Um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssen Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt werden. Konkret zwischen 100 und 1000 Milliarden Tonnen bis 2100, was dem Zwei- bis Zwanzigfachen der derzeitigen weltweiten Treibhausgasemissionen pro Jahr entspricht. Forscher weltweit setzen sich deshalb mit Technologien der CO2-Extraktion auseinander. Pioniere in diesem Feld kommen aus der Schweiz: Das Unternehmen Climeworks entwickelt einen „CO2-Sauger“, der das Treibhausgas aus der Umgebungsluft filtert.
CO2-Sauger aus der Schweiz
2009 wurde die Climeworks AG als Spin-off der ETH Zürich gegründet. Im Mai 2017 nahm das Unternehmen die weltweit erste kommerzielle CO2-Filteranlage auf dem Dach der Kehrichtverbrennungsanlage Hinwil (ZH) in Betrieb. Dort werden seither mittels 18 Direct-Air-Capture-Modulen 900 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft abgesaugt. Nach der Filterung wird das CO2 in ein nahe gelegenes Gewächshaus geleitet und als Luftdünger eingesetzt — wodurch es jedoch wieder am Ende in die Atmosphäre gelangt. Die Energie zum Betreiben der Anlage wird direkt aus der Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage gewonnen. Auch in der Getränkeindustrie kommt die Technologie zum Einsatz. Seit 2018 wird das von Climeworks gefilterte und aufbereitete CO2 ausserdem beim Mineralwasserkonzern Valser zur Produktion von kohlensäurehaltigen Getränken verwendet.
Die Schweizer Technologie stösst auch im Ausland auf Interesse. Seit 2017 steht eine ähnliche Anlage in Island, welche mit geothermischer Energie betrieben wird. Dort wird das CO2 in Wasser gelöst und 1000m unter die Erdoberfläche in eine Basaltschicht gepumpt, wo es mit dem Gestein reagiert und sich innerhalb weniger Jahre in Calcit verwandelt. In dieser Form wird das CO2 auch bei Wettereinflüssen oder Feuer nicht mehr freigesetzt. Die Anlage kann derzeit 50 Tonnen CO2 pro Jahr extrahieren — dies entsprich etwa den jährlichen Emissionen eines durchschnittlichen US-amerikanischen Haushaltes. Im August verkündete Climeworks, dass die Anlage erweitert und so künftig bis zu 4000 Tonnen CO2 pro Jahr filtern werden wird.
Im Oktober 2018 nahm Climeworks eine dritte Anlage in Apulien (Italien) in Betrieb. Dort wird CO2 mit Wasserstoff, der mit erneuerbarer Energie aus Photovoltaik produziert wird, zu Methan weiterverarbeitet. Das Methan wird als Treibstoff für Erdgas-LKWs genutzt. Auch hier wird das CO2 wieder in die Luft ausgeschieden. Vermieden wird damit also nur die Mehr-Emission, die durch den Betrieb eines benzinbetriebenen Fahrzeuges anfiele.
Herausforderungen
Dünger, Sprudelwasser, Treibstoff — die Einsatzmöglichkeiten des gefilterten CO2 sind vielfältig. Dies ist aus wirtschaftlicher Sicht vielversprechend — aus ökologischer noch kein Heilsversprechen. Aktuell gibt es noch einige Schwierigkeiten. CO2 direkt aus der Umgebungsluft zu entfernen ist teuer. Derzeit kostet die Extraktion einer Tonne CO2 rund 600 Franken. Hinzu kommt, dass der Betrieb solcher Anlagen viel Energie und Wasser kostet. Eine jüngst im Journal Nature Climate Change veröffentlichte Studie legt nahe, dass solche Negativemissionstechnologien (NETs) bei weiterer Verbreitung eine grosse Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion darstellen könnten. Auch sind sie nur sinnvoll, wenn sie durch erneuerbare Energiequellen gespeist werden.
Wissenschaftler der Akademien der Wissenschaften Schweiz sind deshalb skeptisch. Sie halten fest, dass Technologien zur CO2-Sequestrierung in keinem Fall die Bemühungen um möglichst schnelle Emissionsminderungen ersetzen können. Keine Technologie vermag CO2 schnell genug und in dem erforderlichen Ausmass aus der Atmosphäre zu entfernen, wie es die internationalen Klimaziele vorsehen.
Quellen und weitere Informationen:
IPCC: Global Warming of 1.5°C
Climeworks
Akademien der Wissenschaften Schweiz: Faktenblatt Geoengineering
Fuhrman et al. (2020): Food–energy–water implications of negative emissions technologies in a +1.5 °C future
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