Mikroplastik in Gewässern und im Erdboden — das ist eine bereits gut bekannte globale Umweltkatastrophe. Nun soll es auch noch von oben auf uns herunter rieseln? Genau das untersucht ein Forschungsteam unter der Leitung von Dominik Brunner von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa). Die Wissenschaftlerinnen haben auf dem Gipfel des Österreichischen Bergs «Hoher Sonnenblick» täglich zur selben Zeit eine Probe der obersten Schneeschicht genommen. Die darin enthaltenen Plastikteilchen wurden mittels eigenem chemischem Verfahren gezählt und zusätzlich mit Wetterdaten abgeglichen. So können die Forschenden nicht nur die Menge des Plastiks, das pro Jahr auf die Alpen „schneit“, sondern auch dessen Herkunft abschätzen.
43 Trillionen Plastikteilchen im Anflug
Gemäss der Studie verbreitet sich Nanoplastik — Teilchen in einer Grösse von 1-1’000 Nanometer, also kleiner als der bekannte Mikroplastik — über die Luft teilweise über 2’000 Kilometer weit. In der Schweiz landen jährlich etwa 43 Trillionen feinste Plastikteilchen. Wie viele es genau sind, darüber ist sich die Forschung noch uneins. Aber gemäss Schätzungen aus der Studie könnten es bis zu 3’000 Tonnen Nanoplastik sein, mit denen die Schweiz jährlich von den abgelegenen Alpen bis ins urbane Unterland überzogen wird.
Nanopartikel stammen aus Städten — und aus dem Meer
Der grösste Ausstoss an Nanoplastik geschehe laut den Forschenden in dicht besiedelten, städtischen Gebieten. So stammen etwa 30% der gemessenen Nanoplastik-Teilchen aus einem Umkreis von 200 Kilometern, vorwiegend aus Städten. Doch selbst Plastik aus den Weltmeeren gelangt offenbar über die Gischt der Wellen in die Luft und wird durch den Wind ins Binnenland getragen: Etwa 10% der in der Studie gemessenen Teilchen wurden von Wind und Wetter die rund 2’000 Kilometer vom Atlantik her auf den Berg geweht.
Mikroplastik entsteht im Alltag
Es wird geschätzt, dass bisher über 8’300 Millionen Tonnen Plastik weltweit erzeugt worden sind. Mehr als 60% davon sind heute Abfall, der durch Witterungseinflüsse in immer kleinere Teile zerfällt.
Doch weggeworfenes Plastik ist bei weitem nicht die einzige Quelle dieser Nanopartikel. Durch den alltäglichen Gebrauch von Plastik-Produkten wie Verpackung und Kleidung aus Kunststofffasern werden weitere Mikro- und Nanoplastikpartikel freigesetzt.
Nanopartikel seien so klein und leicht, dass sie sich am ehesten mit Gas vergleichen liessen, erläutert die Empa-Studie. Bisher sei noch unklar, ob diese Art der Luftverschmutzung eine Gefahr für die Gesundheit darstelle. Nanoplastik sei aber klein genug, um tief eingeatmet zu werden und womöglich sogar in den Blutkreislauf zu gelangen.
Die Studie ist wissenschaftliches Neuland, denn die Verbreitung von Nanoplastik durch die Luft ist bis heute weitgehend unerforscht. Im Resultat liefert sie die genauste Erfassung der Luftverschmutzung durch Nanoplastik, die jemals durchgeführt wurde. Laut Empa-Forscher Bernd Nowack wüsste man zwar, dass Mikro- und Nanoplastik fast überall vorhanden sind. Aber ob das gefährlich sei, müsse erst noch erforscht werden.
Quellen und weitere Informationen:
Empa (28.01.2022): Medienmitteilung
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