Als Virenschleuder verteufelt - Imageschaden bei der Fledermaus

Auch wenn es leicht fällt, sich vor Ihnen zu fürchten: Nein! Die Fledermäuse sind die falschen Corona-Sündenböcke. Auch wenn es leicht fällt, sich vor Ihnen zu fürchten: Nein! Die Fledermäuse sind die falschen Corona-Sündenböcke.

Obwohl das aktuelle Coronavirus und viele anderer gefährlicher Viren ihren Ursprung in Fledermäusen und Flughunden haben, ist dies noch lang kein Grund, diese faszinierenden Tiere als Schuldige für die aktuelle Krise zu verteufeln. Sie müssen dennoch geschützt werden! 

Es stimmt: Fledertiere, also Fledermäuse und Flughunde, beherbergen mehr zoonotische –von Tier auf Menschen übertragbare- Viren als jede andere Säugertierart. Das bestätigt eine Studie der EcoHealth Alliance in New York.  
Das hat mehrere Gründe. Erst einmal sind 20% aller Säugetierarten Fledertiere. Sie sind weltweit die am weitesten verbreitete Säugetierart. Fledertiere bieten Viren zudem gute Bedingungen für die Verbreitung: Es ist das einzige Säugetier, das aktiv fliegen kann. Sie sind somit sehr mobil, können enorme Distanzen überwinden und die Krankheitserreger über weite Strecken transportieren. Wie kein anderes Säugetier leben die Fledertiere in grossen Gruppen mit Millionen von Individuen auf engstem Raum. Viren können sich so leicht innerhalb der Populationen ausbreiten. 

Einzigartiges Immunsystem 

In der Folge davon besitzen die Fledertiere auch eines der wahrscheinlich besten Immunsysteme in der Tierwelt. Sie können so Überträger von Krankheiten sein, ohne daran selbst zu erkranken. Ihr Geheimnis: Durch ihre hohe Körpertemperatur und einem hohen Gehalt an antiviralem Interferon bleiben sie selbst gesund. Ihr Immunsystem ist hochreguliert und sehr effektiv gegen Erreger.


„Fledermäuse können Viren, die für nicht fliegende Säugetiere hochgradig virulent sind, lange Zeit in sich beherbergen, ohne offensichtliche Krankheitssymptome zu zeigen“ 
Cara Brook, Universität von California  


In der Studie der Universität von Kalifornien verglichen die Forscher die Zellkulturen von zwei Fledertieren, die bekannt sind, Träger von besonders aggressiven Viren zu sein, mit Zellkulturen der Grünen Meerkatze. Die Zellkulturen wurden mit verschiedenen Ebola- und Marburg-Viren infiziert. Dabei zeigte sich, dass die Affenzellen nach wenigen Tagen abstarben, während sich an den Fledertierzellen eine deutliche Verlangsamung der Infektion zeigte. Trotz Infektion liessen sich ausserdem weiterhin gesunde Zellen finden. Die Wissenschaftler erklären die Schutzstrategie des Immunsystems so: Beim ersten Kontakt mit den Viren wird das gesamte System mit dem Botenstoff Interferon-Alpha geflutet. Dies aktiviert die zelluläre Verteidigung und führt zu einer Abschottung der Zellen vor dem Erreger. Gleichzeitig verhindert der Botenstoff eine Entzündungsreaktion und dämpft so die Krankheitserreger ein. Beim Menschen, genauso wie bei den meisten Säugern, fehlt die starke Interferon-Alpha-Ausschüttung und somit die starke entzündungshemmende Immunantwort. Diese antivirale Strategie zu kopieren, würde uns nun aber nichts nützen, sondern eher die Symptome verschlimmern, denn der Botenstoff löst bei uns eine systemweite Entzündungsreaktion aus. 
Fledertiere besitzen also ein besonders effizientes Immunsystem. Sie können die Vermehrung der Viren hochregulieren, ohne dass der Wirt stirbt. Das führt dann andererseits dazu, dass die Virulenz der Viren angekurbelt wird und so besonders aggressive Viren entstehen können. Beim Kontakt mit einem schwächeren Immunsystem – wie dem menschlichen - kann dieses den Erreger nicht ausreichend bekämpfen.  

Wichtige Rolle in den Ökosystemen weltweit 

Problematischer als diese Fertigkeit der Fledertiere ist nun aber ihr zunehmend bedrohter Lebensraum und ihr dadurch verschuldeter, engerer Kontakt mit Wildtieren. Fledertier-Populationen gewaltsam zu regulieren ist der falsche Weg bei der Prävention von zukünftigen Epidemien. Denn andererseits stützen Fledermäuse die biologische Vielfalt und erhalten Ökosysteme aufrecht, indem sie Insekten fressen und Pflanzen bestäuben. Mehr als 500 Pflanzenarten – unter anderem Bananen, Mangos und Avocados – sind auf die Bestäubung von Fledertieren angewiesen. Auch hierzulande sind die heimischen Fledermausarten extrem nützlich: Pro Tag fressen Sie die Hälfte ihres Körpergewichts an Insekten und halten so die Schädlinge und Mücken in Schach. 


„Also es ist einfach nicht so, dass Fledermäuse als Schädlinge anzusehen sind, sondern im Gegenteil: Fledermäuse sind extrem wichtig, beispielsweise um Insekten zu bekämpfen. Und jetzt kann man da natürlich auch gleich wieder eine infektionsmedizinische Diskussion starten: Insekten haben ja auch gefährliche Krankheitserreger.“ 
Prof. Christian Drosten Institut für Virologie, Universitätsklinikum Bonn


Bevor die Viren aus den Fledertieren auch für den Menschen infektiös werden, braucht es zudem meistens einen Zwischenwirt. Bei SARS waren es vermutlich Schleichkatzen, bei MERS Kamele. Das Ebola-Virus stammt von Gorillas und Schimpansen, das Nipah-Virus von Schweinen, das Hendra-Virus von Pferden und das Marburg-Virus von Grünen Meerkatzen. 

Der bedrohte Lebensraum erhöht Gefahr für Zoonosen 

Neue Krankheitserreger treten tendenziell an solchen Orten auf, an denen die Bevölkerung eng zusammenlebt und die natürliche Landschaft verändert wurde. Die Artenvielfalt sinkt und die verbliebenen Tiere begegnen sich im geschrumpften Gebiet häufiger. Die Viren haben dann vermehrt Gelegenheit, die Artenschranke zu überwinden. Wildtiere, die wenig Platz haben, begegnen auch häufiger Menschen. Wenn dann Wildtiere auf Märkten dicht an dicht feilgeboten und verzehrt werden, haben Viren leichtes Spiel, auf den Menschen überzuspringen und Zoonosen auszulösen. 
Tierschützer befürchten jedoch, dass das Image der Fledermäuse als „Virenschleuder“ die Situation der Tiere weiterhin verschlechtert und sie systematisch bekämpft werden könnten.

Keine Angst vor Fledermäusen! 

Eine Untersuchung des Virologischen Instituts der Universität Zürich hat dieses Jahr tausende einheimischer Fledermäuse auf Erreger untersucht. Es wurden keine Viren der aktuellen Corona-Pandemie gefunden. In der Schweiz müssen wir also keine spezielle Angst vor den Fledermäusen haben! Wie für alle Wildtiere gilt: Fledermäuse können grundsätzlich Krankheiten übertragen. Man sollte sie niemals mit blossen Händen anfassen, denn in seltenen Fällen besteht die Gefahr der Tollwut-Übertragung durch einen Biss. Doch auch weiterhin bleiben die meisten der einheimischen Arten vom Aussterben bedroht und stehen unter Schutz! 


„Wer Fledermäuse am Haus hat oder die kleinen Flatterer auf der Jagd nach Insekten beobachtet, muss sich also keine Sorgen machen. Hausbewohnerinnen können problemlos mit Fledermäusen unter einem Dach leben.“
Stiftung Fledermausschutz
 

 

 

 

Quellen und weitere Informationen:
University of California: Viral dynamics in bat cell lines
EcoHealth Alliance: Untersuchung 754 Säugetierarten auf zoonotische Viren
Stiftung Fledermausschutz: Einheimische Arten

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