Nachhaltige Entwicklungsziele: Drei, zwei, eins…

Um unsere hochgesteckten Klimaziele zu erreichen, ist es höchste Zeit für Handlungen!  Um unsere hochgesteckten Klimaziele zu erreichen, ist es höchste Zeit für Handlungen!

Die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN sind hochgesteckt, divers und komplex miteinander vernetzt. Vielleicht zu komplex? Daraus ergibt sich aber auch die Chance, über einzelne Hebel weitläufige Effekte zu erzielen.

Zwei Dinge liessen sich feststellen, während wir über die letzten Wochen den Sustainable Development Goals (SDG), den Nachhaltigen Entwicklungszielen nachspürten. Einmal, dass sich die Vereinten Nationen nicht lumpen liessen, als sie sie samt all ihren vielen Unterzielen formulierten: Die Entwicklungsziele sind – der Komplexität des Nachhaltigkeitsgedankens und der angetroffenen Problemlagen gemäss – ambitioniert und weitläufig und behalten die diversen Vernetzungen der globalen Ökonomie, Politik und Ökologie durchwegs im Blick. Verbesserungsmöglichkeiten bieten sich natürlich immer, und auch über die Gewichtungen der Ziele lässt sich zwischen Interessengruppen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Umweltschutz trefflich streiten. Doch insgesamt beweist sich der grosse Wurf als erstaunlich konsensfähig. Zweitens aber bleibt zu beklagen, wie wir in seiner Umsetzung dem Fahrplan nahezu ausnahmslos – und gelegentlich beträchtlich – hinterherhinken.  

Ein Segen und ein Fluch zugleich

Der Fluch hoher Ziele ist ja: Sie lassen sich auch schwerer erreichen. Der Segen: Möglicherweise sind die erzielten Erfolge beim Nichterreichen hoher Ziele grösser, als es jene Erfolge gewesen wären, die sich über das Erreichen von moderateren Zielen verwirklicht gefunden hätten. Leider lässt sich letzterer Trost nur unvollständig auf die SDG’s übertragen, denn die hier angestrebten hohen Ziele sind zugleich auch existenzielle. Schaffen wir es nicht, die Klimaerwärmung auf möglichst unter 2 Grad Celsius zu beschränken, so dürften die Folgen nicht nur der „Natur“, sondern vor allem auch der Menschheit ausgesprochen schlecht bekommen. Darüber hinaus sind alle anderen der 17 Nachhaltigkeitsziele untrennbar miteinander verbandelt: Die einen lassen sich ohne die Verwirklichung der anderen kaum bewerkstelligen, und vice versa. Daraus folgt Unübersichtlichkeit – und möglicherweise ein Gefühl der Überforderung? 
Dies kann allerdings gemildert werden, indem wir uns anschauen, welche Fortschritte wohl die umfassendsten Effekte auf die umgebenden Nachhaltigkeitsbemühungen zeitigen. Da kristallisieren sich schnell einmal zwei Transformationskräfte heraus, die sich als übergreifend wirkmächtig auf die verschiedensten Einzelziele auswirken: Die weltweite Förderung der Bildung (SDG 4) und die Gleichstellung der Geschlechter (SDG 5). Oder, noch enger zusammengefasst, die Bildung der Frauen.

Wo frau hinhaut, wächst Gras

Frauen, so stellt sich heraus, sind besonders umwelt- und klimabewusst. Für die Schweiz beispielsweise liess sich diese Tendenz – die sich sonst eher als ein Bauchgefühl manifestiert – in einer Erhebung von 2019 signifikant nachweisen. Ausser betreffs der Bewertung der Umweltqualität allgemein, die bei Männern und Frauen ungefähr übereinstimmend ausfiel, zeigten sich die Frauen sowohl in ihrem Bewusstsein und ihrer Akzeptanz von Umweltgefahren wie auch in ihrem Willen zur tätigen, umweltschonenden Handlung problembewusster als die Männer. Sie reden öfter über Umweltthemen, greifen öfter zu Bioprodukten, recyceln konsequenter, fühlen sich von Umweltbelastungen stärker gestört und kaufen energiesparendere Elektrogeräte. 
Die Erklärungen, woran das liegen mag, reichen von biologistischen Begründungen – der naturgegeben „behütenden, empfindsamen Frau“ – bis zu Schlussfolgerungen bezugnehmend auf die psychologischen und sozialen Folgen der tradierten, binären Geschlechterrollen. Es ist damit also zwar noch nicht gesagt, dass die besondere Umweltverbundenheit der Frau bestehen bliebe, wäre die Gleichstellung der Geschlechter weltweit vollzogen. Doch das muss uns vorerst auch nicht kümmern: Vor dem gegenwärtigen Hintergrund lässt sich festmachen, dass Klima- und Umweltschutz von der Ermächtigung der Frauen, von ihrem verstärkten Zugang zu Bildung, Entscheidungsmacht und wirtschaftlichem Einfluss übergreifend gestärkt werden. Und tatsächlich bestätigt sich das, wenn es speziell auch im Globalen Süden auffällig oft Frauen sind, die sich – trotz aller damit einhergehenden Widerstände und Gefahren – als besonders tatkräftige und sendungsstarke Vorreiterinnen des aktiven Natur- und Klimaschutzes hervortun. 
Auch wer bezüglich einer Lösung der anstehenden Krisen eher auf die Beschränkung des Bevölkerungswachstums abhebt, findet hier den passenden Hebel. Gebildete und ermächtigte Frauen gebären weniger Kinder. Dieser Effekt zeigt sich universell, seine Wirkung ist enorm – und träte weitgehend ohne staatliche, regulierende Eingriffe mit ihren unliebsamen Nebenwirkungen ein. 
Derweil: Die meisten Effekte dieser Entwicklungsmassnahmen kommen wohl erst mittelfristig zum Tragen, während etwa die Klimakrise eine dringliche bleibt. Sie zielen zudem verstärkt auf den Globalen Süden, während die Motoren der Umweltzerstörung in den Industriestaaten stampfen. Wo können wir also unmittelbar selbst etwas verändern?

Das Fleisch. Immer wieder das Fleisch.

Man mag es schon gar nicht mehr sagen, so oft tönt es einher. Muss man aber. Wir könnten uns alle besseren Gewissens so allerlei Wohltaten gönnen, würden wir uns nur im Konsum von Tierprodukten einschränken. Die Auswirkungen der industriellen Nutztierhaltung greifen weit in die verschiedensten Nachhaltigkeitsbelange aus: Sie ist emissions- und ressourcenintensiv, setzt Biodiversität und Ökosysteme zu Land und zu Wasser immens unter Druck, laugt wertvolle Bodenflächen aus und gefährdet durch ihren Futtermittelbedarf unsere Ernährungssicherheit. Mal ganz abgesehen davon, was sie an Tierleid verschuldet. Dazu treten vielerlei weniger naheliegende Probleme. Oder wer ahnt schon, dass die überwiegende Ursache des Feinstaubs, gegen den wir bislang so ergebnislos ankämpfen, nicht im Verkehr, sondern in der Agrarwirtschaft zu finden ist? Und zwar spezifisch in der Nutztierwirtschaft, namentlich in den Zersetzungsprozessen von Gülle. Im Gegensatz dazu dürfte mittlerweile auf breiter Front angekommen sein, wie die ausufernde Tierhaltung uns (direkt oder indirekt über die Verdrängung von Wildtieren) stetig mit immer neuen Krankheiten beliefert. Gemein dann, wie sie gleichzeitig deren Behandlung mittels Antibiotikaresistenzen sabotiert… 
Tatsächlich dürfte der Konsum von Tierprodukten jener Luxus sein, den wir uns auf unserem Planeten am wenigsten leisten können. Er ist dadurch aber zugleich die sicherste Handhabe zur signifikanten Veränderung. Diese fällt offensichtlich schwer, obwohl die Einsicht bereits in vielen Köpfen gereift ist. Momentan scheint die verbreitete Methode, mit der resultierenden Diskrepanz umzugehen, in der Feststellung zu bestehen, man habe den eigenen Fleischkonsum ja bereits reduziert. Die Zahlen sprechen indessen eine andere Sprache. Ein Rücklauf der diesbezüglichen Umsätze zeigt sich in der Schweiz seit Jahren allenfalls marginal; mit einem erneuten Wachstum im Corona-Jahr 2020. Bio-Fleisch bleibt weiterhin ein Nischenmarkt. Um sich hier von der persönlichen Mitverantwortung ein realistisches Bild zu machen, empfehlen wir jetzt einfach mal, ein paar Wochen lang aufzuschreiben, was man am Tag tatsächlich an Tierprodukten konsumiert hat - inklusive der kleinen Happen zwischendurch: Dem Sandwich, der Bouillon, dem Fleischaufstrich, dem Stück Pizza, dem Caesar Salad…  
 
Die Sustainable Development Goals sind hohe, vielleicht auch einschüchternde Ziele, deren Umsetzung im gewünschten Massstab gewiss erstrangig Politik und Wirtschaft obliegt. Doch die Politik, die Wirtschaft: Das sind dann halt doch auch wieder nur wir. 

Quellen und weitere Informationen:
UN: The 17 Goals
Omnibus-Erhebung 2019: Umweltqualität und Umweltverhalten
IASS Potsdam: Landwirtschaft, Ammoniak und Luftverschmutzung
Agrarbericht 2020: Fleisch und Eier

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Kommentare (1) anzeigenausblenden 

0 #Uwe Scheibler2021-05-25 16:25
Das "vergessene" Nachhaltigkeitsziel

Schon bei der ersten Publikation der fast rein anthropozentrisch begründeten SDG war klar, dass ein wichtiges Ziel fehlte, nämlich die Steuerung der Bevölkerungsgrösse. Davor hat man sich aus politischen Gründen gescheut, obwohl es keiner Diskussion bedarf, dass - bei welcher Lebensweise auch immer - eine grössere Bevölkerung immer auch grössere Ansprüche an das System Erde darstellt. Die Umweltbelastung ergibt sich eben aus der Summe der Ansprüche und hier ist die Bevölkerungsgrösse ein Faktor, den man nicht einfach ungestraft verschwinden lassen kann.
Beim Fleischkonsum zeigt sich das beispielhaft. Wichtig ist hier die Voraussetzung, dass ökologische und ethische Argumente sauber getrennt werden müssen. Dann spielen nämlich sofort die konkreten Mengenverhältnisse eine Rolle. Nimmt man einen regional angepassten, ernährungsphysiologisch vernünftigen Verbrauch an, dann liegt dieser zum Beispiel für Europa und Nordamerika höchstens bei einem Viertel der heute konsumierten Menge. Wenn diese Menge dann wenigstens im Bio-Standard produziert werden müsste, dann bräuchte es für diese Regionen noch einen Rückgang der Bevölkerung um ca. 1/3. Damit wäre die heutige industrielle Tiermästerei und schlächterei dann nur noch eine historische Altlast.
Über einen Zeitraum von 3-4 Generationen liesse sich die Bevölkerungsgrösse ohne repressive Massnahmen auf das erwünschte Mass senken und die sozialen Probleme wären bewältigbar.
Es geht eben nicht nur um Fleisch, es geht auch um Häuser, um Autos, um Energie und so weiter.
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