Über das Leiden und Sterben vieler Menschen sowie unendlicher Flüchtlingsströme durch kriegerische Auseinandersetzungen berichten unsere Medien täglich. Dass dabei – durch Bombenabwürfe, Raketentreffer und direkte Waffeneinwirkungen – aber auch grundlegende Infrastrukturen (Gebäude, Strassen, Wasser- und Energieversorgung) zerstört und ganze Landstriche unbewohnbar werden, geht dabei meist unter. Selbst nach den Kriegen leiden viele Völker unter deren Altlasten.
Noch heute werden beispielsweise in Deutschland immer wieder Blindgänger-Bomben gefunden, die ein erhebliches Gefahrenpotential aufweisen. Riesige Mengen an Munition wurden nach dem 2. Weltkrieg in den Weltmeeren versenkt. Etwa 300‘000 Tonnen Senfgas, arsenhaltige Kampfstoffe wie Clark oder das als Blau-Kreuz gefürchtete Adamsit wurden alleine in der Ostsee im Schnellverfahren „dekontaminiert”, indem man die Bomben und Granaten einfach kistenweise in die See kippte.
Das ging lange gut. Jahrzehnte später bringt die Korrosion diese explosiven Altlasten jedoch wieder zu Tage. Dabei werden Nervengifte freigesetzt, Umweltgifte wie Quecksilber und Unmengen an Sprengstoff gelangen so ins Meer und gefährden auf diese Weise Mensch und Umwelt sowohl heute als auch in Zukunft.
Das Problem der Verklappung von Munition in Gewässern besteht nicht nur im Ausland. Auch in Schweizer Seen wurden grosse Munitionsmengen versenkt. Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) schreibt in einem Bericht, dass in Thuner- und Brienzersee und Teilen des Vierwaldstättersees rund 8000 Tonnen Munition und Munitionsrückstände zu finden sind. Das VBS kommt in dem Bericht zum Schluss, dass die Umweltbelastung geringer sei, wenn die Munition in den Seen belassen werde, als wenn sie geborgen würde. Die Studie ergab zwar, dass in den Seen Stoffe nachgewiesen werden konnten, die von der Munition stammen, aber deren Konzentrationen seien so tief, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe. Die Munition werde zudem mit natürlichen Seeablagerungen zunehmend überdeckt, wogegen die Bergung grosse Risiken für das Ökosystem mit sich bringen würde. Ausserdem seien die Organveränderungen der Felchen im Thunersee nicht auf die Munition zurück zu führen.
Ein weiteres Risiko stellen verloren gegangene Atombomben dar. Bis zu 50 Nuklearsprengsätze gelten weltweit als vermisst. Dass eine Atombombe verloren geht und nicht wieder auftaucht, ist keineswegs so selten, wie man hoffen würde. Das amerikanische Verteidigungsministerium hat den Verlust von elf Atomwaffen bestätigt, weiss Otfried Nassauer, Experte für Nuklearrüstung und Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit.
„Insgesamt wird weltweit angenommen, dass bis zu 50 Nuklearwaffen während des Kalten Krieges verloren gegangen sind."
Otfried Nassauer, Experte für Nuklearrüstung
Zum großen Teil liegen die hochgefährlichen Waffen auf dem Grund der Meere. So sank das Atom-U-Boot "Komsomolez" im April 1989 nach einem Brand an Bord auf 1700 Meter Tiefe im Nordmeer; mit ihm zwei Torpedos samt Atomsprengköpfen. Am 22. Mai 1968 war die USS "Scorpion" rund 320 Seemeilen südlich der Azoren mit zwei Nuklearsprengköpfen an Bord verunglückt; das amerikanische Atom-U-Boot sank auf 3300 Meter. Aufgrund der großen Tiefe konnten weder Bewaffnung noch Atomreaktoren der beiden U-Boote bisher geborgen werden. Ein Beispiel aus der neueren Geschichte ist das russische Atom-U-Boot „Kursk“, das im August 2000 in der Barentssee gesunken ist. Es ist das einzige gesunkene sowjetische Atom-U-Boot, das gehoben wurde. Eine weitaus noch grössere Zahl von Atombomben verschwand bei Flugzeugabstürzen über hoher See.
Nicht zu vergessen sind die katastrophalen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt durch Einsätze giftiger Substanzen. Nicht nur im Vietnamkrieg durch das Pestizid „Agent Orange“, sondern auch in den vergangenen Irak-Kriegen wurden nachhaltige Schäden in weiten Landstrichen verursacht. Dort wurde unter anderem Uranmunition eingesetzt, eine Munition, deren Geschossspitzen abgereichertes Uran enthalten. Dieses fällt bei der Anreicherung von Uran für die Atomenergieerzeugung als Abfallprodukt an und ist daher äusserst billig und in grossen Mengen zu bekommen. Das Schwermetall weist eine extrem hohe Dichte auf: 1,7 Mal dichter als Blei. Diese Eigenschaft verleiht dem Geschoss eine sehr hohe Durchschlagskraft. Für diese Waffen sind Panzerungen und Bunker wie weiche Butter, und werden deshalb als Panzerbrecher eingesetzt. Beim Auftreffen entwickeln sie eine enorme Hitze – bis zu 5000 Grad Celsius - und brennen durch die Panzerung hindurch. Erst dann explodieren sie und setzen dabei Giftwolken aus radioaktivem Staub frei. Die giftigen Staubwolken enthalten kleinste Nanopartikel. Uran ist hochgradig toxisch und strahlend. Durch ihren Einsatz ist die Bevölkerung unmittelbar gefährdet; Soldaten und Zivilisten leiden an Nierenschäden, Tumoren, Krebs, und es kommt zu Missbildungen und Fehlgeburten.
Die Atomenergie ist somit eng verknüpft mit der Sicherheitspolitik. Es stellt sich also nicht die Frage, wie durch Sicherheitspolitik die Energieversorgung sichergestellt werden kann, sondern, was die Energieversorgung zur Sicherheitspolitik beitragen kann. Ein konsequenter Ausbau der erneuerbaren Energien wäre eine mögliche Antwort. Kriege, ihre Altlasten und Spätfolgen verursachen erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden, die uns meist wenig bewusst sind.
Weitere Informationen:
Explosivstoffe ruhen im See – Artikel des Berner Landboten vom 21. Februar 2012
Schweizer Armee-Munition bleibt in Seen – Artikel der NZZ vom 3. Februar 2012
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