Im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft 2022 in Katar gab es viele Diskussionspunkte. Neben dem Zeitpunkt (November und Dezember, da es im Sommer zu heiss ist) stehen unter anderem Menschenrechtsverletzungen im Land und die Arbeitsbedingungen während des Stadion-Baus in der Kritik. Ein weiterer Aspekt, der – neben allen anderen – auch zu Kontroversen führt, ist die versprochene Klimaneutralität der Veranstaltung.
Nachhaltigkeitsstrategie der WM
Die Veranstalter erstellten zusammen mit der FIFA ein 56-seitiges Dokument zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Darin wird der Weg zur versprochenen klimaneutralen Weltmeisterschaft aufgezeigt. Sowohl soziale als auch ökologische, ökonomische, politische und menschenrechtliche Aspekte werden berücksichtigt. Konkrete Umsetzungsvorschläge im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit umfassen: Eine nachhaltige Bauweise der Stadien und deren Folgenutzung, die Reduktion und Kompensation der CO2-Emissionen, die Vermeidung von Luftverschmutzung und die Minimierung des Wasserverbrauchs und der Abfallmenge. Im Vorfeld der Veranstaltung gaben die Organisatoren bekannt, dass sie mit einem CO2-Ausstoss von 3.6 Megatonnen rechnen, diese aber mittels Klimazertifikaten komplett kompensieren würden.
An der Umsetzung hapert es noch
Für die Spiele braucht es 8 Stadien, 7 davon wurden extra für diese Weltmeisterschaft gebaut. Weitere Infrastrukturen, darunter ein Flughafen, wurden ebenfalls nur für die Gross-Veranstaltung aus dem Wüstensand gestampft. Da man allgemein davon ausgeht, dass diese Bauten im Nachhinein kaum mehr genutzt werden – auch in bevölkerungsreicheren Ländern war das bereits das Schicksal solcher Neubauten – kritisiert man hier die Verschwendung von Bauressourcen. Von Seiten der Veranstalter wurden zwar Ideen für die Nachnutzung formuliert, konkrete Pläne liegen allerdings noch nicht vor. Ausserdem werden die beim Bau verursachten CO2-Emissionen nur zum Teil in die Berechnung der Klimabilanz der WM miteinbezogen. Einen Teil des Ausstosses wälzen die Organisatoren auf die noch nicht bekannten Nachnutzer ab.
Ebenfalls nicht einberechnet in die 3.6 Megatonnen CO2 sind die Shuttle-Flüge einiger Mannschaften. In Katar gibt es zu wenig Hotels und Unterkunftsmöglichkeiten für die Teams und die mitgereisten Fans. Alternative Übernachtungsmöglichkeiten in Dubai und Abu Dhabi liegen nicht in Fahrdistanz zu den Austragungsorten der sportlichen Begegnungen, was bedeutet, dass Shuttle-Flüge nötig werden.
Grundsätzlicher noch findet die Kompensation der Treibhausgasemissionen durch Klimazertifikate zahlreiche Kritiker. Statt ausschliesslich auf offizielle Zertifikate zu setzen, gründeten die Veranstalter ein eigenes Programm zur Bewertung von Klimaprojekten, das die Hälfte aller Zertifikate liefern soll. Das „Global Carbon Council“ befand erst sechs der in Angriff genommenen Projekte für gut – unter anderem einen Windpark in Serbien und ein Wasserwerk in der Türkei. Da derlei Projekte aber einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen bringen, werden auch sie nach internationalen Standards nicht mehr mitgezählt. Es stellt sich also die Frage, ob die Veranstalter damit nur „Greenwashing“ betreiben.
Greenwashing: Mit Hilfe von Kommunikation, Marketing und Einzelmassnahmen versucht eine Organisation ein „grünes“ Image zu erlangen. In Wirklichkeit werden im operativen Geschäft aber keine konkreten Massnahmen umgesetzt (Quelle: Wirtschaftslexikon Definition Greenwashing).
Nachhaltigkeit wird in Katar wenig gelebt
In Katar leben rund 3 Millionen Menschen, die meisten davon in der Hauptstadt Doha. Das Land hat, gemessen an seiner Fläche, einen sehr hohen CO2-Ausstoss. Die Einwohner bezahlen für Strom und Wasser fast nichts. Viele sind mit dem Auto unterwegs, die neugebaute Metro in Doha wird selten genutzt. Die Industrie in Katar lebt von fossilen Energieträgern: Sie haben das Land reich gemacht. Von Nachhaltigkeit ist im Wüstenstaat ganz allgemein noch wenig zu spüren. Doch gerade dieser sollte sich reichlich Gedanken zur Klimakrise machen, denn er ist direkt betroffen. Seine Lage direkt am Persischen Golf könnte bei steigenden Meeresspiegeln ungemütlich werden. Auch die zunehmende Hitze dürfte nicht schadlos an den Menschen in Katar vorbeigehen.
Es ist nicht alles schlecht
Trotz dieser zahlreichen, berechtigten Kritikpunkte verzeichnet die WM bezüglich ihrer Umweltwirkung auch Erfolge. Alle Stadien wurden in einem Umkreis von 55 Kilometern gebaut und sind von der Stadt Doha aus gut erreichbar. Das Stadion 947 wurde aus Schiffscontainern errichtet: Es ist komplett demontierbar und kann wieder aufgebaut werden. Alle Spielstätten werden von LED-Lampen ausgeleuchtet.
Im Fussball braucht es einen Umbruch
Nichtsdestotrotz: Das Thema Nachhaltigkeit wird im Fussballgeschäft immer noch zu wenig berücksichtigt. Die Stadien sind Energiefresser, die Hauptsponsoren meist Grosskonzerne, an die Auswärtsspiele reisen die Mannschaften üblicherweise mit dem Flugzeug. Die Outdoor-Sportart ist dabei vom Klimawandel direkt betroffen und hätte auch die finanziellen Ressourcen, in diesem Eigeninteresse ein Augenmerk auf das Thema Umwelt zu legen. Nicht nur an Grossveranstaltungen wie der Weltmeisterschaft in Katar, sondern auch im kleinen Rahmen bei jedem einzelnen Klub.
Quellen und weitere Informationen:
SRF: Das ist der WM-Austragungsort Katar
Deutschlandfunk: Die Mär vom klimaneutralen Turnier
SWR2: Fussball-WM in Katar – Kicken ohne Klimabewusstsein
FIFA: Nachhaltigkeit
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