Klimawandel bringt Stadtbewohner ins Schwitzen

: Küstenstädte wie New York sind besonders gefährdet : Küstenstädte wie New York sind besonders gefährdet

Städte tragen zu einem wesentlichen Teil zum Klimawandel bei. Gleichzeitig sind sie durch seine Folgen den grössten Risiken ausgesetzt.

Die Welt wird zunehmend urbanisiert. Schon seit 2007 leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land; 2018 lebten über 4 Milliarden Menschen — das entsprach damals etwa 55 Prozent der Weltbevölkerung — in Städten. Diese Zahl steigt stetig an und wird laut Expertenprognosen im Jahr 2030 rund 60 Prozent erreichen. Obwohl Städte nur etwa 3 Prozent der gesamten Landfläche der Erde einnehmen, sind sie für 80 Prozent des Energieverbrauchs und 70 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Städte sind somit zwar mit die Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels, bergen zugleich aber ein enormes Potenzial für die nachhaltige Entwicklung. Das elfte Sustainable Development Goal (SDG) nimmt sich genau dieser Herausforderung an.


SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden

Das Hauptziel des SDG 11 ist es, „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig“ zu gestalten. Dazu gehören u.a. Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel, die Schaffung öffentlicher Grünflächen und die Verbesserung der Stadtplanung und -verwaltung.
Die wirtschaftliche Rolle von Städten ist bedeutend. Sie erwirtschaften etwa 80 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die UN prognostiziert, dass in den kommenden Jahrzehnten 90 Prozent der urbanen Expansion in den Entwicklungsländern stattfinden wird. Das rasante Wachstum der Städte — eine Folge steigender Bevölkerungszahlen und zunehmender Migration — hat vor allem in den Entwicklungsländern zu einem Boom der Megastädte geführt. Dies führt aber dort zu einer wachsenden Zahl an Slumgebieten, zu unzureichenden und überlasteten Infrastrukturen und Dienstleistungen (z. B. der Müllabfuhr, Wasser- und Abwassersysteme, Strassen und Verkehrswege), zunehmender Luftverschmutzung und Zersiedelung. Durch die Ausdehnung der Städte werden zudem immer mehr Boden und Ressourcen des Umlandes, z.B. Wasser, beansprucht.
Die Konzentration der Bevölkerung in Städten bietet theoretisch die Möglichkeit einer Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zu vergleichsweise geringen Kosten und Emissionsaufwänden pro Kopf, etwa bei der Wiederaufbereitung von Trinkwasser, Heiz- und Stromsystemen, Transportwegen oder der Abfallentsorgung. Städte bieten auch ein grosses Potential zur Begrenzung des Individualverkehrs durch öffentliche Verkehrssysteme. Dieses Potenzial wird bislang jedoch unzureichend genutzt. Das gilt auch für Städte in unseren Breitengraden. Denn Gebäudenutzung sowie Transportsysteme haben einen grossen Anteil am Energieverbrauch. Noch einmal besonders hoch ist dieser in den Randzonen der Agglomerationen durch den Pendelverkehr. In den Kernzonen ist die Mobilität geringer. Die grossen Agglomerationen in ihrer heutigen Form verschmutzen zudem stark die Umwelt, reduzieren die Biodiversität und erschöpfen die natürlichen Ressourcen.

 
Städte besonders stark vom Klimawandel betroffen

Einerseits ist die nachhaltige Entwicklung von Städten entscheidend für die Reduktion des globalen Energiekonsums und der Treibhausgasemissionen, die den Klimawandel vorantreiben. Andererseits ist sie auch wichtig für die Städte und ihre Einwohner selber, die die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen immer stärker zu spüren bekommen. Denn Städte sind durch ihre exponierte Lage und die hohe Konzentration von Menschen und Infrastrukturen stark durch den Klimawandel gefährdet, wobei Küsten- und Hafenstädte besonders betroffen sind. Die Anfälligkeit von Grossstädten gegenüber Naturkatastrophen ist auch bei solider Baustruktur hoch. Das hängt an der hohen Siedlungsdichte und an der Abhängigkeit von anfälligen und vernetzten grosstechnischen Systemen — vor allem der Stromversorgung. Diese Tatsache wurde erst kürzlich wieder deutlich, als in Texas Anfang dieses Jahres die gesamten Strom- und Wasserinfrastrukturen aufgrund einer Kältewelle und eines Windsturmes zusammenbrachen — und vier Millionen Menschen tagelang ohne Strom und Wasser bei eisiger Kälte ausharren mussten.
Als „Hotspots der Verwundbarkeit“ gelten zudem an Flussmündungen gelegene Megastädte wie Bangkok, New York, Shanghai, Tokio und Jakarta. Diese Städte werden in den kommenden Jahrzehnten verstärkt von den Folgen des Klimawandels betroffen sein, u.a. von der Zunahme von Hurrikanen und Sturmfluten.

Heute leben fast eine halbe Milliarde Menschen in küstennahen Städten. Über die Hälfte der Städte mit mehr als acht Millionen Einwohnern liegen an der Küste. Diese Menschen müssen sich vor dem Anstieg des Meeresspiegels fürchten, denn sie sind in Verbindung mit der hohen Bodenverdichtung, Grundwasserentnahme und den der Erdkruste aufliegenden Lasten von Hochhäusern zunehmend von Überflutung bedroht. Am schnellsten senkt sich der Boden in Jakarta (jährlich um bis zu 25 Zentimeter), wo schon bis zu vier Millionen Menschen unter dem Meeresspiegel leben.

 Nicht nur Naturkatastrophen geben Stadtbewohnern Grund zum Schwitzen, sondern auch die Erderwärmung selber. Die durchschnittliche Temperatur erhöht sich in Städten und Agglomerationen nachweislich schneller als auf dem Land. Chinesische Klimaforscher haben in Ostchina die monatliche Oberflächentemperatur zwischen 1981 und 2007 anhand der Daten von 463 Wetterstationen in Metropolen mit über einer Million Einwohnern, Grossstädten, Mittleren Städten, Kleinstädten und auf dem Land ausgewertet. Sie fanden, dass städtische Wärmeinseln 24 Prozent zur durchschnittlichen Erwärmung beitragen, in Metropolen und Grossstädten sind es sogar 44 bzw. 35 Prozent. Weitere Beispiele: In Mexiko-Stadt erhöhte sich die durchschnittliche Temperatur innerhalb von nur 10 Jahren um 2°C und die Rekordhitzewelle in Europa in 2003 mit über 70’000 Todesopfern traf besonders die Städte.


Städte kämpfen — aber die Zeit drängt

Immer mehr Städte verpflichten sich, Bäume zu pflanzen, Dieselfahrzeuge zu verbieten und zu erneuerbaren Energien zu wechseln. In Indien beispielsweise litten noch 2016 die Bewohner der Megastadt Indore unter hoher Belastung durch giftige Abgase und Exkremente in den Strassen. 2018 avancierte Indore zu Indiens sauberster Stadt — dank ambitioniertem Abfallmanagement, finanziert von öffentlichen und privaten Partnern, sowie Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene.
Trotz der bisherigen Erfolge können es sich die Städte nicht leisten, Zeit zu verlieren. Ein Bericht der Koalition für Urbane Transitionen (CUT) warnt, dass nur ein sehr kleines Zeitfenster offensteht. Die Stadtentwicklungspläne für Transport, Infrastruktur, Energieversorgung und Gebäudeverwaltung, die heute angegangen werden, wirken noch Jahrzehnte nach — und entscheiden darüber, ob der Kampf gegen den Klimawandel gewonnen werden kann oder nicht.


Quellen und weitere Informationen:
UN: SDG 11
UNDP: SDG 11
Der Bund (28.02.2016): Energieverbrauch in der Stadt tiefer als in der Agglomeration
Heinrich Böll Stiftung: Küsten: Leben in der Risikozone
CUT (2019): Climate Emergency — Urban Opportunity

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