur die Frage, ob ein vermehrter Diskurs über Tierversuche wirklich dazu führen kann, dass sie gesellschaftlich mehr akzeptiert werden. Und ist damit das Problem der ethischen Vertretbarkeit gelöst?
Weiterführende Informationen/Quellen
Grundsatzerklärung der MPG
Zusammenfassung der Grundsatzerklärung der MPG
Verbot von Tierversuchen in der Kosmetikindustrie
Tierversuche in der Schweiz
Kommentare (0) anzeigenausblenden