Beim Einsturz des „Rana-Plaza“- Gebäudes in Bangladesch, in dem zwölf Textilfabriken ansässig waren, kamen Ende April 2013 über 1100 Menschen ums Leben, weitere 2500 wurden verletzt. Arbeiterinnen hatten bereits vor dem Einsturz auf Risse in den Mauern aufmerksam gemacht, wurden aber ignoriert. Die mangelnde Gebäudesicherheit vieler bangladeschischen Textilfabriken war national und international bekannt: Seit 2005 haben bereits mehr als 1‘700 TextilarbeiterInnen aufgrund von Bränden und Fabrikeinstürzen ihr Leben verloren. Dennoch wurde bis vor kurzem von den allermeisten betroffenen Konzernen nichts gegen die Missstände unternommen...
Erst die jüngste Katastrophenserie fand aufgrund ihres Ausmasses ein enormes Medienecho. Auf den Druck der Öffentlichkeit und diverser Organisationen und Kampagnen hin – u.a. der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC) – haben jetzt über dreissig internationale Modekonzerne, darunter H&M, Inditex (Zara), Benetton, Mango und C&A, ein verbindliches Brandschutz- und Gebäudesicherheitsabkommen unterzeichnet. Damit verpflichten sie sich, regelmässig Gebäudesicherheitskontrollen durchzuführen und öffentlich darüber zu berichten. Zudem sind sie für die Bildung betrieblicher Arbeitsschutzkomitees verantwortlich und müssen sich finanziell an den notwendigen Renovationen und Reparaturen beteiligen. Die Massnahmen müssen umgehend umgesetzt werden. Nachdem der europäische Konzern Metro anfangs nicht unterzeichnen wollte, hat nun auch dieser Moderiese seine Zustimmung zum Abkommen ausgedrückt; Charles Vögele, Tally Weijl, Chicorée und einige amerikanische Konzerne weigern sich indessen immer noch, mitzumachen.
Seit 2005 haben bereits mehr als 1‘700 bangladeschische TextilarbeiterInnen aufgrund von Bränden und Fabrikeinstürzen ihr Leben verloren.
Immerhin: ein Grossteil der internationalen Modekonzerne hat die Vorlage unterzeichnet, wodurch das Abkommen rund 1000 der über 4000 Textilfabriken in Bangladesch direkt betrifft – der Erfolg wird von diversen Organisationen als Meilenstein in der Geschichte der bangladeschischen Textilproduktion bezeichnet. Doch der vermeintliche „Meilenstein“ ist bei genauerer Betrachtung allenfalls ein erster, längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Die Frage, inwieweit die Forderungen des Abkommens künftig tatsächlich umgesetzt werden, ist heute noch unbeantwortet. Obwohl der Text „rechtlich verbindlich“ ist, sind darin keine konkreten Sanktionsmöglichkeiten im Falle der Nichteinhaltung der Vorgaben enthalten. Vor der Katastrophe sind langjährige Anstrengungen, die Unternehmen zu ähnlichen Übereinkommen zu bringen, immer wieder gescheitert... obwohl die Konzerne bestens über den bedenklichen und gefährlichen Zustand der Fabriken informiert waren. Das neue Abkommen bezieht sich zudem ausschliesslich auf die Gebäudesicherheit und bedeutet somit keine Verbesserungen der miserablen Arbeitsbedingungen der meist weiblichen ArbeiterInnen – sie werden weiterhin in stickigen Räumen zu Hungerlöhnen Modebekleidung für den Westen herstellen. Dafür sind die Modekonzerne ebenso verantwortlich wie die bangladeschischen Fabrikbesitzer und Politiker. Für den Konsumenten ist die Lieferkette meist alles andere als transparent: obwohl von T-Shirts für 2.50 Fr. abzuraten sind, garantieren auch höhere Preise in der Regel keine besseren Produktionsbedingungen. Selbst wenn die Kleidungstücke mit „Made in Europe“ beschildert sind, stammen sie oft aus Asien. In Europa werden viele der Stücke allenfalls gewaschen oder nachbehandelt. Abhilfe für den Konsumenten bieten allenfalls die wenigen Textil-Gütesiegel.
Weiterführende Infos
Kampagne für saubere Kleidung / Clean Clothes Campaign (CCC)
Vollständiger Text des Gebäudesicherheits-Abkommens (En)
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