Moose gehören zu den ältesten Lebensgemeinschaften auf der Erde. Hervorgegangen sind sie aus Süsswasseralgen, die vor langer Zeit an Land geschwemmt wurden. Neben der grössten Herausforderung - an Land nicht auszutrocknen -, mussten sich die kleinen Pflanzen damals auch die benötigten Nährstoffe aus der Luft besorgen, denn einen fruchtbaren, humusgesättigten Boden gab es zu dieser Zeit noch nicht. Bis heute sind Moose in der Lage, Nährstoffe - aber auch andere Stoffe - aus der Luft zu binden. Über 16.000 verschiedene Moose sind bekannt. Viele Arten können sich ihren lebensnotwendigen Stickstoff aus der Luft oder aus dem Regen filtern, manche brauchen dauerhaft Feuchtigkeit, andere können sich nach dem Austrocknen regenerieren. Einige Moose können sogar in der antarktischen Kälte oder in Dunkelheit überleben.
Diese ersten Landpflanzen zerfielen auch zu dem organischen Material, das vor Jahrmillionen Jahren in den Mooren zu Kohle und Erdöl gepresst wurde: Erdöl, das heute in den Verbrennungsmotoren für unsere Mobilität sorgt, aber auch voll giftiger Schadstoffe steckt. Vor allem die aus den Dieselmotoren stammenden Stickoxide sorgen für eine hohe Feinstaubbelastung in den Städten und Metropolregionen. Was für Menschen, Tiere und viele Pflanzen schädlich ist, wirkt auf die Moose wie Dünger. In Ammonium ist Stickstoff enthalten, das sich in Form von Ammoniumnitrat im Feinstaub wiederfindet. Die Abgase liefern dem Moos die Stoffe, die es zum Überleben braucht.
Pilotprojekt Mooswand
In einem Pilotprojekt in Stuttgart (Baden-Württemberg) wurden ein Jahr lang natürliche Filteranlagen aus Moos getestet. Versuchsstandort war die Messstelle Neckartor, die seit Jahren massive Grenzwertüberschreitungen für Feinstaub aufweist und als dreckigste Kreuzung Deutschlands gilt. Die getestete Mooswand, bestückt mit dem Grauen Zackenmützenmoos, dem Zypressenschlafmoos sowie dem Frauenhaarmoos, war 100 Meter lang, 300 Quadratmeter groß, 3,6 Tonnen schwer und kostete etwa 500 000 Euro. Unter den erschwerten Bedingungen an einer stark befahrenen Straße im Freien konnten die Moose leider nicht überzeugen: Die Auswertung der Messwerte ergab, dass die Filterwirkung von Mooswänden sich nur auf den unmittelbaren, kleinräumigen Nahbereich beschränkt. Und selbst dort wurden oft weniger als 20% der Schadstoffe herausgefiltert. Die Schadstoff-Konzentration ist vor allem in eng bebauten Straßen sehr hoch, denn die begrenzenden Wände verhindern deren Durchlüftung. Die Mooswände verringern zusätzlich den Verdünnungseffekt durch die Luftbewegungen und könnten somit die Luftqualität lokal sogar noch verschlechtern.
Falscher Standort?
Auch die Pflege der Mooswand stellte sich als schwierig heraus. Der Standort mit seiner Ausrichtung nach Süden und der dadurch verursachten hohen Sonneneinstrahlung liess einen Teil des Mooses trotz Bewässerung und Beschattung absterben. Der Grund dafür lag - neben dem heissen und trockenen Sommer - wohl auch im aufgewirbelten Fahrtwind, der die Austrocknung zusätzlich beschleunigte. Obwohl die Pflanzen sich regenerieren können, muss eine gewisse Feuchtigkeit gewährleistet sein. Als typische Waldbewohner kommen ausserdem die wenigsten Moosarten mit direkter Sonneneinstrahlung zurecht.
Auch wenn Moose anspruchslose Pflanzen sind, brauchen sie optimale Bedingungen, um als Bio-Filter wirken zu können. Die Idee einer Bemoosung von Verkehrsknotenpunkten, um Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide aus der Luft zu filtern, blieb damit in Stuttgart erfolglos. Kritiker führten als weiteren Nachteil den unrealistischen Platzbedarf an. Soll der Bio-Filter einen spürbaren Effekt erzielen, muss die Fläche ausreichend gross sein. Die angebotenen vertikalen Mooswände sind jedoch sehr teuer. Eine Konstruktion von drei auf vier Metern kostet, gemäss einem Hersteller, rund 25.000 Euro. In anderen Städten, wie beispielsweise in Oslo, erzielen Mooswände gleichwohl bessere Ergebnisse.
Neue Idee: Regalkonstruktion
Für Moosenthusiasten war das Scheitern in Stuttgart denn auch kein Grund, an den Stärken der Moose zu zweifeln. Der Erfinder Jürgen Pietsch entwickelte ein patentiertes Regalsystem, das in natürlicher Weise von Luft durchströmt wird. Tatsächlich zeigt es sich als viel effektiver, wenn die Moose in horizontalen Konstruktionen so positioniert sind, dass die schlechte Luft durch die Pflanzen weht. Idealerweise sollte auch ihr Standort direkt dort sein, wo der Feinstaub entsteht. Im Mittelstreifen der Autobahnen oder auf Seitenstreifen anderer vielbefahrener Strassen, inmitten von Kreiseln oder an offen konstruierten Parkhäusern könnten solche winddurchlässigen Moosfassaden gute Dienste tun.
Der Experte nimmt an, dass eine Metropolregion wie Hamburg ungefähr 100.000m2 Fläche benötigt, um so viel Feinstaub zu absorbieren, dass ein deutlicher Effekt nachweisbar würde. Durch die unbeständigen Witterungsverhältnisse ist dies aber nur in Langzeitstudien zu belegen. Die neuen Moosfilter sollen indessen nicht nur besser wirken, sondern auch preisgünstiger als die vertikalen Mooswände sein. Die Kosten für einen Quadratmeter Moosfläche inklusive Bewässerung und Montage sollen 200 Euro betragen. Ebenfalls hat der Ingenieur einen patentierten Indoor-Feinstaubfilter entwickelt. Mit dem Moos sollen Raumobjekte gestaltet werden, die mit einem feinen Wassernebel besprüht werden. Der Feinstaub wird im Nebel und im Moos gebunden. In beiden Systemen steckt Hightech: Sensoren zur Messung der Luftqualität und Feuchtigkeit des Mooses, um die optimale Feinstaubaufnahme zu gewährleisten.
Quellen und weitere Informationen:
SWR: Moosforschung
Stuttgarter Zeitung: Mooswand gegen Feinstaub
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