Vom "enfant terrible" zum Musterschüler: Openairs werden grüner

Viele Menschen verursachen viel Abfall. Das Gurten hat dieses Jahr rund 79‘000 Besuchende angezogen. Viele Menschen verursachen viel Abfall. Das Gurten hat dieses Jahr rund 79‘000 Besuchende angezogen.

Die Openairs sind die “enfants terribles“ der Kulturszene, wenn es um Sachen Abfallproduktion geht. Nach dem diesjährigen Openair Frauenfeld sind 260 Tonnen Abfall liegen geblieben. Doch gibt es inzwischen einige Veranstalter, die wirksame Massnahmen zu nachhaltigerem Eventmanagement verfolgen.

An Openairs scheint das Geld kaum eine Rolle zu spielen. Einwandfreie Zelte, Pavillons, Schlaf- und Rucksäcke werden zurückgelassen – aus Faulheit. Auch der Abfall bleibt oftmals liegen; die Aufräumarbeiten sind ja im Ticketpreis eingerechnet.
Doch seit einigen Jahren tut sich was: Die Veranstalter versuchen ihr Image grüner zu gestalten und nachhaltiger zu agieren. Einige Ansätze von St. Gallen bis Nyon.

Openair St. Gallen

Das Openair St. Gallen engagiert sich seit über zehn Jahren in Sachen Nachhaltigkeit. Als erstes Festival der Schweiz (nach eigenen Angaben) liessen sie 2004 eine Umweltstudie durch eine externe Firma erstellen und beschlossen daraufhin Massnahmen und Monitoringprogramme. 2007 erhielten sie den “Green’n’Clean“-Award der Organisation Yourope, 2009 wurden sie zum “Umwelt-Champion“ von WWF ernannt, 2010 erhielten sie den “A Greener Festival“-Award. Was beinhaltet dieses Umwelt-Konzept?

  • Der gesamte Strombedarf wird aus erneuerbaren Energien gedeckt.
  • Das Verteilen von Flyern/Mustern auf dem Gelände ist verboten.
  • Verwendung von Mehrweg-Bechern sowie Depot auf Geschirr und Besteck.
  • Es muss ein Zeltdepot für jedes mitgebrachte Zelt bezahlt werden. Wenn dieses wieder abgeräumt wird, erhält man den Depotbetrag wieder zurück.
  • Merchandising-Artikel sind Max Havelaar-zertifizierte Textilien; Shirts werden aus Bio-Baumwolle hergestellt. Die Lieferung erfolgt auf dem Seeweg.
  • Werbeblachen werden zu Portemonnaies, Taschen und Necessaires umgenäht.
  • Auf Chemie-Toiletten wird verzichtet, es werden Wasser-Klosetts aufgestellt.
  • Es herrschen Anreize für den Verkauf von regionalen und lokalen Produkten.
  • Auf dem ganzen Gelände wird ausschliesslich Schweizer Fleisch verkauft.

Weiter wird der Abfall getrennt, Vergünstigung auf die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr gewährt sowie eine grosse Menge an Abfallsammelstellen zur Verfügung gestellt.
Seit 2005 konnte so der Abfall, welcher in die Kehrichtverbrennungsanlage gelangt, um 40 % reduziert werden.

Gurten Festival

Nicht explizit als solches definiert, hat aber auch das Gurten Festival in Bern einige Massnahmen zu einem nachhaltigeren Event getroffen. So sind maximal Zweierzelte auf dem Campingplatz erlaubt und keine Pavillons, Blachen oder Campingstühle.
Wer einen vollen Abfallsack beim Verlassen des Geländes abgibt, kann von einem Geschenk profitieren. Zudem werden auch hier Mehrwegbecher mit Depot verwendet. Das Geschirr und Besteck besteht aus nachwachsenden Rohstoffen und wird in der Energiezentrale Forsthaus zu Strom und Wärme verbrannt. Auch auf PET-Flaschen gibt es Depot – dies liegt aber nur bei 0.50 Fr.
Wer mit dem Geschirr- und Becherdepot eine gute Tat vollbringen möchte, kann dieses dem Verein “Sleeper“ spenden, der Berner Notschlafstelle und Gassenküche. Nach dem diesjährigen Festival konnten über 18‘000 Franken gespendet werden.
Das Gurten Festival setzt zudem auf die Pocketbox, einen kleinen, runden Taschenaschenbecher, der gratis abgegeben wird.

Nebst diesen beiden grossen Festivals finden sich auch bei anderen Veranstaltern Hinweise auch nachhaltige Konzepte. So setzt das Paléo Festival in Nyon auf spezielle Veloparkplätze beim Openair-Gelände und verweist auf Carsharing-Angebote, während das Openair Gampel Asylsuchenden einen Erwerb im Abfallmanagement bietet. Bei vielen Veranstaltern ist das Streben nach einer nachhaltigeren Organisation durchaus vorhanden und wird in Zukunft weiter ausgebaut.

Abfall wiederverwerten

Trotz präventiver Massnahmen bleibt einiges an Abfall liegen. So haben sich in den letzten Jahren einige Organisationen gefunden, welche den Abfall auf den Zeltplätzen nach Brauchbaren durchkämmen. Vor allem die Zelte, Schlafsäcke oder Isoliermatten finden noch Verwendung.

So hat im Jahr 2014 die Organisation um Pfarrer Sieber das Festivalgelände des Open Air Zürichs nach Zelten durchsucht, welche den Obdachlosen als Unterkunft für die Sommermonate abgegeben werden können. Der Verein “Stand Up For Refugees“ hat dieses Jahr brauchbare Gegenstände des Openair St. Gallen an Flüchtlinge abgegeben. Die Überbleibsel wurden nach Frankreich gebracht und dort verteilt. Solche Aktionen sind aber sehr zeitraubend und aufwändig. Daher wurde dieses Jahr nur ein Festivalgelände durchsucht. Der Verein “Stand Up For Refugees“ möchte aber in Zukunft eine Zusammenarbeit mit den Veranstaltern anstreben und so eine offizielle Sammel-Aktion durchführen.

Ein anderer Ansatz zur Sensibilisierung für Recycling wählte das Openair Frauenfeld. Aus gefundenen Abfallmaterialien wurden durch zwei junge Künstler zwölf Bilder hergestellt, welche danach versteigert wurden. Der Erlös wird für weitere Recyclingmassnahmen verwendet.

Grosse Festivals wie das Openair St. Gallen zeigen, dass auch der Gedanke von Nachhaltigkeit im Eventmanagement ihren Platz hat. Die Problematik ist nicht vom Tisch, aber wir sehen inzwischen auch zahlreiche Massnahmen, die zu einer Verkleinerung der Abfallberge und zu einem ökologischeren Umgang mit Ressourcen beitragen. Weiter so!

 

Weiterführende Informationen/Quellen:
Openair St. Gallen, Nachhaltigkeitsbericht
Gurten Festival, Infos
Stand Up For Refugees
Nadine Lüscher, Kunst aus Recyclingstoffen

 

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