Immer mehr Lebensmittelkonzerne preisen ihre Kunststoffverpackungen heute als besonders ökologisch an, weil sie aus Biokunststoff gefertigt seien. Das Wort „Biokunststoff“ ist hierbei nicht eindeutig definiert: entweder ist damit biologisch abbaubarer oder biobasierter Kunststoff gemeint.
Gemäss europäischer Norm wird ein Plastik als biologisch abbaubar betitelt, sobald er sich innerhalb von drei Monaten zu mindestens 90 Prozent zersetzt. Diese Richtlinie bezieht sich allerdings auf ganz bestimmte Umweltbedingungen, die allenfalls in professionellen Kompostierungsanlagen, keinesfalls aber im Garten oder in der freien Natur herrschen. Zudem verursacht die organische Kompostierung auch Treibhausgase. Im Gegensatz zu erdölbasiertem Plastik lässt sich „biologisch abbaubarer“ Kunststoff kompostieren, d.h. in die Elemente Wasser, Kohlendioxid, Methan und Biomasse zersetzen. Für die organische Zersetzung ist dabei nicht der verwendete Rohstoff, sondern die Struktur des Materials entscheidend; d.h. biologisch abbaubarer Kunststoff wird aus den verschiedensten Rohstoffen hergestellt, unter anderem auch auf der Basis von Erdöl.
Biobasierter Plastik wird hingegen statt aus Erdöl aus Zuckerrohr, Mais, Raps oder anderen stärkehaltigen Pflanzen gewonnen, unterscheidet sich aber im Endstadium kaum von erdölbasierten Produkten und wird auf die gleiche Weise entsorgt bzw. rezykliert. Die Herstellung des Bioplastiks – von der Ernte über die Produktion bis zum Transport – verbraucht viel Energie, weshalb die Ökobilanz für den gesamten Produktionsprozess meist nicht besser ausfällt als bei herkömmlichem Plastik. Der Anbau der betreffenden Kulturen ist in der Regel keinesfalls biologisch, sondern beruht auf Monokulturen, oft sogar auf genmanipulierten Organismen. Das bedeutet, dass biobasierter Kunststoff zwar Erdöl spart, im Prinzip aber nicht umweltfreundlicher ist als herkömmlicher Plastik. Überdies kann auch ernsthaft hinterfragt werden, ob potenzielle Lebensmittel für die Herstellung von Plastik verwendet werden sollen. Nichtsdestotrotz setzen grosse Konzerne wie z.B. Coca Cola, Procter & Gamble und ALDI vermehrt auf das sog. „ökologische“ Material. Dafür dürfte nicht zuletzt auch die zunehmende Erdölknappheit verantwortlich sein. Nebenbei ist die Werbung mit Nachhaltigkeit eine erfolgversprechende Marketingstrategie.
Die Umweltämter der Kantone Zürich, Basel-Stadt und Solothurn haben sich nun gefragt, wie gut sich verschiedene biologisch abbaubare Werkstoffe (BAW) tatsächlich organisch abbauen lassen und ob es aus ökologischer Sicht vorteilhaft ist, solche Produkte zu vergären, statt zu verbrennen. Um diese Fragen zu klären, wurden verschiedene Schweizer Hochschulen und Institute mit einer Studie beauftragt. Hierzu wurden acht auf dem Markt gängige biologisch abbaubare Produkte untersucht. Die Resultate sind ernüchternd: Nur drei der Produkte haben sich während der typischen Verweildauer in einer Biogasanlage überhaupt zu mehr als 75% abgebaut. Am schlechtesten abgeschnitten im Vergärungstest haben die heute bereits relativ weit verbreiteten Materialien aus Polylactiden (PLA) und MaterBi. Die Ökobilanzierung der Entsorgung hat zudem aufgezeigt, dass die Vergärung nur bei einem einzigen Produkt, einem Teller auf der Basis von Palmblättern, ökologisch gesehen überhaupt der Verbrennung vorzuziehen ist. Bei allen anderen Produkten führt die Vergärung nicht zu einem „signifikanten ökologischen Vorteil“. Während bei beiden Entsorgungswegen CO2 freigesetzt wird, funktioniert das Plastik bei der Verbrennung zusätzlich als Energielieferant. Bei der Vergärung wird diese Energie nicht genutzt.Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolien einzupacken. Zitat aus dem Film Plastic Planet
Aufgrund der Resultate der Studie empfehlen die kantonalen Ämter, bioabbaubares Plastik künftig mit dem Restmüll zu entsorgen. Zudem werden die jeweiligen Anbieter dazu angehalten, nicht mehr mit der Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte zu werben. Bereits 2011 wurde in Deutschland gegen die Grosskonzerne Danone, Aldi und REWE Anzeige erstattet, weil sie mit angeblich kompostierbaren Jogurtbechern bzw. Einkaufstaschen aus PLA-basierten Kunststoffen warben.
Der Versuch mit Bio-Kunststoffen gegen die grossen Plastikmassen vorzugehen, ist durchaus interessant, aber zumindest bis anhin offenbar wenig erfolgreich. Die ökologisch sinnvollste Alternative zu herkömmlichem Plastik besteht weiterhin nicht im Ersatz durch Biokunststoffe, sondern vor allem in der Vermeidung von unnötigen Plastikverpackungen und –Produkten.
Weiterführende Links
Vollständige Studie Ökobilanz Entsorgung BAW (pdf)
Medienmitteilung Kanton Zürich, 02.04. 2013
Offizielle Webseite zum Film Plastic Planet
Wissenswertes rund ums Thema Plastik: Plastic Garbage Project
Infoseite zum Thema Biokunststoffe, Plastic Garbage Project
Oekotest-Beitrag: Grün oder doch nicht Grün, April 2012
ARD-Beitrag Bioplastik - gut für die Umwelt?, Sept. 2012
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