Jeder kennt die Turteltaube als Sinnbild für Frieden, Hoffnung, Glück und Liebe. Sie ist ein echtes Stück lebende Geschichte: Seit dem Mittelalter bis in unsere heutige Zeit gehört sie in unseren Sprachgebrauch. Da ihr Balzverhalten dem des Menschen recht ähnlich ist, werden Verliebte auch schon mal zu „Turteltäubchen“. Somit ist die Turteltaube eine der ältesten Symbolfiguren unserer Kultur. Doch wer von uns hat den Vogel tatsächlich schon mal gesehen? Die kleinste und zierlichste Art unserer heimischen Tauben ist grösstenteils aus den Städten und Landstrichen verschwunden. Gab es Anfang des 20. Jahrhundert noch eine grosse Population in Europa, nahmen die Bestände in den 80er Jahren in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien um 90% ab. Heute ist sie eine der am stärksten von Bestandsrückgängen betroffenen Vogelarten in Europa. 2015 übersprang sie auf der weltweiten Roten Liste die Vorwarnstufe und platzierte sich direkt in der Kategorie „gefährdet“. Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, wählten der Naturschutzbund Deutschland und der Bayrische Landesbund für Vogelschutz die Turteltaube zum Vogel des Jahres 2020.
Jagd auf die Turteltaube
Heute gibt es noch geschätzte 3-6 Millionen Brutpaare in Europa und Russland. Allein in den Mitgliedsstaaten der EU werden 2-3 Millionen Tiere pro Jahr legal erlegt. BirdLife International schätzt die Zahl der zusätzlichen illegalen Abschüsse auf 600.000 allein im Mittelmeerraum. Entweder finden diese in Ländern ohne Jagderlaubnis, außerhalb der erlaubten Jagdzeiten oder mit illegalen Methoden statt. Erlaubt ist die Jagd in Marokko, Mauretanien und in 10 EU-Ländern, darunter Spanien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal und Malta. Die Turteltaube ist die einzige Langstreckenzieherin unter den Tauben Mitteleuropas. In den oben genannten EU-Mitgliedsstaaten dürfen die Tiere während ihrer Herbstreise in die Überwinterungsgebiete legal getötet werden. Ihr Überwinterungsgebiet liegt in der Sahelzone, südlich der Sahara. Die Abschüsse zu Sport- und Vergnügungszwecken bedeuten nicht nur die unmittelbare Gefahr von Verletzung und Tod für die Tiere, sondern auch den Lebensraumverlust durch Störung wegen Lärm. Dieser ist schon knapp: Die Turteltaube muss täglich trinken, jedoch findet sie durch die Klimaveränderungen immer weniger Wasserplätze und Oasen entlang ihrer Flugroute. Über die Zugrouten der Turteltauben ist bisher wenig bekannt. Mit der Besenderung einiger Tiere, durchgeführt vom Naturschutzbund Deutschland, gibt es nun erste Daten. Auf dem Turteltauben-Blog kann die lange und beschwerliche Reise der Turteltauben nachverfolgt werden.
Weder Nahrung noch Lebensraum
Auch in Mitteleuropa kämpft die Turteltaube während den Sommermonaten ums Überleben. Durch den Einsatz von Herbiziden in der industriellen Landwirtschaft findet sie immer weniger Samen von ihrer bevorzugten Lieblingsspeise, den Ackerwildkräutern. Das, was dennoch wächst, ist von Pestiziden verseucht. Auch der Lebensraum für Nistplätze wird weniger. Es fehlt immer mehr an strukturreichen Wald- und Feldränder. In der Schweiz ist die Turteltaube hauptsächlich in klimatisch milderen Gebieten zu finden. Der Bestand wir auf 150-400 Brutpaare geschätzt.
Schutz der Turteltaube
Aufgrund der hohen Gefährdung und dem Druck von Naturschutzorganisationen wurden die Abschussquoten in Frankreich von 80.000 auf 18.000 reduziert. In Malta, wo zusätzlich zur Herbst- auch die Frühlingsjagd erlaubt ist, kam es 2017 zu einer vorübergehenden Aussetzung der Jagderlaubnis. Dennoch sind die Quoten in den EU-Ländern (Spitzenreiter sind Spanien mit 800.000 und Griechenland mit 490.000 zum Abschuss erlaubten Tieren) weiterhin viel zu hoch.
Bleibt zu hoffen, dass das Symboltier der Hoffnung und des Glücks sich ebenso Glück bringt wie den Verliebten und dass sich der Bestand erholen kann. Da es sich um einen Zugvogel handelt, müssen alle Länder an einem Strang ziehen. Es müssten noch mehr Länder die Abschussquoten beschränken oder - noch besser - die Jagd verbieten. Ein Umdenken in der industriellen Landwirtschaft und die Reduktion des Pestizideinsatzes sind, nicht nur für den Erhalt der Turteltaube, sowieso wünschenswert.
Steckbrief: Turteltaube
Lateinischer Name: Streptopelia turtur
Grösse: 26-28 cm lang
Spannweite: 24-50 cm
Gewicht: 100- 180g
Nahrung: Samen
Merkmale: Schlanker Hals, symmetrisch gemaserte Flügel, hellgraue Grundfarbe
Bestand: in CH potenziell gefährdet, 150- 400 Brutpaare
Rote Liste: gefährdet, Bestand in wenigen Jahren eingebrochen
Bedrohung durch: Jagd, Wilderei, Rückgang von Lebensräumen, Nahrungsknappheit durch Herbizide und Pestizide, Wasserknappheit
Besonderheiten: kleinste heimische Taubenart, einzige Langstreckenzieherin unter den Taubenarten Mitteleuropas
Quellen und weitere Informationen:
Nabu: Infomaterial Turteltaube
Nabu: Turtelauben–Blog
Vogelwarte Sempach: Verbreitung in der Schweiz
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