Pharmariesen schützen Patente statt Menschen

In keinem anderen Land trägt die Pharmaindustrie soviel zum Bruttoinlandprodukt bei wie in der Schweiz. Die Industrie verdient dabei nicht nur an den „reichen“ Europäern, sondern immer mehr auch an Schwellenländern wie Indien oder China. Die dortige Bevölkerung zahlt dabei einen weitaus höheren Preis – Schuld daran trägt der Patentschutz auf Medikamenten.

Der Pharmaindustrie hierzulande geht es gut – sie macht in der Schweiz 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Der wirtschaftliche Erfolg ist nicht zuletzt auf den in den 1990er Jahren eingeführten Patentschutz auf Medikamente zurückzuführen. Dieser wurde im Rahmen des TRIPS-Abkommen (Engl.: Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property) der WTO festgelegt. Alle 151 WTO-Mitgliedstaaten sind somit verpflichtet, Patente auf Medikamente zu erteilen. Mit einem Patent kann ein Erfinder ein zeitlich limitiertes kommerzielles Recht in Bezug auf seine Erfindung geltend machen: ein grosser Gewinn für die grossen Pharmaunternehmen: Sie legen die Preise weltweit fest, und ihre Produkte dürfen während mindestens 20 Jahren nicht kopiert werden.

Weniger erfreulich ist die Entwicklung für Millionen kranker Menschen in den südlichen Ländern. Bis 1994 kannten viele Schwellenländer wie China oder Indien keinen Patentschutz auf Medikamenten und stellten viele gute Generika selber günstig her. Dadurch konnten zum Beispiel in der Behandlung von HIV/AIDS die Medikamentenkosten von 10‘000 $ pro Jahr und Patient auf 130 $ gesenkt werden. Mit Einführung der Patente wurde die Konkurrenz durch Generika ausgeschalten – mit verheerenden Folgen für die ärmeren Patienten: Aufgrund oft knapper Gesundheitsbudgets und fehlendem Krankenkassensystem können sie sich die teuren Medikamente schlicht nicht leisten. Brisanterweise wurden die Basler Pharmaunternehmen selbst erst durch die Kopie von im Ausland hergestellten Medikamenten gross.

„Die Schweiz spricht Schwellenländern wie Indien das Recht ab, dasselbe Rezept anzuwenden, dank dem die Basler Chemie heute blüht.“Erklärung von Bern (EvB)

Die Pharmabranche erklärt unaufhörlich, Patente seien notwendig für Innovationen. Tatsächlich geht aber die Zahl neuer Moleküle, die von Arzneimittelbehörden anerkannt wurden, stetig zurück, während sich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung mehr als verdreifachten. Laut Angaben der Erklärung von Bern (EvB) haben mehrere unabhängige Studien sogar ergeben, dass bei neun von zehn Medikamenten, die jedes Jahr neu auf den Markt kommen, kein therapeutischer Fortschritt nachgewiesen werden kann und ihre Wirkung häufig sogar schlechter ist als die bereits bekannter Medikamente. Dazu dürfte auch eine Praxis namens „Evergreening“ beitragen: Pharmafirmen verändern dabei die Formulierungen von Medikamenten geringfügig, um den Patentschutz ihrer Medikamente weiter zu verlängern. Damit wird  der Zugang der Bevölkerung armer Länder zu lebenswichtigen Medikamenten weiter gehemmt und das gesamte System für neue Entdeckungen im pharmazeutischen Bereich gelähmt.

In jüngster Vergangenheit wurden allerdings einige Schweizer Pharmamultis auf ihrem rücksichtslosen Erfolgskurs gebremst: Im letzten Jahr wurde beispielsweise Novartis nach einem 7-jährigen Prozess in Indien ein Patent für das Krebsmedikament Glivec verweigert. Damit besteht ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass Indien zumindest teilweise weiterhin seine Rolle als Apotheke des Südens wahrnehmen kann.

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