Mobilität ist ein zentrales Gut unseres Alltags. Tagtäglich nutzen wir die Strassen oder Schienen zur Fortbewegung. Während um etwa 7 und 17 Uhr die höchsten Anteile an Benützern von Strassen und Schienen zu verzeichnen sind, ist die Auslastung während des restlichen Tages vergleichsweise tief. Da der weitere Ausbau der Infrastruktur an gewissen Verkehrsknotenpunkten problematisch ist, ist eine gleichmässigere Verteilung des Verkehrsaufkommens wünschenswert. Mit dem Pilotprojekt Mobility Pricing, welches Ende Juni durch den Bundesrat vorgestellt wurde, möchte man dieses Spitzenaufkommen besser verteilen.
Was ist Mobility Pricing?
Anders als beim Roadpricing soll nicht nur der Strassen-, sondern auch der Bahnverkehr einem flexibleren Tarifwesen unterliegen. Wer zu Stosszeiten fährt, soll mehr bezahlen (leistungsbezogene Preise). Dies soll anreizen, seine Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Auto in weniger frequentierte und somit billigere Zeiten zu verlagern. Diese bessere Auslastung des Verkehrs soll dazu beitragen, das prognostizierte wachsende Verkehrsaufkommen zu schlucken. Gemäss dem Bundesamt für Raumentwicklung ist bis 2030 mit einem Wachstum der Personenkilometer von rund 21 % im motorisierten Individualverkehr und 50 % im öffentlichen Verkehr zu rechnen. Mit dem Konzept des Mobility Pricing orientiert sich der Bundesrat an bereits umgesetzten Projekten im Ausland (beispielsweise Stockholm, Singapur, London oder Mailand). Der Bundesrat möchte nun in Zusammenarbeit mit interessierten Kantonen Pilotversuche starten. Für die Einführung eines solchen Konzeptes wird mit einem Zeithorizont von 15 Jahren gerechnet. Im Bericht des Bundes werden verschiedene Vorschläge zur Umsetzung auf Schiene und Strasse vorgestellt.
Vorteile der Verteuerung
Die Verteuerung des Verkehrs zu Stosszeiten soll das Verkehrsaufkommen in den Strassen reduzieren und Staus vermeiden. Im Strassenverkehr würde dies zudem verkleinerte Abgasmengen und verkürzte Fahrtzeiten bedeuten. Ausserdem würden Fahrgemeinschaften durch die höheren Preise gefördert.
In Zügen und Bussen dagegen soll die Erhöhung der Fahrpreise wieder mehr freie Sitzplätze generieren.
In beiden Fällen wird dem pay-as-you-use-Prinzip (zahlen wie genutzt wird) Rechnung getragen. Durch die erhöhten Preise erhofft sich der Bundesrat die effizientere Nutzung der Fahrten, oder die Verlegung derer in verkehrsärmere Zeiten. Zudem werden eine Eindämmung der Zersiedlung und ein Rückgang der Pendlerströme erhofft, da die Arbeitnehmenden den Umzug in die Nähe ihrer Arbeitsstätte eher in Betracht zögen. Durch die Verteuerung des ÖVs sowie des Individualverkehrs soll der Langsamverkehr indirekt eine Förderung erfahren.
Nachteile des Mobility Pricing
Je nach Bepreisung des motorisierten Individualverkehrs werden Ausweichrouten interessant. Der Verkehr verlagert sich nur, anstatt sich zu vermindern. Durch die Reduktion der Mineralölsteuer, welche in einigen Szenarien vorgesehen ist, fällt ausserdem der Anreiz weg, ein verbrauchsarmes Fahrzeug zu fahren. Das wäre einer Umstellung hinsichtlich einer energieeffizienteren Fahrzeugflotte hinderlich.
Im Bereich des Bahn- und Busverkehrs könnte sich die Verteuerung negativ auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs im Allgemeinen auswirken. Um der Preiserhöhung zu entgehen, wird eine gewisse Flexibilität vorausgesetzt. Wer diese Möglichkeit nicht hat, wird durch die höheren Fahrpreise bestraft. Dies beeinträchtigt die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs und fördert womöglich den Individualverkehr weiter.
Mobilität überdenken
Der Verkehr wächst. Mobility Pricing möchte diese Problematik angehen und das Pendeln wieder angenehmer gestalten. Das Konzept stösst aber auf Kritik von rechts, da die persönliche Freiheit eingeschränkt wird und weitere Abgaben erhoben werden und von links, da der öffentliche Verkehr weiter verteuert wird. Die Verteuerung des Verkehrs setzt in erster Linie ein Umdenken im Arbeits- und Bildungsmarkt voraus. Flexiblere Arbeitszeiten, Home-Office, Anpassung von Stundenplänen sind nötig, um den Berufs- und Alltagsverkehr besser zu verteilen. Zudem ist ein Wandel in den Köpfen von Nöten. Statt stets den Ausbau der Infrastruktur zu fordern, sollten wir uns eher Gedanken darüber machen, wie weit unser Arbeitsplatz von unserer Wohnstätte entfernt liegen sollte, welche Fahrten wirklich notwendig sind und ob wir diese nicht allenfalls auch alternativ mit Langsamverkehr erledigen können. Nicht nur die Verteilung der Mobilität ist nötig – sondern auch deren Einschränkung.
Im Ausland
In Stockholm (Schweden) wurde 2006 erstmals ein Pilotversuch durchgeführt. Hierbei mussten bei Ein- und Ausfahrt in die bzw. aus der Stadt zwischen 06:30 und 18:29 Uhr eine Gebühr entrichtet werden, welche tageszeitlich variierte. Das Verkehrsaufkommen konnte um 10-15 %, Stauzeiten um 30-50 % vermindert werden. Nach dem Ende der Pilotphase wurde die Einführung per Referendum gutgeheissen.
Singapur hat die City-Maut schon vor Jahren eingeführt. Die Einfahrt in das Stadtzentrum kostet zu Stosszeiten bis zu achtmal so viel wie der Grundpreis. Die Staus konnten so massgeblich reduziert werden. Zusätzlich kennt Singapur auch differenzierte Preise im öffentlichen Verkehr (je nach Uhrzeit und Lage). Jedoch basiert dieses System auf Rabatten und Gutscheinen anstelle von Preisaufschlägen.
Weiterführende Informationen/Quellen:
UVEK, Bericht Mobility Pricing
UVEK, Medienmitteilung Mobility Pricing
Smart Traffic in Singapur
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