Wegwerfprodukte fördern Wachstum
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), mit dem das Wirtschaftswachstum gemessen wird, unterscheidet nicht zwischen nützlichem und schädlichem Wachstum. Je mehr Bauschäden, je mehr teure Reparaturen, je mehr Wegwerfprodukte oder Produkte, die dank geplanter Obsoleszenz nur eine begrenzte Haltbarkeit haben, desto besser für das Wachstum. Ein Beispiel für diesen Irrsinn ist das starke Wachstum in der Gesundheitsindustrie: Je mehr Ärzte, je mehr Operationen, je mehr Medikamente, umso besser ist dies für das Wachstum. Wer ungesund lebt und daher das Gesundheitssystem stark in Anspruch nimmt, trägt mehr zum Wirtschaftswachstum bei, als wer diesbezüglich weniger Kosten verursacht.
Ein anderes Beispiel sind die völlig verzerrten Preise. So sind zum Beispiel in den Strompreisen die Kosten der Lagerung des hochradioaktiven Atommülls nicht oder nur zum geringsten Teil enthalten. Für den Abbau der Rohstoffe stellt die Erde keine Rechnung. Zudem fehlt in den viel zu günstigen Preisen für Benzin, Gas und Heizöl deren gewaltige Umweltbelastung. Vom militärischen Aufwand, der notwendig ist, um diese fossilen Energieträger sicherzustellen, ganz zu schweigen. Aber auch Luft- und Wasserverschmutzung, Kosten für das Recycling, Umsiedlung von Bevölkerungsteilen und vieles mehr, sind oft nicht im Endpreis enthalten. Dadurch entsteht die Absurdität, dass Zerstörung von Gesellschaft und Natur als Profit verbucht werden. Aufgrund mangelnder Alternativen und gesetzlicher Regulierung ist diese Form des Wachstums gerade in Entwicklungsländern höchst profitabel.
„Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fisch gefangen und der letzte Fluss verschmutzt ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
Indianische Prophezeiung, Häuptling Seattle zugesprochen
Oft wird dann als mögliche Lösung gefordert, dass doch jeder einzelne weniger Konsum betreiben soll, um die natürlichen Ressourcen zu schonen. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, es wird dabei aber vergessen, dass unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem, und mit ihm unser Sozialstaat, zusammenbrechen würden, wenn der Konsum reduziert würde. Im Gegenteil: Wir brauchen sogar jedes Jahr mehr Konsum, damit alles so bleiben kann, wie wir es kennen. Wie dramatisch die Folgen sein können, wenn der Konsum einmal im grossen Stil wegfällt, zeigte die letzte grosse Finanzkrise 2009.
Neue Herangehensweise nötig
Seien wir doch einmal ehrlich: Die Art und Weise, wie Umweltschützer in den letzten Jahrzehnten an die Probleme herangegangen sind, hat doch eher einen bescheidenen Erfolg gehabt. Der Klimawandel beschleunigt sich eher, als dass er gestoppt wird, und der weltweite Verbrauch von natürlichen Ressourcen nimmt ständig zu – und damit auch die Umweltzerstörung. Kurz gesagt, den allermeisten Ökosystemen ging es in der Menschheitsgeschichte noch nie so schlecht wie heute. Ein möglicher Grund könnte darin liegen, dass Umweltschutz bisher zu viel durch die ökologische und soziale Brille und zu wenig durch die Wirtschafts- und Finanzbrille gesehen wurde. So stellt sich doch die Frage: Warum kommen unsere Volkswirtschaften trotz der bekannten Probleme nicht ohne ständiges Wachstum aus? Und liegt nicht einer der Hautgründe darin, wie unser Geldsystem funktioniert?
Ein Geldsystem wie das unsere, bei dem Geld nur durch Kreditaufnahme in Umlauf kommt, funktioniert nur, solange die Wirtschaft wächst und zwar immer um mehr als der durchschnittliche Zinssatz beträgt. Das durch Kredite in Umlauf gekommene Geld verschwindet bei der Rückzahlung und muss erneut ausgeliehen werden, damit Geld in Umlauf ist. Das umlaufende Geld reicht aber nur für die Tilgung der Kredite, also die Rückzahlung der ursprünglich ausgeliehenen Summen. Für den darüber hinaus fälligen Zins ist dann kein Geld mehr vorhanden.
Die Tatsache, dass Geld immer durch Kredit entsteht und dass auf diese Kredite Zinsen erhoben werden, die aber niemals alle zurück gezahlt werden können, sorgt dafür, dass die gesamten Schulden im System ständig zunehmen und damit auch die Geldvermögen – weil die Schulden des einen immer das Geldvermögen des anderen sind. Auch für diese Geldvermögen, die meistens sehr ungleich verteilt sind, fallen ständig Zinsen an, die von irgendwoher kommen müssen. Und genau dieses ständige Wachstum der gesamten Geldmenge ist einer der Hauptgründe, warum wir ständiges Wirtschaftswachstum brauchen. Denn die Zinsen, die jedes Jahr neu dazu kommen, müssen von uns allen erwirtschaftet werden. Das geht aber nur, wenn wir dieses Jahr mehr erwirtschaften als letztes Jahr. Ausserdem braucht diese ständig wachsende Geldmenge einen materiellen Gegenwert, sonst wäre sie bald wertlos.
Umweltschutz sollte systemrelevant sein
Ständiges Wirtschaftswachstum kann also auf Dauer nicht funktionieren, da wir nur einen Planeten haben. Man könnte es fast mit einem Krebsgeschwür vergleichen, das immer weiter wächst. Wenn man also in Zukunft beim Umweltschutz grössere Erfolge erzielen möchte, wäre es sinnvoll, mehr die Ursachen der Umweltzerstörung als die Symptome zu bekämpfen. So helfen die besten Ideen nicht viel, wenn keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Umweltschutz sollte keine Sache des guten Willens sein, so wie es heute in Form von Spenden hauptsächlich der Fall ist. Stattdessen sollte er viel mehr systemrelevant sein. Zur Rettung der grossen Banken weltweit stehen ja auch viele Milliarden zur Verfügung. Und das sollte auch für den Umweltschutz gelten. Unser Wirtschaftssystem muss also so sein, dass Umweltschutz die Basis bildet – und nicht einen Störfaktor. Es wird höchste Zeit, das über 200 Jahre alte Wirtschafts- und Finanzsystem an die heutigen Notwendigkeiten anzupassen.
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Planet Wissen – Warum das Geld die Welt regiert
Englisch-sprachiger Dokumentar-Film „Money & Life“
Webseite des deutschen Wachstumskritikers Niko Paech: postwachstumsoekonomie.de
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