Der auf ersten Blick unscheinbare Alet (Squalius cephalus) — im Hochdeutschen als Döbel bekannt — wurde vom Schweizerischen Fischerei-Verband (SFV) zum Fisch des Jahres 2021 erkoren. Er ist in fast ganz Europa weit verbreitet und fühlt sich selbst in belasteten Gewässern wohl. Aufgrund seiner Überlebensstärke wird er vom SFV zum Botschafter für die Widerstandskraft der Natur ernannt.
Kräftiger Opportunist
Der Alet gehört zur Familie der Karpfenfische, die mit mehr als 2400 Arten in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika die grösste Süsswasser-Fischfamilie auf der Welt ist. Auch in der Schweiz gehören ihr rund die Hälfte der 70 Fischarten an.
Wie auch andere Arten dieser Familie ist der Alet schlau, widerstandsfähig und kraftvoll. Auf den ersten Blick ist er eher unscheinbar, doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man silbern bis golden leuchtende Schuppen auf seinem Rücken und seinen Flanken, sowie orange bis rötlich gefärbte Bauch- und Afterflossen. Seine Länge und sein Gewicht können je nach Gewässer und natürlichem Nahrungsvorkommen stark differieren: Der grösste je gefangene Alet hatte ein beachtliches Gewicht von 4,2kg und eine Länge von über 70cm. Mit seinem ausgeprägten Geruchssinn, dem charakteristisch breiten Maul und seinen guten Augen hat er selten Mühe, Nahrung zu ergattern. Dabei macht er vor fast nichts halt: Er ernährt sich von Insekten und deren Larven, Krebsen, Schnecken, Muscheln, Würmern sowie Algen und Wasserpflanzen. Bei grösseren Exemplaren stehen auch andere Fische und Amphibien auf dem Speiseplan. Er mag ausserdem Beeren oder Kirschen, die ins Wasser fallen, und wo Vögel mit Brot gefüttert werden, ist der Alet gerne dabei.
Er bevorzugt strömendes Wasser, welches er mit seinen kräftigen Flossen am schlanken Körper durchgleitet. Der Alet kommt aber in Seen und Teichen genauso zurecht.
Kluger Überlebenskünstler
Der Alet kommt dank seiner Anpassungsfähigkeit besser mit zerstörten Gewässerräumen zurecht als die meisten seiner empfindlicheren Artgenossen. Seine Überlebensstärke liegt unter anderem an der Fortpflanzungskultur mit hohen Eierzahlen: Ganze 100’000 Eier legt ein einzelnes Weibchen zur Laichzeit. Der Nachwuchs ist nach dem Schlüpfen auf sich alleine gestellt. Da sich die Larven schnell entwickeln und die Jungtiere sich in Schwärmen fortbewegen, sind sie weniger anfällig für Fressfeinde. Zudem zeigt sich der Alet gegenüber Krankheiten, Parasiten und chemischen Verunreinigungen widerstandsfähiger als andere Fische. Sogar der Klimawandel kann ihm — noch — wenig anhaben, denn er erträgt Wassertemperaturen von mehr als 30°C. Dank seinem natürlichen Misstrauen geht er Berufsfischern und Hobbyanglern nur selten ins Netz bzw. an die Angel.
Botschafter für die sieben Fischsünden
Dennoch ist er nicht immun gegen den Eingriff von Menschen in seinen Lebensraum. Erstens bedrohen Gewässerregulierungen den Bestand des Alet, da sie auf grobkiesige Laichsubstrate mit sauerstoffreicher und schneller Strömung angewiesen sind. In kanalisierten Bach- und Flussläufen können sie sich nicht vermehren. Schlammbildung und starker Sedimenteintrag im Gewässer kann das Schlüpfen der Jungfische verhindern. Viele Schweizer Bäche und Flüsse sind heute weit von ihrem natürlichen Zustand entfernt. Zehntausende Kilometer wurden gestaut, verbaut, trockengelegt oder in Röhren unter den Boden verlegt. Lebensräume, die zur Fortpflanzung, als Kinderstube und Jagdrevier, aber auch als Lebensraum für Nahrung wie Pflanzen oder Insekten wichtig sind, gingen verloren.
Des Weiteren trocknen unzählige Bäche durch masslose Wasserentnahme — u.a. für die Wasserkraftnutzung — aus. Tausende Dämme, Wehre und Schwellen haben wandernde Populationen beeinträchtigt oder ausgelöscht.
Industrie- und Haushaltschemikalien, Pestizide und Medikamentenrückstände haben zu massiven Gewässerverschmutzungen geführt. Diese beeinträchtigen alle Lebensphasen der Fische und der Wasserlebewesen, von denen sie sich ernähren.
Obwohl der Alet derzeit dem Klimawandel noch standhalten kann, ergeht es anderen Fischarten schlechter. Seit den 60er-Jahren hat die Temperatur in Fliessgewässern und Seen um bis zu 7 ̊C zugenommen, was biologische und chemische Prozesse unabsehbar beeinflusst. Kaltwasser liebende Arten werden unwiderruflich verdrängt, lange Trockenperioden und chronischer Wassermangel führen zu Fischsterben.
Die Erwärmung der Gewässer trägt ausserdem zur Vermehrung von diversen Krankheitserregern wie Pilzen, Bakterien und Viren bei. Da sie sich in wärmerem Wasser wohlfühlen, sind sie zahlreicher und ansteckender geworden.
Die Bestände fischfressender Vögel wie Kormorane, Gänsesäger und Graureiher haben in den letzten Jahrzehnten stark von Schutzmassnahmen profitiert. Die Zunahme von Prädatoren hat den Druck auf Fische in vielen Gewässern zusätzlich erhöht. Besonders problematisch sind die Beutezüge in Kleingewässern mit geschwächten Populationen bedrohter Arten. Insbesondere in diesen Kleingewässern könnte sich das längerfristig auch wieder ausregulieren, doch zum Schutz der gefährdeten Arten ist darauf ein Auge zu richten.
Über Jahrzehnte wurden zudem Fische in Gewässer eingeführt, in die sie nicht gehören. Diese invasiven Arten haben die ursprünglichen Arten verdrängt oder sich genetisch mit ihnen vermischt. Dazu kommt die Überfischung: Vor allem in kleinen Fliessgewässern schädigen unverhältnismässige Entnahmen den Bestand.
Quellen und weitere Informationen:
SFV: Der Alet
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