In dieser Jahreszeit verschönern sie uns das Leben besonders: Unsere einheimischen Singvögel. Ob Amsel, Kohlmeise oder Rotkehlchen, ihre Gesänge haben alle ihre individuellen Klangfarben und Melodien. Zusammen bilden sie ein wunderschönes Symphonieorchester und verwandeln unsere Umgebung in einen Konzertsaal. Mit ihren Gesangseinlagen wollen die Vogelmännchen vor allem Weibchen anlocken und fremde Männchen vom eigenen Revier fernhalten. Vermutlich fördert der Gesang bei einigen Arten zudem den Paarzusammenhalt und die Synchronisation des Verhaltens des Paares.
Die inbrünstigen Liebesgesänge der Männchen bleiben in der Regel nicht erfolglos: Nicht lange nach dem Erklingen der ersten Werbegesänge schlüpfen auch schon die ersten Jungvögel. Diese sind nun für eine Zeit völlig von der Versorgung durch die Vogeleltern abhängig.
„Wenn wir ein Vogeljunges anfassen, wird es von seinen Eltern verstossen“
Wenn wir nun eines dieser kleinen Geschöpfe irgendwo alleine auffinden, mag das schon mal unseren Beschützerinstinkt wecken. Doch wahrscheinlich regt sich gleichzeitig auch Unsicherheit, denn über die Bedürfnisse und den richtigen Umgang mit einem Vogeljungen wissen wir meist nur sehr wenig. Vermutlich haben wir als Kind mal gehört, dass man die Vögel auf keinen Fall anfassen dürfe, weil es nachher von den Eltern gemieden wird. Also machen wir lieber gar nichts. Schlimmstenfalls müssen wir dann aber mit ansehen, wie das hilflose Vögelchen von der Nachbarskatze gefressen wird.
Meistens kommen die jungen Vögel jedoch gut selber zurecht und unsere Sorge ist unbegründet. Bei jungen Amseln beispielsweise gehören Entdeckungstouren ausserhalb des Nests zum Erwachsenwerden. Wenn sie ihr Nest zum ersten Mal verlassen, können sie noch nicht richtig fliegen und hüpfen stattdessen in der Gegend umher. Das macht auf uns Menschen einen ziemlich hilflosen Eindruck, ist aber ein Teil des Entwicklungsprozesses und könnte etwa mit dem Krabbeln von Babys verglichen werden.
Junge Amseln verlassen ihr Nest schon bevor sie richtig fliegen können. © Vogelwarte Sempach
Dennoch gibt es auch Fälle, in denen ein Jungvogel auf unsere Hilfe angewiesen ist. Etwa wenn unmittelbare Gefahr droht: Hält sich der Jungvogel beispielsweise in der Nähe und Reichweite einer Katze auf, sollte er aus der Gefahrenzone gebracht und etwa auf einen Busch gesetzt werden. Die Vogeleltern werden ihr Junges auch dann wiederfinden, wenn wir es umplatziert haben. Sie werden es trotz des fremden Geruchs weiter versorgen! Geschieht das nicht, liegt dem etwas anderes zu Grunde, etwa die fehlende Kraft der Vogeleltern.
Manchmal kommt es zudem vor, dass ein Jungvogel zu früh aus dem Nest fällt. Dies erkennen wir daran, dass er dann meist noch kaum Federn hat oder noch nicht umherhüpfen kann. In diesem Fall ist uns der Vogel sicher dankbar, wenn wir Ihn in die nächstgelegene Pflegestation bringen. Selber dürfen wir das kleine Vögelchen nicht aufpäppeln, denn dafür sind sehr viel Fachwissen und eine Bewilligung notwendig.
Aufgefundene Jungvögel werden in Pflegestationen wieder aufgepäppelt. ©Vogelwarte Sempach
Unsere Singvögel besser kennen lernen
Auf jeden Fall lohnt es sich, unsere gefiederten Gartenbewohner besser kennen zu lernen. Versuchen wir doch mal, die verschiedenen Vogelarten in unserem Garten oder vor unserem Haus zu bestimmen. Genau das haben vom 4. Mai bis 8. Mai wieder über 4‘500 Personen in der Schweiz im Rahmen der „Stunde der Gartenvögel“ getan. Die Veranstalterin der Zählaktion, Bird Life Schweiz, ruft jedes Jahr dazu auf, während einer Stunde die Vögel rund ums Haus zu bestimmen und zu zählen. Dieses Jahr wurden so 148‘000 Vögel aus 193 verschiedenen Arten gesichtet und erfasst. Am häufigsten wurde die Amsel gezählt – ein hüpfendes Amseljunges war ja vielleicht auch darunter.
Quellen und weitere Informationen:
Vogelwarte Sempach: Hinaus in die weite Welt
Vogelwarte Sempach: Warum singen Vögel, und wer singt?
Bird Life Schweiz: Stunde der Gartenvögel 2022 - Resultate
Kommentare (0) anzeigenausblenden