Ins Horn geblasen

Bauer Armin Capaul kämpft für behornte Kühe Bauer Armin Capaul kämpft für behornte Kühe

Am 23. März reichte das Initiativkomitee um den Bauer Armin Capaul über 120 000 bescheinigte Unterschriften für die sogenannte Hornkuhinitiative ein. Die Initianten fordern finanzielle Unterstützung für Halter von Kühen, Stieren und Ziegen mit Hörnern. Eine gute Sache, doch lohnt sich ein zweiter Blick auf das Anliegen.

Mit der Hornkuhinitiative wollen die Urheber nach eigenen Angaben Kühen und Ziegen ihre Hörner und Würde `zurückgeben`. Sie kritisieren die landesübliche Praxis, Nutztiere zu enthornen. Grundlegende Funktionen des Körpers sowie des Sozialverhaltens würden dabei gestört. Beispielsweise verweisen die Aktivisten auf die Anatomie der Tiere, deren Hörner durchblutet und von Nerven durchzogen, mit dem Schädel verwachsen und über Hohlräume mit den Stirn- und Nasennebenhöhlen verbunden sind. Kühe nutzen ihre Hörner zur Kommunikation, zur Klärung der Rangordnung etwa. Sie sind ausserdem fester Bestandteil des Sozialverhaltens. Kühe kratzen sich selbst oder gegenseitig, was die Enthornungsgegner als kontrolliertes Bewusstsein der Tiere über das eigene Horn werten. Horntiere reagieren hochsensibel und schmerzempfindlich auf das Entfernen ihrer Hörner, denn der Vorgang ist nicht schmerzfrei durchführbar. Der grosse Hauptnerv in der Hornanlage ist praktisch nicht komplett zu betäuben. Die Betäubung und die schmerzstillenden Medikamente sedieren das Kalb so weit, dass seine Schmerzreaktionen gering, aber dennoch gut wahrnehmbar sind. Nachweisbar spielen Hörner bei einigen Körperfunktionen eine wichtige Rolle und verhelfen den Tieren zu einem besseren Wohlbefinden. Beispielsweise helfen Hörner auch bei der Regulierung der Körpertemperatur.

Hörner werden vordergründig zur Vermeidung von Unfällen entfernt. Innerhalb der intensiven Milchkuhwirtschaft herrschen beengte Platzverhältnisse in den Stallungen, und die Tiere verletzten sich zuweilen bei Konflikten. Die Initianten argumentieren, dass bei richtig dimensionierten und gut eingerichteten Ställen die Verletzungsgefahr weitaus geringer ist, selbst in Laufställen. Unfälle durch Tritte kommen bedeutend öfter vor. Auch dass Personen von Tieren gegen eine Wand gedrückt werden, geschieht häufiger, als dass sie durch Hörner verletzt werden. Bauer Armin Capaul plädiert, die Mensch-Tier-Beziehung müsse intensiver gepflegt werden, was den Zeitaufwand zwar erhöhe, aber auch für mehr Sicherheit sorge. Capaul und die IG Hornkuh fordern: Stallsysteme sollen dem Tier angepasst werden, nicht das Tier dem Stallsystem.

Aus Sicht der Initianten ist das Enthornen eine unzulässige Anpassung an den Menschen respektive ans Haltungssystem. Tiere aber dürften nicht zurechtgestutzt und eingepasst werden. Auch das Verletzungsargument der Gegner sticht ihrer Ansicht nach nicht, da es Unfälle auch mit enthornten Tieren gebe.

Heute sind neun von zehn Milchkühen hornlos. Dem in den 1980er Jahren salonfähig gewordenen Enthornen will die Initiative nicht mit Verboten, sondern mit Anreizen entgegenwirken. Halter von Kühen, aber auch von Ziegen mit Hörnern sollen vom Bund eine Finanzspritze erhalten. Eine Kuh mit Hörnern braucht mehr Platz im Stall, was den Ertrag pro Quadratmeter verringert. Ein Laufstall für horntragende Kühe muss um ein Drittel grösser sein und die Stalleinrichtungen müssen dem Verhalten der Tiere angepasst sein. Entweder hält der Bauer also weniger Kühe, oder aber er baut den Stall aus. Beides kostet Geld.

Bauer Capaul schlägt eine Entschädigung in der Höhe von 500 Franken pro Kuh und 100 Franken pro Ziege vor, damit anfallende Umsatzeinbussen oder Baukosten kompensiert werden könnten. Landwirtschaftliche Subventionen sollen aber nicht erhöht, sondern lediglich umverteilt werden.

Aus Kreisen des Tier- und Umweltschutzes erhält das Vorhaben Unterstützung, wie auch von der Kleinbauern-Vereinigung. Hingegen wehrt sich ein grosser Teil der Bauern gegen die drohende Abwanderung von Geldern. Enthornte Tiere seien in der Gruppe ruhiger und umgänglicher, es gebe zudem einige genetisch hornlose Rassen, wie beispielsweise das Simmentaler Fleckvieh.

Kritik kommt auch vom Schweizer Tierschutz (STS), der das Anliegen grundsätzlich unterstützt, aber Vorbehalte anmeldet. Allgemeine Verbesserungen der Tierhaltungen würden mit Annahme der Initiative nicht unbedingt erreicht. Es müsse verhindert werden, dass Hörnerbeiträge auch an jene Abertausende von Bauern ausgeschüttet werden, die ihre Ziegen und Rinder den Grossteil des Lebens angebunden im Stall hielten. Der STS fordert grössere Bewegungsfreiheit in den Ställen. Nicht wenige stören sich ausserdem am ökonomisch basierten Vorstoss als einem Kampf um Direktzahlungen, der nun mit Hörnern geführt wird. Es wäre wohl an der Zeit, die Initiative als Anlass zu nehmen, wieder vermehrt über die Subventionsabhängigkeit der Schweizer Bauern zu sprechen. Als besonders innovationsfreudig können diese durchaus nicht bezeichnet werden. Aus Sicht eines nachhaltigen Tier- und Umweltschutzes werden dringend notwendige Neuerungen in der Landwirtschaft kaum über subventionsgestützte Forderungen umgesetzt werden. 

Weitere Informationen:
IG Hornkuh

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