Zirpen, Pfeifen, Pochen: Die Klänge der Natur können Aufschluss über die Artenvielfalt geben — und auch über etwaige Umweltzerstörungen. Den Symphonien der Natur lauschen Bioakustikerinnen und -akustiker, die sich auf die Erforschung der Naturgeräusche spezialisiert haben.
Weshalb lauschen wir der Natur?
Die Bioakustik bezeichnet eine Teildisziplin der Verhaltensbiologie, die sich vor allem der Erforschung von Tierstimmen verschrieben hat. Der Begriff wurde 1942 durch den deutschen Biologen Albrecht Faber eingeführt und etablierte sich in den 1950er-Jahren. Mittels spezieller Aufzeichnungs- und Auswertungsgeräte werden Lautäusserungen, aber auch biologische Vorgänge wie Bewegung, Atmung und gar kleinste Druck- und Spannungsänderungen im Körper von Tieren aufgezeichnet und analysiert. Daraus lassen sich Rückschlüsse zur Biodiversität und Taxonomie in einem bestimmten Gebiet ziehen. Zeitgleich lassen sich hochentwickelte Kommunikationssysteme bei Insekten und Wirbeltieren untersuchen sowie die Körperfunktionen von einer Vielzahl an Lebewesen erforschen.
Mithilfe der Bioakustik lassen sich nebst Tieren auch biologische Prozesse von Pflanzen erforschen. In einer Reihe von wissenschaftlichen Studien, die zwischen 2013 und 2016 veröffentlicht wurden, hat Dr. Monica Gagliano von der University of Western Australia die Wissenschaft um die Bioakustik von Pflanzen erweitert. Gemessene Schallemissionen von Pflanzen geben beispielsweise Aufschluss über deren Wachstums- und Keimungsraten.
Die Klänge des Bodens
Eine neue Forschungsrichtung innerhalb der Bioakustik, die als Bioakustik des Bodens bekannt ist, beginnt immer mehr Anhänger zu finden. Eine wachsende Zahl von Biologinnen erfassen die Geräusche des Bodens, um ein Fenster in diese komplexe Welt zu öffnen. Und je intensiver die Forscherinnen lauschen, desto deutlicher wird, wie sehr der Boden unter uns vor Leben strotzt.
Jeder Bodenorganismus produziert seinen eigenen Klangteppich. Larven, die Wurzeln fressen, geben kurze Klicklaute von sich, wenn sie ihre Mahlzeit verzehren. Würmer rascheln, wenn sie durch Tunnels krabbeln. Das tun auch Pflanzenwurzeln, wenn sie sich an Erdkörnern vorbeischieben, wie Schweizer Forscher bereits im Jahr 2018 berichteten. Allerdings bewegen sich die Wurzeln langsamer als die Würmer und in einem gleichmässigeren Tempo. Durch die Unterscheidung dieser Geräusche wird die Bodenakustik bald Licht auf bisher unbeantwortete Fragen werfen, zum Beispiel: Wann wachsen Pflanzenwurzeln? In der Nacht? Tagsüber? Nur wenn es regnet?
Die Artenvielfalt ist laut
Die Geräuschkulissen der Natur lassen Forscherinnen den Zustand von Ökosystemen als Ganzes bewerten. Forscher der Michigan State University und der Queensland University of Technology beispielsweise setzten akustische Probenahmen erfolgreich ein, um den Zustand fragmentierter Eukalyptuswälder in der Umgebung von Brisbane, Australien, zu ermessen. Durch den Abgleich der Geräuschkulisse mit herkömmlichen ökologischen Daten – wie der Anzahl an Bäumen und dem einheimischen Artenreichtum – stellten sie fest, dass die Grösse der Waldflächen und ihre Vernetzung die akustischen Signale — und somit die Artenvielfalt — massgeblich beeinflussen.
Bioakustik im Naturschutz
Akustische Proben können als Massstab für die biologische Vielfalt und den Zustand des Ökosystems dienen und so Naturschützerinnen dabei helfen, geeignete Schutzbemühungen zu implementieren.
Die Naturschutzorganisation Nature Conservancy setzt die Bioakustik bereits seit 2015 Daten ein, um die Auswirkungen ihrer Schutzbemühungen in Papua-Neuguinea zu beurteilen. Die Landwirtschaft ist eine wesentliche Ursache des Waldverlustes in Neuguinea, weshalb Nature Conservancy mit 11 Gemeinden zusammenarbeitet, um bestimmte Gebiete des Landes für die Dorfentwicklung, die Landwirtschaft und den Gartenbau, die Jagd, die allgemeine Waldnutzung und den Naturschutz zuzuweisen. Im Vergleich zur Feldarbeit vor Ort ist die Bioakustik relativ kostengünstig und liefert aussagekräftige Erkenntnisse über den Naturschutz, denn sie liefert Unmengen von ökologischen Daten in kürzester Zeit.
Quellen und weitere Informationen:
Lacoste, M. et al. (2018): Listening to earthworms burrowing and roots growing — acoustic signatures of soil biological activity
Tucker, et al. (2014): Linking ecological condition and the soundscapes in fragmented Australian forests
ScienceDaily (3.1.2019): Forest soundscapes monitor conservation efforts inexpensively, effectively
Burivalova, Z. et al. (2017): Using soundscapes to detect variable degrees of human influence on tropical forests in Papua New Guinea