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Augsburg setzt mit einer « City Zone » als erste deutsche Grossstadt einen Meilenstein im öffentlichen Verkehr, indem sie kostenlosen Nahverkehr anbietet.

Deutscher Wegbereiter Augsburg

Augsburgs „City Zone“ mit kostenlosem Nahverkehr eröffnet Mitte oder Ende 2019 und beinhaltet insgesamt acht Haltestellen. Primär wünscht sich die zuständige Bürgermeisterin Eva Weber (CSU), dass die Stickoxid-Werte wieder sinken und die Luft sauberer wird. Weiter soll der Verkehr in der Innenstadt gesenkt werden.

« Die Idee ist, mit dem Gratis-Nahverkehr den Parksuchverkehr einzudämmen »

Eva Weber, Bürgermeisterin Augsburg

Ausserdem habe es Parkhäuser an der Grenze zur Zone, was einen umweltfreundlichen Ausflug in die Stadt attraktiv bleiben lässt.

Belgien und Estland – zwei unterschiedliche Erfahrungen

Zwei weitere europäische Städte haben (bzw. hatten) den kostenlosen Nahverkehr bereits eingeführt. Die belgische Stadt Hasselt ist mit 16 Jahren Gratis-ÖV - zwischen 1997 und 2013 – europäische Spitzenreiterin. Bemerkenswert ist, dass sich die Anzahl ÖV-Nutzende innerhalb von neun Jahren verzehnfachte. Die Stadt mit 70'000 Einwohnenden musste später jedoch wieder Fahrpreise einführen, da der umfangsreiche Ausbau der Busnetze von drei auf über 50 Linien eine massive Erhöhung der Betriebskosten auslöste.
 
In der estnischen Hauptstadt Tallinn startete 2013 ein grosses Projekt: Tram-, Bus- und Zuglinien sind in der gesamten, über 430'000 Einwohnende zählenden Stadt kostenlos. Sie wirbt mit dem Aushängeschild „Hauptstadt des kostenlosen öffentlichen Verkehrs“ und hielt Konferenzen über urbane Mobilität ab. Im Gegensatz zum belgischen Beispiel ist das Projekt in Estland finanziell gut unterwegs. Dies trotz einem viel grösseren Netz und tieferem Kostendeckungsgrad der Betreibenden. Gratis reist, wer in der estnischen Grossstadt angemeldet ist. Mit der Einführung dieses Systems liessen sich im Folgejahr 10'000 Personen – dreimal mehr als im Vorjahr – anmelden. Die daraus entstandenen angeblich 10 Millionen Euro reichten fast aus, um den Verlust durch den Wegfall der Ticketeinnahmen auszugleichen.
 
Umwelttechnisch fielen die Veränderungen gemäss einer Studie nicht so sehr ins Gewicht. Es wurden keine messbare Verhaltensänderung bei Autofahrenden und nur 3 Prozent Anstieg bei den ÖV-Nutzenden verzeichnet – davon ist ein grosser Anteil auf den Ausbau der Kapazitäten zurückzuführen. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass bereits vor der Einführung des Gratis-ÖV’s tiefe Billettpreise und eine hohe Auslastung des Netzes vorherrschten. Die langfristigen Effekte müssen jedoch erst noch untersucht werden. Trotzdem wird bereits über die Ausdehnung des kostenlosen Busverkehrs auf ganz Estland nachgedacht.
 
Eine auf Studierende, Lernende sowie Schüler und Schülerinnen reduzierte Variante des kostenlosen Nahverkehrs findet man in Luxemburg. Auch in der Schweiz sind solche Varianten ein Thema.

“Studierende, Lernende und Menschen mit kleinem Einkommen sollen gratis Zug fahren dürfen.“

Luzian Franzini, Co-Präsidium Junge Grüne

Bisherige Anläufe sind jedoch gescheitert. So schmetterte beispielsweise die St. Galler Stimmbevölkerung 2012 die Volksinitiative „Gratis-ÖV für unter 25-Jährige“ ab.

Gratis-ÖV in der Schweiz: Eine Träumerei?

Der kostenlose Nahverkehr sieht in der Schweiz noch nicht viel Land. Aufgrund hoher Kostendeckungsgrade und dem gewichtigen Anteil der Einnahmen durch den Billettverkauf ist ein Konzept wie das in Tallinn eher unrealistisch. Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) finanzieren sich beispielsweise zu rund 57 % über Ticketeinnahmen.
 
Gemäss dem Verkehrsdepartement würde ein gänzlich staatlich finanzierter öffentlicher Verkehr in der Schweiz einen Mehraufwand von jährlich sechs Milliarden Franken mit sich bringen. Bereits vor zehn Jahren stimmte das Volk in Genf über den Gratis-ÖV ab. Damals wurde das Anliegen abgelehnt.
 
Bei zunehmender Bevölkerung und steigendem Mobilitätsbedürfnis nimmt der öffentliche Verkehr eine zentrale Rolle ein. Augsburg tut es anderen Städten gleich, unternimmt einen ersten Schritt und wird in der Innenstadt kostenlosen Nahverkehr anbieten. Damit wirkt sie dem motorisierten Individualverkehr und der damit verbundenen Luftverschmutzung entgegen. Auch in Schweizer Städten ist Potential da. Sie ist mit einem der besten ÖV-Netze weltweit ausgerüstet, finanziell gut aufgestellt und könnte definitiv eine der Vorreiterrollen beim Gratis-ÖV einnehmen.

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