Die verlängerte Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat sorgte in Deutschland erst kürzlich für heftigen politischen Ärger. Praktisch im Alleingang stimmte der deutsche Landwirtschaftsminister bei einer EU-Abstimmung für die Zulassungsverlängerung von Glyphosat. Auch hierzulande gerät das weltweit am häufigsten eingesetzte Mittel zur Vernichtung von Unkraut immer mehr unter Druck. Jährlich werden in der Schweiz 300 Tonnen Glyphosat ausgetragen. Der Bundesrat und das Bundesamt für Landwirtschaft haben sich gegen ein Glyphosat-Verbot ausgesprochen. Allerdings gilt bereits heute ein Anwendungsverbot in der Nähe von sensiblen Orten wie Gewässern oder Waldrändern.
Glyphosat ist ein Breitbandherbizid
Als erste Firma brachte Monsanto Glyphosat in den siebziger Jahren als Bestandteil des Herbizid-Gemisches „Roundup“ auf den Markt. Glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel werden heute auch von anderen Betrieben hergestellt, beispielsweise das Herbizid „Touchdown“ von Syngenta.
Der Wirkstoff gelangt über die Blätter in die Pflanze und hemmt ein Enzym, das an der Synthese von essentiellen Aminosäuren beteiligt ist. Somit ist Glyphosat kein gezieltes Herbizid, sondern richtet sich generell gegen alle Pflanzen. Deshalb wird es vor der Aussaat von Nutzpflanzen ausgetragen, sodass nur Unkraut abstirbt, ohne die gesäten Pflanzen zu gefährden.
Anwender und Konsumenten sind betroffen
Landwirte und Gärtner sind dem Glyphosat besonders stark ausgesetzt. Für sie ist das Herbizid ein effizientes und vergleichsweise preisgünstiges Mittel zur Unkrautbekämpfung. Die nächstliegende Alternative ist die kostspielige mechanische Unkrautbekämpfung, da es zurzeit keine gleichwertigen chemischen Mittel gibt. Potentielle Ersatzstoffe sind toxischer und/oder weniger wirksam. Ein vollständiges Glyphosat-Verbot würde die Landwirtschaft hart treffen.
Aufgrund des direkten Kontakts mit dem Wirkstoff sind Glyphosat-Rückstände im Körper von Landwirten keine Seltenheit. Doch selbst bei Konsumenten, die nie direkt mit dem Pflanzenschutzmittel in Berührung gekommen sind, konnten europaweit Rückstände im Körper von 44 Prozent der Testpersonen nachgewiesen werden. Auch zwei von zwölf Schweizer Stichproben waren mit Glyphosat belastet.
Die Substanz wird wahrscheinlich über die Nahrung aufgenommen. Das Lebensmittelmonitoring des BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) konnte in 40 Prozent der getesteten Lebensmittel nachweisbare Glyphosatmengen feststellen. Jedoch lagen selbst die am höchsten belasteten Produkte wie zum Beispiel Teigwaren, Frühstücksflocken und Hülsenfrüchte weit unter dem gesetzlichen Grenzwert.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte Bio-Produkte kaufen: Für den biologischen Anbau ist Glyphosat generell verboten
Ist Glyphosat karzinogen?
Immer wieder tauchen neue Gerüchte auf, dass Glyphosat nicht nur Pflanzen etwas anhaben könne, sondern auch die menschliche Gesundheit schädige. Das Unkrautvernichtungsmittel steht im Verdacht, die Fortpflanzungsfähigkeit einzuschränken, Missbildungen herbeizurufen und Krankheiten wie Alzheimer und Diabetes auszulösen. Es wird davor gewarnt, dass Glyphosat Mutationen begünstige und somit Krebs verursache. So stuft beispielsweise die internationale Krebsforschungsagentur IARC Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein - es erhält somit dieselbe Einstufung wie der Konsum von heissen Getränken!
Studien, die einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Gesundheitsrisiken feststellten, gerieten im Nachhinein wegen mangelnder Sachlage oder methodischen Fehlern in Kritik. Trotz des langjährigen Gebrauchs von Glyphosat fehlen aussagekräftige Langzeitstudien. Deshalb sind staatliche Institutionen etwas zurückhaltender: Sie bezeichnen Glyphosat als unbedenklich und nicht-krebserregend. Offiziell ist der Wirkstoff in der Schweiz und in Europa als nicht-karzinogen eingestuft.
Giftige Pflanzenschutzmittel gefährden die Artenvielfalt
Bezüglich der Umweltverträglichkeit von Glyphosat gehen die Meinungen eindeutig weniger stark auseinander: Glyphosat schadet der Umwelt. Es tötet nicht nur Ackerpflanzen, sondern auch wertvolle Wildpflanzen. Ohne Wildpflanzen in Kulturlandschaften fehlt es beispielsweise Insekten und Vögeln an Lebensräumen und Nahrung.
Die Liste der Betroffenen ist lang, denn genau wie andere Pflanzenschutzmittel führt auch Glyphosat dazu, dass die gesamte biologische Vielfalt in Ackerlandschaften abnimmt.
Das Bienensterben - und das Insektensterben allgemein - ist nur der Anfang: Auch für die sonst schon bedrohten Amphibien sind bestimmte Beistoffe von Glyphosatmischungen tödlich.
Neben dem Artenverlust wird Glyphosat auch für den schlechten Zustand der Böden und die Verschmutzung der Gewässer verantwortlich gemacht.
Somit ist die Kontroverse, ob Glyphosat nun gesundheitsschädlich ist oder nicht, eigentlich hinfällig: Nur schon aus Umweltschutzgründen sollte der Wirkstoff verbannt werden. Dabei reicht es jedoch nicht aus, die Problematik auf Glyphosat allein zu reduzieren: Chemische Pflanzenschutzmittel stellen generell ein Risiko für Mensch und Umwelt dar. Ob Herbizid, Pestizid oder Fungizid spielt letztendlich keine Rolle.
Glyphosat: Fragen und Antworten (Bundesamt für Landwirtschaft)
(Öko)Toxikologische Bewertung von Glyphosat
Kommentare (0) anzeigenausblenden