Wählen Sie schon bald das rechte Seeufer für einen Spaziergang entlang dem Zürichsee? Entsteht dereinst die Möglichkeit zur ufernahen Seeumrundung? Der Uferweg-Entscheid des Bundesgerichts lässt Befürworter träumen und Grundstückbesitzer schäumen.
Entgegen eines Beschlusses des Zürcher Kantonrats von Oktober 2013 schafft das Bundesgericht mit seinem Entscheid eine neue Ausgangslage für den andauernden Rechtstreit um freien Zugang zum Zürcher Seeufer. Im Zusammenhang mit den geplanten Uferwegen rund um den Zürichsee schliesst der Entscheid etwaige Enteignungen von Grundstückbesitzern nicht mehr aus. Das Gericht erleichtert somit Realisierungen von Uferwegprojekten und spricht sich ausserdem dafür aus, der Zugang zu den Ufern müsse ganz grundsätzlich verbessert werden. Was bedeutet der Entscheid für das Ökosystem Zürichsee?
Victor von Wartburg, Präsident des Vereines «Rives Publiques», zeigte sich im Interview von letztem Donnerstag mit SRF begeistert über den Entscheid aus Lausanne. Sein Verein setzt sich seit Jahren für öffentlich zugängliche Seeufer ein und unterstützt Uferwegprojekte von Gemeinden und Bürgerinitiativen.
Entgegengesetzt versuchen private Grundstückbesitzer - mit Unterstützung der Bürgerlichen - Schutzklauseln im Gesetz zu verankern, die Enteignungen erheblich erschweren würden.
Der Entscheid bringt Bewegung in die langjährige Streitfrage um öffentlichen Zugang zu Seeufern. Das Urteil wird in der Praxis jedoch zäh und langwierig neu verhandelt werden. So könnte es noch Jahre dauern, bis Spaziergänge entlang der “Goldküste“, beispielsweise auf einem Seesteg wie demjenigen in Wollishofen, möglich sind.
Private Grundstückbesitzer beanspruchen ihr Stück See, die Öffentlichkeit wünscht sich Zugang zu Naherholungsgebieten. Bis der ‘Klassenkampf‘ vor Tina Turners Haustüre entschieden ist, bleibt uns Zeit, um inmitten der vielfältigen Nutzungsansprüche über die Bedürfnisse der Ökosysteme entlang der Seen nachzudenken.
Die touristische Nutzung von Seen (Badestellen, Marinas, Uferpromenaden) führt zur Zerstörung von natürlichen Uferstrukturen. Somit können wichtige ökologische Funktionen (Lebensraum von vielen Arten, Aufwuchsgebiet von Jungfischen) nicht mehr erfüllt werden. Hohe Frequentierung und stärkere Nutzung durch die Allgemeinheit könnten sich zum Stressfaktor insbesondere für die oberflächennahe Freiwasserzone entwickeln. In Privatbesitz bleibt die direkte Ufernutzung wohl weiterhin eher gering. Insbesondere für ökologisch wertvolle Uferpartien ist dies von Bedeutung.
Hingegen erhalten ökologisch-nachhaltig motivierte Anliegen beim Interessenvertreter «Rives Publiques» mehr Gehör als bei privaten Seeanstössern. Der Verein fordert, nebst erweiterten Nutzungsrechten für die Öffentlichkeit, grössere Naturschutzgebiete und verstärkte Rücksichtnahme auf die sensiblen Ökosysteme.
Eine Öffentlichkeit, die sich aktiv am See bewegt, könnte zudem besser informiert und für nachhaltige Freizeitnutzung der Seeufer sensibilisiert werden.
Wer nicht abwarten mag, bis die Schweizer Seeufer wieder vermehrt zugänglich sind, könnte sich zu einer Flusswanderung entschliessen. An deren Ufern hat sich in den letzten Jahren im Zuge von Renaturierungsmassnahmen viel getan. Zahlreiche Uferstrecken bieten beste Naherholung.
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