Das Artensterben nimmt alarmierende Ausmasse an. Aber wie können wir ihm entgegentreten? Eine Strategie besteht darin, die Menschen auf die gefährdeten Arten und die Ursachen des Geschehens aufmerksam zu machen. Personen, die darüber informiert sind, welche Pflanzen und Tiere in Gefahr sind, werden eher bereit sein, Massnahmen zum Schutz dieser Arten zu unterstützen. Hier sind die sogenannten Flaggschiffarten von grosser Bedeutung. Ein prominentes Beispiel einer Flaggschiffart ist der Grosse Panda (Ailuropoda melanoleuca), dessen Aktionstag am 16. März begangen wird.
Die Flaggschiffe aller Arten
Eine Flaggschiffart (aus dem Engl. flagship species) bezeichnet im Artenschutz eine prominente, vertraute oder attraktive Tier- oder Pflanzenspezies, die als Botschafter für den Naturschutz eingesetzt wird. Flaggschiffarten sind in der Regel Tiere, die vielen Menschen vertraut sind und eine oder mehrere für uns attraktive Eigenschaften besitzen.
Gängige Beispiele sind neben dem flauschigen und liebenswerten Grossen Panda auch die Tiger, Wale, das Nashorn oder der Eisvogel. Flaggschiffarten machen es den Naturschutzorganisationen einfacher, Unterstützung zu gewinnen, weil die Identifikation mit dem Tier dazu verführt, sich für das Tier und seinen Lebensraum zu interessieren. Hoffnung und Ziel dahinter sind, dabei gleichzeitig auch die Lebensbedingungen vieler anderer Arten zu verbessern, die denselben Lebensraum teilen oder denselben Bedrohungen ausgesetzt sind wie die Flaggschiffart.
Schutz einer Art auf Kosten vieler anderer
Dieser Schutz der Vielen im Kielwasser des Einen funktioniert nur leider längst nicht immer so tadellos wie angestrebt. Tatsächlich gibt es nur sehr wenige Arten, die mehrere typische Merkmale einer Flaggschiffart (Charisma, Bekanntheit, Identifikationspotential, kulturelle Symbolwirkung…) in sich vereinen. Die Konzentration auf Tiere wie Pandas und Tiger als Flaggschiffarten schränkt die Zahl der Arten und Lebensräume ein, die geschützt werden können; denn natürlich wünschen die Spenderinnen, dass das meiste Geld, das für eine Schutzkampagne gesammelt wird, auch für den Schutz dieser Flaggschiffart ausgegeben wird. Das schränkt dann wiederum die Problemstellungen ein, der sich eine Naturschutzorganisation widmen kann. In der Folge bedeutet es, dass andere Arten ungeschützt und - abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit - vom Aussterben bedroht bleiben. Bei diesen ungeschützten Arten handelt es sich in der Regel um kleinere, weniger bekannte Arten, wie z. B. bestimmte Pflanzen oder Insekten, die dann schlimmstenfalls als sogenannte Schlüsselarten einen wesentlich grösseren Einfluss auf die Artenvielfalt und Gesundheit eines Ökosystems hätten.
Panda gerettet, andere Arten vergessen
Genau so geschieht es auch beim Grossen Panda: Dank jahrzehntelanger intensiver Schutzbemühungen wurde das Nationaltier Chinas vor dem Aussterben gerettet. Im Sommer 2021 konnte die chinesische Regierung mitteilen, dass der Pandabär offiziell nicht mehr gefährdet sei. Auch andere, weniger bekannte Arten wie das Sichuan-Takin profitierten von den Schutzbestrebungen. Dessen Population habe sich im Tangjiahe-Nationalpark, einem wichtigen Panda-Schutzgebiet, seit 1986 verdreifacht.
Während einige Arten von den Schutzmassnahmen profitieren, gehören aber mehrere zu den Verlierern. Grosse Raubtiere wie der Leopard, der Schneeleopard, der Wolf und der asiatische Wildhund sind aus den meisten Schutzgebieten verschwunden. Dies belegt eine Studie, die 2020 in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlicht wurde. Seit der Einrichtung von Panda-Reservaten in den 1960er-Jahren sind Leoparden aus 81% der Reservate verschwunden, Schneeleoparden aus 38%, Wölfe aus 77% und asiatische Wildhunde aus 95%.
Ohne Leoparden und Wölfe fürchten zu müssen, können pflanzenfressende Tiere wie Hirsche in grossen Populationen umherstreifen und die natürlichen Lebensräume schädigen, was wiederum Auswirkungen auf andere Wildtiere, einschliesslich der Pandas, haben wird. Das Forschungsteam besteht deshalb darauf, dass ein umfassenderer Ansatz erforderlich ist, um das Ökosystem, in dem der Panda lebt, zu verwalten: Ein Ansatz, der sicherstellt, dass andere wichtige Arten nicht verloren gehen. Wir müssen dafür den Schutz des Grossen Pandas nicht aufgeben. Wir müssen uns nur des Werts auch der vielen anderen, weniger kuschligen Tiere und Pflanzen breiter bewusst werden.
Quellen und weitere Informationen:
Sheng, L. et al. (2020): Retreat of large carnivores across the giant panda distribution range
Smith, R. J. et al. (2012): Identifying Cinderella species: Uncovering mammals with conservation flagship appeal
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