Von vielen Zugvögeln wissen wir sehr viel; welches ihre Zugrouten sind, wo sie den Winter verbringen, wann sie uns verlassen und wieder kommen. Von vielen wissen wir aber noch sehr wenig. Um die Lebensbedingungen der Zugvögel auch in den Wintermonaten zu verbessern, ist das Aufspüren der Rast- und Überwinterungsgebiete ein erster wichtiger Schritt. Dies kann für wirkungsvolle, artspezifische Schutzmassnahmen insbesondere auch in Ländern mit instabilen politischen Verhältnissen von Bedeutung sein. Dafür betreibt die Schweizerische Vogelwarte in Sempach (www.vogelwarte.ch) seit Jahrzehnten vielfältige Forschungsvorhaben. Sie erforscht die Zugrouten und Überwinterungsquartiere unserer Zugvögel ebenso wie deren Veränderungen im Laufe der Zeit. Durch welche Umweltfaktoren der Zugablauf bestimmt wird, ist dabei von besonderem Interesse.
In diesen Wochen - teilweise bereits ab Mitte Juli bis spätestens Mitte November - ziehen unsere Sommergäste wieder in südlichere Regionen. Bekannt sind beispielsweise die Flugrouten der Mauersegler von Ende Juli bis Anfang August in das Winterquartier südlich der Sahara, von Störchen von Mitte Juli bis Ende Oktober (Hauptzugzeit: August / September) in den Sahel und Ost- bis Südafrika, Hausrotschwanz anfang September bis November nach Südeuropa und Nordafrika. Aber wohin ziehen beispielsweise Schwalben, Enten oder unsere Singvögel?
Neuste Ergebnisse zeigen jetzt, wo sich die Winterquartiere der Rauchschwalben befinden. Bisher wusste man lediglich, dass die rund zwanzig Gramm schweren, grazilen Rauchschwalben auf ihrer Rückreise in die Heimat das Mittelmeer und die Sahara überqueren. Wo sie aber den Winter verbringen, war bisher nicht bekannt. Deshalb wurde an der Vogelwarte in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule ein „Geodatenlogger“ entwickelt und miniaturisiert. Dieses Wunderding registriert täglich, zu welchem Zeitpunkt der Sonnenauf- und der Sonnenuntergang stattfindet. Daraus lässt sich später der jeweilige Aufenthaltsort des Vogels schätzen. Die nur 0,6 g leichten Geodatenlogger werden auf dem Rücken der Schwalben angebracht und behindern die Vögel kaum.
„Für die Rauchschwalbe ist besonders Nigeria wichtig. Dort existiert ein riesiger Schlafplatz.“
Chiara Scandolara, Vogelwarte Sempach
Im Tessin wurden in den letzten zwei Jahren hunderte Rauchschwalben mit solchen Geodatenloggern ausgerüstet. „Erste Analysen zeigen, dass fast alle Vögel den Winter in der Nähe des Golfs von Guinea verbringen“, sagt Chiara Scandolara, die das Rauchschwalbenprojekt betreut. „Für die Rauchschwalbe ist besonders Nigeria wichtig. Dort existiert ein riesiger Schlafplatz, wo auch Schweizer Schwalben die Winternächte verbringen.“
Dank dieser Technik erhoffen sich die Forscher der Vogelwarte weitere wichtige Erkenntnisse zu den Lebensgewohnheiten verschiedener Vogelarten, um daraus auch Lehren zum Schutz ihrer Lebensräume und damit zum Erhalt der Biodiversität gewinnen zu können.
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