Kompost sammeln wie zu Grossmutters Zeiten

Mitarbeiter der IG Arbeit auf einer nachmittäglichen Tour zum Einsammeln von Kompost Mitarbeiter der IG Arbeit auf einer nachmittäglichen Tour zum Einsammeln von Kompost

In Teilen der Stadt Luzern wird der Kompost nicht wie herkömmlich mit Traktor oder Lastwagen abgeholt, sondern mit Ross und Wagen. Jährlich sammelt die IG Arbeit so in drei Quartieren ungefähr 360 Tonnen Grüngut. Die Sammlertruppe stösst in der Öffentlichkeit auf viel Sympathie: Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung erhalten einen strukturierten Tagesablauf und leisten einen Beitrag für unsere Umwelt. Umweltnetz-schweiz wagte sich auf den Bock und hat eine Tour begleitet.

„Hü, Hü“, ruft der Kutscher, und die Pferde beginnen zu traben. Die umgebaute Kutsche mit Mulde rollt los. Wir biegen ein in einen Kiesweg, von dem ich gar nicht wusste, dass es ihn gibt. Mit mir auf dem Trittbrett stehen drei Mitarbeiter der IG Arbeit. Sie halten sich fest am Geländer, um nicht herunterzufallen. Die Augen stets offen, halten sie Ausschau nach Gefahren. Während den nächsten 50 Minuten sind wir unterwegs auf der Kompost-Sammeltour in der Stadt Luzern.

360 Tonnen Kompost pro Jahr

Die IG Arbeit ist eine soziale Institution, die Personen mit psychischen Schwierigkeiten, Stellensuchenden und Sozialhilfebezügern einen geschützten Arbeitsplatz bietet. Die Grünabfuhr mit Ross und Wagen ist eines ihrer Projekte. Darin involviert sind 18 Mitarbeiter und drei Betreuer. Jede Woche fährt die Sammeltour fünf verschiedene Routen zwei Mal ab. Das Grüngut wird seit 1987 im Auftrag der Stadt Luzern in den Quartieren Hirschmatt, Neustadt und Bruch eingesammelt. Jährlich kommen so rund 360 Tonnen Kompost zusammen.

Die Arbeiter sind organisiert und motiviert unterwegs. Es scheint, dass jeder seine eigene Aufgabe hat. Sie wirken engagiert, erledigen ihren Job ohne grössere Probleme und harmonieren miteinander. Die Arbeit bringt ihnen Akzeptanz in der Gesellschaft: Polizisten winken zu und Passanten grüssen das Gespann. Wertschätzung erhalten sie auch von den Tieren. Zeigen sie den Rössern Zuneigung, so gibt ihnen das Tier umgehend eine Antwort. „Die Tiere bieten eine ehrliche Spiegelung des menschlichen Verhaltens“, sagt Martin Gamers Sozialpädagoge und Leiter des Projekts.

„Die Tiere bieten eine ehrliche Spiegelung des menschlichen Verhaltens.“
Martin Gamers, Sozialpädagoge bei der IG Arbeit und Gruppeneiter des Projekts

Störfaktor im Strassenverkehr

Die Tour neigt sich mittlerweile dem Ende zu, die Mulde füllt sich heute nur langsam. Die Rösser können maximal ihr Eigengewicht von rund 700 Kilogramm ziehen. Je nach Route und Jahreszeit wird dieses Gewicht knapp erreicht. Die Arbeit hoch zu Ross ist jedoch nicht ungefährlich. Als der Wagen abbiegen will, überholt uns ein rücksichtsloser Autofahrer – um ein Haar wäre es zu einer Kollision gekommen. Es braucht viel Ruhe, Fingerspitzengefühl und einen kühlen Kopf, um die Tour unfallfrei zu meistern. Bauer Heinz hilft zwei bis drei Tage in der Woche in der IG Arbeit als Gruppenleiter aus. Er bestätigt: Die Gefahr im Strassenverkehr habe stetig zugenommen. Die Autos und andere Verkehrsteilnehmer nähmen fast keine Rücksicht.

Weniger Lärm – höherer Arbeitsaufwand

Der Pferdewagen wirkt sympathisch in der Öffentlichkeit, und im Gegensatz zum Lastwagen fallen keine Emissionen an: Weder CO2, noch Lärm oder Abgase. Ebenso leiden die Strassen weniger unter Schäden durch das Gewicht – ein LKW wiegt durchschnittlich 10 Tonnen. Ausserdem trumpft der Wagen in den engen Quartierstrassen auf. Die Pferde bringen aber auch einen grösseren Arbeitsaufwand mit sich. Die Mitarbeiter füttern sie, putzen den Stall, schirren die Tiere an und spannen sie ein. Beim Lastwagen hingegen dreht der Chauffeur den Schlüssel und fährt los. Auch das Fahren und Steuern gestaltet sich bei den Pferden wesentlich schwieriger.

Ohne Auswirkungen auf die Umwelt kommen auch die Pferde nicht aus: Für den Transport des Futters werden auch Schadstoffe in die Umwelt gelassen und Lärm entsteht. Im Gegensatz zum Lastwagen bieten sie den Arbeitern aber eine befriedigende und abwechslungsreiche Beschäftigung. Ausserdem werden die Pferde nebst der Arbeit noch geritten. Die Tiere können zum Teil bis zu ihrem 25. Lebensjahr eingesetzt werden. Die einzige negative Rückmeldung aus der Bevölkerung zur Grünabfuhr mit einer PS: Tiere seien nicht auf der Erde, um dem Menschen zu dienen.

Bildeindrücke unserer Tour mit dem Pferdewagen. Alle Bilder von Silvan Bucheli / umweltnetz-schweiz

Kreislauf ist noch nicht geschlossen

Im Ziel angelangt, wird das Grüngut vom Wagen mit einem Kran in eine Mulde befördert. Von hier aus bringt ein Lastwagen die Grünabfälle in die Biogasanlage. Die Fahrt mit Ross und Wagen ist ein guter Ansatz zu einer emissionsärmeren Gesellschaft; doch noch ist der Kreislauf nicht geschlossen, fossile Energieträger sind noch immer nötig. Vielleicht könnte das Projekt auf andere Bereiche ausgeweitet werden, die Sympathie des Gespanns auch für andere Transporte genutzt werden. Weniger Lärm und Hektik sowie eine bessere Luftqualität würden keiner Stadt schaden – und der Gesundheit und Zufriedenheit schon gar nicht.

Kompostieren – eine gute Sache für die Umwelt

Zu Kompostieren ist ein wichtiger Beitrag zur Wiederverwertung von Rohstoffen. Der Kompost eignet sich zum Verbessern der Bodeneigenschaften (Dünger), zum Rekultivieren von Flächen und zum Gewinnen von Bodensubstraten. Seit mehreren Jahren wird aus Kompost auch Biogas gemacht. Grünabfall ist also keinesfalls wertlos, sondern ein wichtiger Bestandteil des biologischen Nährstoffkreislaufs. Tierische Speisereste gehören dabei nicht in den Kompost; Rüstabfalle von Gemüse und Obst, Kaffeesatz und pflanzliche Speisereste hingegen schon.

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