Seit Februar 2012 verhandeln die Schweiz und 22 andere Parteien, darunter die Europäische Union und die USA, über ein Abkommen, das die weltweite Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen anstrebt. Sie bezeichnen sich selbst als die „wirklich guten Freunde von Dienstleistungen“. Das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA: Trade in Services Agreement) wurde von den USA initiiert. Wie beim Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP: Transatlantic Trade and Investment Partnership) finden die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur die Schweiz hat einige Dokumente zu den aktuellen Verhandlungen veröffentlicht. Transparenz ist für viele Verhandlungsstaaten ein Fremdwort. Ausserdem ist die australische Botschaft in Genf Austragungsort der Treffen. Die TiSA ist ein Nachfolgeabkommen des GATS (General Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation (WTO). Diese hat auf die laufenden Verhandlungen keinen Einfluss. Auffällig ist zudem, dass keine der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) an den Verhandlungen teilnimmt.
Bei Privatisierungen gibt es kein Zurück mehr
Die rund 50 an den Verhandlungen beteiligten Staaten streben eine radikale Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen an. Dies hat Konsequenzen für das Gesundheitswesen, die Bildung, die Post, den Verkehr, das Kulturprogramm, die Energieversorgung und so weiter. All diese Bereiche würden in die Hände privater Investoren gelangen. Dies ist problematisch, da Grundbedürfnisse des Menschen zu Handelsgütern werden. Die Länder erlauben jedem Vertragsstaat, Dienstleistungen, die von der Marktöffnung ausgeschlossen werden, auf eine Liste zu setzen. Diese Liste ist verbindlich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung.
Eine sogenannte „Ratchet-Klausel“ verlangt, dass eine Marktöffnung nicht rückgängig zu machen ist, selbst wenn die Liberalisierung komplett scheitert. Eine weitere Klausel, die „Standstill-Klausel“, strebt den Stopp von Regulierungen an, somit sind neue gesetzliche Regulierungen in Bezug auf die Ladenöffnungszeiten ausgeschlossen. Wir können nicht voraussehen, welche Leistungen des Staates wir in zwanzig, fünfzig oder hundert Jahren brauchen. Wäre das TiSA-Abkommen bereits vor 200 Jahren in Kraft getreten, wären Errungenschaften wie die Sozialversicherungen nie zustande gekommen. Ein interessantes Beispiel ist Paraguay. 2004 verlangte die Bevölkerung die Wasserversorgung wieder zu verstaatlichen, und den Zugang zu Wasser in der Verfassung niederzuschreiben. Dieses Referendum wäre mit dem Abkommen nicht möglich. Stefan Giger, Generalsekretär des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (vpod), führt gegenüber umweltnetz-schweiz aus: „Wenn aber beispielsweise Kehrichtbeseitigung dereguliert würde, kann das bedeuten, dass eine ausländische Firma Kehrichtentsorgung in der Schweiz akquirieren könnte, weil die Entsorgung im Ausland bei weniger hohen Umweltauflagen billiger wäre, obwohl dadurch zusätzliche Umweltbelastung (längere Transportwege z.B. per Camion) anfallen. Eine Vorschrift, dass der Kehricht in der Schweiz entsorgt werden muss, wäre gegen den Grundsatz der Marktöffnung.“ Ausserdem könnten Schulkantinen neu von Burger King oder grossen Nahrungsmittel-Konzernen betrieben werden. Zur Illustration der gesundheitlichen Konsequenzen bietet sich das unerspriessliche Beispiel Grossbritanniens an.
Heikle Bestimmungen über die Privatsphäre
Ein brisantes Detail sind weiterhin die möglichen Bestimmungen über den Datenschutz. Ein Auszug der Verhandlungspapieren lautet: „Kein Unterzeichner darf einen Dienstanbieter eines anderen Unterzeichners daran hindern, Informationen zu übertragen, auf sie zuzugreifen, sie zu verarbeiten oder zu speichern. Das schließt persönliche Daten mit ein, wenn der Vorgang in Zusammenhang mit der Ausführung der Geschäfte des Dienstanbieters steht.“ Das Thema Privatsphäre wäre somit auch vom Tisch.
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