Konfliktpotenzial zwischen Umwelt und Tourismus

Die Skilifte in Wintersportgebieten verändern Landschaften langfristig. Die Skilifte in Wintersportgebieten verändern Landschaften langfristig.

Am 11. Dezember 2022 fand der 20. Internationale Tag der Berge statt. Der alpine Raum wird immer mehr von Touristen bevölkert, was Konfliktpotenzial birgt: Ziele des Umweltschutzes und des Tourismus stehen in vielen Fällen in Widerspruch zueinander.

Nach dem Jahr der Berge 2002 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen jedes Jahr einen Internationalen Tag der Berge durchzuführen. Jeweils am 11. Dezember findet dieser „International Mountain Day“ statt. Er soll auf die besondere Bedeutung der Berggebiete für das Leben auf der Erde und die Notwendigkeit ihrer nachhaltigen Entwicklung aufmerksam machen.

Bergregionen üben seit jeher eine Faszination auf die Menschheit aus. Bereits im 19. Jahrhundert boomte der Tourismus in alpinen Gebieten. Die Zahlen des weltweiten Bergtourismus steigen auch im 21. Jahrhundert weiter an. Die hohe Menge an Besuchenden birgt vor allem für die Umwelt grosse Herausforderungen. Häufig kommen sich Zielsetzungen und Bedürfnisse des Umweltschutzes und des (Massen-)Tourismus in die Quere.

Massentourismus vs. Nachhaltiger Tourismus

Massentourismus ist ein negativ belasteter Begriff, der den Tourismus als Massenerscheinung beschreibt. Die damit verbundenen Auswirkungen und Verhaltensweisen von Touristen haben meist einen grossen Einfluss auf die Umwelt. Übermässige Besucherzahlen an einem Ort können zur Überlastung der natürlichen Umgebung führen. Die notwendige Infrastruktur, das vermehrte Verkehrsaufkommen, der damit verbundene Lärm und die Abgase sowie der liegengebliebene Abfall haben einen negativen Einfluss auf Flora und Fauna in einer Region. Bei dieser Art des Fremdenverkehrs steht die Wirtschaftlichkeit bzw. der kurzfristige Profit klar im Vordergrund.

Das Gegenteil von Massentourismus ist der Sanfte bzw. Nachhaltige Tourismus. Der Begriff wurde um 1980 erstmals verwendet. Er beschreibt den Tourismus als eine Reiseform, die negative Wirkungen aus ökologischer und soziokultureller Perspektive korrigieren und bestenfalls vermeiden will. Es geht darum, die Umwelt und die soziokulturelle Entwicklung eines Landes weitestgehend unberührt zu lassen. Eine organische Entwicklung der natürlichen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände soll das Ziel von nachhaltigem Tourismus sein. Die Interessen der Einwohner und der Touristen sollten zur Erreichung des Ziels möglichst in Einklang gebracht werden.

Die Umwelt mit ihrer Naturausstattung gehört in touristischen Gegenden zur Grundlage für die Lebensqualität der Einheimischen wie für die touristischen Attraktionen. Die Natur steht somit im Interessenskonflikt zwischen Schutz und Nutzung. Problematisch wird es, wenn Massentourismus und die damit verbundene Wirtschaftlichkeit in einer Region im Vordergrund stehen. Drei Beispiele aus der Schweiz und Italien zeigen, was geschieht, wenn die Umwelt nur an zweiter Stelle steht.

Vergrösserung des Skigebiets Elm in Glarus Süd

Das Familienskigebiet in Elm im Kanton Glarus soll erweitert werden. Neue Skilifte und mehr Pistenkilometer versprechen höhere Besucherzahlen und damit mehr Gewinn. Problematik 1: Ein Grossteil des Ortes Elm ist Teil des ältesten Wildtierschutzgebiets der Schweiz und Europas, dem Freiberg Kärpf. Für eine Erweiterung des Wintersportgebiets schlägt der Kanton nun eine Verkleinerung des Schutzgebiets vor. Als Kompensation soll im Krauchtal, einige Kilometer entfernt, ein neues Jagdbanngebiet entstehen. Ein entsprechender Antrag wurde beim Bund eingereicht. Für die Wildtiere ist diese Entwicklung bedrohlich. Durch die neuen Lifte und Pisten werden ihre Lebensräume verkleinert und zerstückelt. Das neue Schutzgebiet ist zu weit weg für deren Umsiedlung. Ebenso wird das Landschaftsbild und die vielfältige Flora und Fauna zerstört. Problematik 2: Es sind grosse Investitionen nötig in einem Gebiet unter 2‘000 Meter, wo aufgrund des Klimawandels bald nur noch auf Kunstschnee gefahren werden kann.

Zusammenschluss Skigebiete Engelberg-Titlis, Melchsee-Frutt und Hasliberg

Die Skigebiete Engelberg-Titlis und Melchsee-Frutt im Kanton Obwalden und das Skigebiet Hasliberg im Kanton Bern wollen zusammenschliessen. Die einzelnen Wintersportorte sehen sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Mit einem Zusammenschluss würde das Angebot vergrössert werden. Damit einher geht die Hoffnung, dass die Rentabilität gesteigert werden könnte, obwohl eine Fusion zwischen 50 und 70 Millionen Schweizer Franken kosten würde. Die neuen Skilifte und Pisten hätten einen erheblichen Einfluss auf die natürliche Umwelt und das Landschaftsbild.

 Skigebiete in Verruf:
Wintersportgebiete sind seit der Zuspitzung der Klimakrise in Verruf geraten. Die Infrastruktur zerstört ganze Landschaften und Lebensräume. Ausserdem braucht es zur Errichtung viele Baumaterialien, und dabei wird eine grosse Menge CO2 ausgestossen. Die Erwärmung der Erde führt zu grösseren Schneeunsicherheiten und vermehrt zu künstlicher Beschneiung. Das verbraucht viel Wasser und Energie, beides knappe Ressourcen in der heutigen Zeit. Hinzu kommt, dass die Zahlen von Ski- und Snowboard-Fahrenden abnehmen, was eine Erweiterung von Angeboten in diesem Bereich nicht rechtfertigt.

Überlaufenes Südtirol

Die Dolomiten und ihre Umgebung im Südtirol gehören zum UNESCO-Weltnaturerbe. Besonders in den letzten Jahren hat der Besucherstrom kontinuierlich zugenommen und ein ungesundes Mass erreicht. Vollgestopfte Parkplätze, überlaufene Touristenorte und übermässiger Verkehr sind die Auswirkungen davon. Einige Sehenswürdigkeiten wie der „Pragser Wildsee“ oder der „Karersee“ mussten für Touristen bereits im Zugang eingeschränkt oder sogar gesperrt werden. Die erheblichen Auswirkungen auf die Natur rechtfertigen eine hohe Besucherzahl nicht mehr.

Die Beispiele zeigen, dass die Natur meist nur an zweiter Stelle hinter der Wirtschaftlichkeit steht. Obwohl sie zur Grundlage des Tourismus gehört, wird sie meist nur ungenügend berücksichtigt. Der Internationale Tag der Berge soll auf solche Missstände aufmerksam machen und zeigen, dass der Schutz der Natur unverzichtbar ist, auch für die Tourismusbranche. Ansonsten zerstört sie ihre Grundlage selbst!

 

 

Quellen und weitere Informationen:
Youtube: Bundesamt für Landwirtschaft: Internationaler Tag der Berge 2022
Youtube: BR: Massentourismus in den Alpen: Wie Südtirol um seine Zukunft kämpft
Kanton Glarus: Regierungsrat beantragt neues Jagdbanngebiet Krauchtal
SRF: So viel würde ein Skigebiet von Engelberg bis Hasliberg kosten


 

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